Review: THE PURGE: ELECTION YEAR - Satire einer Satire



                                                                           

Fakten:
The Purge: Election Year
USA, Fr, 2016. Regie & Buch: James DeMonaco. Mit: Frank Grillo, Elizabeth Mitchell, Mykelti Williamson, Joseph Julian Soria, Betty Gabriel, Terry Serpico, Edwin Hodge, Kyle Secor, Raymond J. Barry u.a. Länge: 109 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Im Kino.


Story:
Die jährliche Säuberung könnte bald ihr Ende finden, denn Senatorin Charlie Roan hat sich zum Ziel gesetzt, die Purge ein für alle Mal zu verbieten. Bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen werden ihr gute Chancen eingeräumt. Doch zunächst muss sie diese Nacht überstehen. Denn ihre politischen Gegner von der NFFA wollen die anstehende Purge nutzen, um die Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Dank ihres Bodyguards Leo überlebt die Senatorin das ursprüngliche Attentat, allerdings müssen sich die Beiden nun durch die mordlüsternen Straßen schlagen. Und so schnell geben die Hardliner natürlich nicht auf…

                                                                            
Meinung:
„Wir sind keine verfluchten Heuchler! Wir praktizieren, was wir predigen!“

Dieses Zitat ist der einzige Moment, in dem „The Purge: Election Year“ ausversehen fast eine satirische Meta-Ebene erreicht. Als würde er mit voller Absicht sich selbst die Maske runterreißen wollen und zur Satire auf die nicht-wirkliche Satire werden. Natürlich ist das nicht der Fall, eine kleine Kuriosität am Rande ist es trotzdem und verdeutlicht gleichzeitig, was bei der gesamten Reihe bisher und ganz besonders in der dritten Session des fröhlichen Großreinemachens sichtlich schiefläuft.


Einfach Abhängen, ist ja Feiertag.
Es ist Wahljahr, in der Realität wie in den purgend-fiktiven USA und schon meinen einige Schlaumeier, James DeMonaco würde mit dem (vermutlich nicht) Abschluss seiner Trilogie den ganz großen, galligen Satire-Sturm auf das drohende Trump-Debakel loslassen und einen überspitz-mahnenden Blick in dessen ins primitive Wild-West-Chaos trudelnde Amerika riskieren. Die aktuelle Situation greift der Film in der Vermarktung natürlich nebenbei dankend auf, aber man sollte mal drei Jahre zurückblicken. Als 2013 „The Purge – Die Säuberung“ in die Kinos kam war Trump for President noch gar kein (ernsthaftes) Thema, die Hintergrundgeschichte zum Film über das schöne, neue Amerika und seine absurde Gewissensreinigungsnacht schon längst verfasst. Das der cholerische Dagobert Duck mit seinen gefährlichen Spinnereien nun DeMonaco erschreckend in die Karten spielt, ist (für ihn) so was wie Glück im hoffentlich zu vermeidenden Unglück. Unabhängig davon tut die gesamte Purge-Reihe so, als würde sie der gesellschaftlichen Entwicklung in den USA einen bösen Zerrspiegel vorhalten, dessen Bild sich der nahen Zukunft immer mehr annähern könnte.


Psychopathen-Karneval mit abendlichen Freigang.
Was im Erstling nur ein wenig vertiefter Aufhänger für einen reinen Home-Invasion-Reißer war, demaskiert sich nun endgültig als verlogener Blender, der fast genauso scheinheilig ist wie die dort dargestellte Schreckensregierung. Schon bei „The Purge: Anarchy“ wurde überdeutlich, wie der Film oberflächlich das Anprangern von Missständen vorschiebt, um dessen Auswirkungen als eigentliches Zugpferd vor den Karren zu spannen. Niemand der Fans fühlte sich hinterher sicher moralisch und ethisch aufgerüttelt, der wilde Exzess des staatlich abgesegneten Amoklaufs bediente das eigene, voyeuristisch-blutgeile Bedürfnis. Das könnte man bequem vielen Genrefilmen vorwerfen, entscheidend ist doch der ehrliche Umgang damit. Wenn man sich einen dystopischen Exploitation-Klopper reinzieht, bucht man den schlechten Geschmack oder zumindest das kurzzeitige Auschecken aus der guten Kinderstube gleich mit. Das wissen (in der Regel) auch diese Filme, fangen es im Idealfall mit einem spitzbubigen Augenzwinkern und Spaß-an-der-Freud-Einstellung locker wieder auf. Kein Film dieses Sub-Genres muss den Anspruch eines politisch-gesellschaftlichen Bildungsauftrags verfolgen, dass machten ja nicht mal Meisterwerke wie Carpenters „Die Klapperschlange“. Somit selbstverständlich auch nicht „The Purge“, was der dritte Teil aber ohne jegliche Selbstreflexion noch deutlicher als schon im direkten Vorgänger zum Thema macht und sich damit selbst saftig weg-purged.


364 Tage ein lässiger Job, aber heute wird es echt stressig!
Teil eins brauchte nur die Ausgangslage und irgendwie war man schon enttäuscht, dass es von dem Wahnsinn außerhalb des Hauses kaum was zu sehen gab. Teil 2 erfüllte diesen Wunsch und sorgte damit zumindest für einen interessanten Tapetenwechsel. Deutlich mehr Action, deutlich mehr Hintergrund,  deutlicher traten die Probleme zu Tage. Schon dort kippte das Gleichgewicht von „Das darf nicht sein!“ und „Seht her, ist das nicht geil?“ in den grenzwertigen Bereich, dafür blieb dieser Film gerade noch im Genre-akzeptablen Bereich. Mit ein paar ordentlichen, inszenatorischen Momenten und noch nicht uneinholbar weit entfernt von purer Exploitation, jedoch bereits etwas doppelmoralisch verseucht. „The Purge: Election Year“ überspannt den Bogen jetzt zu ungeniert oder eher tollpatschig. Der moralische Disput zwischen Gut und Böse rückt in die Zentrale der Geschichte, durch die angehende Säuberungs-Säuberin-Senatorin, deren Überleben scheinbar unweigerlich über Wohl oder endgültiges Verderben der freien Welt entscheiden wird. Dauernd findet die Verwerflichkeit des Geschehens direkt oder indirekt Erwähnung, während der Film genau dadurch seine Schauwerte bezieht und schamlos sein Publikum bedient.


Hier wird nichts mehr satirisch oder wenigstens leicht nachdenklich stimmend hinterfragt, sich einen feuchten Dreck um noch nachvollziehbare, vielleicht leicht übertragbare Bezüge auf reale Entwicklungen geschert. Trotzdem immer auf die dicke Meta-Hose gemacht, wofür „The Purge: Election Year“ wirklich jegliche Substanz fehlt. Wurden in den Vorgängern vordergründig persönliche Schicksal und Konflikte thematisiert, die auch losgelöst vom großen Ganzen funktionieren, geht es jetzt nur noch um das Ding an sich. Und da lässt der Film knallhart, planlos die besagte Hose runter. Kann nichts mehr auf individuelle Säulen stützen und muss sich die unangenehme Frage gefallen lassen, was er hier eigentlich wem verkaufen will. Aus dem bitterbösen, aber cleveren und lange noch nicht über-brutalen Thriller „Saw“ wurde in der lukrativen Endlosschleife auch ein Gore-Party-Franchise, auf dem „besten“ Weg dahin befindet sich auch James DeMonaco, der selbst wohl nicht mehr die Reißleine ziehen kann, auch ohne ihn dürfte dem ewigen Dauer-Purge-Wahnsinn keine Steine in den Weg gelegt sein. Solange der Rubel rollt. Wir werden sehen und nach wie vor bleibt festzuhalten: Die Idee ist nicht zwingend das Problem, es ist die Umsetzung. Beweisstück C, jetzt ohne Bewährung.

3 von 10 Mitternachtsmessen

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