Review: MAGIC IN THE MOONLIGHT – Wer Liebe leben will, muss Magie akzeptieren



Fakten:
Magic in the Moonlight
USA. UK. 2014. Regie und Buch: Woody Allen. Mit: Colin Firth, Emma Stone, Jacki Weaver, Hamish Linklater, Eileen Atkins, Simon McBurney, Marcia Gay Harden, Erica Leerhsen, Lionel Abelanski u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Ab 16. April auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die Côte d’Azur in den 1920er Jahren: Illusionist Stanley soll der vermeintlichen Wahrsagerin Sophie das Handwerk legen. Diese zieht den abergläubischen Reichen schon seit einiger Zeit das Geld mit ihren Wahrsagungen und Prophezeiungen aus der Tasche. Stanley schleicht sich in die High Society ein, verfällt dort aber nicht nur dem Leben im Luxus, sondern auch der hübschen Sophie.





Meinung:
Hat Woody Allen denn nun wirklich seinen Drive verloren? Ruht sich der Künstler, dem wir Meisterwerke wie „Manhattan“, „Innenleben“ und „Hannah und ihre Schwestern“ zu verdanken haben, inzwischen einzig auf seinem renommierten Ruf aus und agiert in seinem Spätwerk auf Autopilot? Möchte es sich der passionierte Neurotiker, der in Brooklyn aufgewachsene Intellektuelle, nicht einmal mehr selbst beweisen, dass er noch zu wahren cineastischen Sternstunden in der Lage ist? Die internationale Rezeption versucht uns nur zu gerne davon in den Glauben zu versetzen, dass sich Woody Allen doch endlich in den Ruhestand begeben soll, anstatt uns mit seinem touristischen Blick auf europäische Metropolen zu narkotisieren. Aber all der despektierliche Sermon ist natürlich Unsinn: Woody Allen ist nach wie vor ein großartige Regisseur und Drehbuchautor, ihn hat zwar größtenteils die Lust dahingehend verlassen, die Abgründe und Diskrepanzen innerhalb zwischenmenschlicher Geflechte freizuschaufeln, für schwereloses Sommerkino sorgt der Mann indes nach wie vor in unumstößlicher Verlässlichkeit.


Stanley misstraut Sophie noch
Ab und zu schleichen sich dann und wann noch etwas bedrückendere Stoffe wie etwa „Cassandras Traum“, „Match Point“ oder zuletzt „Blue Jasmine“ in das Schaffen, Woody Allens sonnengeflutete Städtetour aber steht vor allem unter einem entspannten, einem besonnenen Emblem. Und sein neustes Werk „Magic in the Moonlight“, vortrefflich in den Hauptrollen mit Colin Firth („Kingsman – The Secret Service“) und Emma Stone (Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) besetzt, stellt im Konnex zu „Vicky Cristina Barcelona“, „Midnight in Paris“ oder „To Rome With Love“ keine Ausnahme dar. Woody Allen ist indes auch freilich an dem Punkt angekommen, an dem er es sich mehr als nur erlauben darf, mit Selbstzitaten zu hantieren und charakteristische Topoi zu recyclen. In „Magic in the Moonlight“ schlüpft Colin Firth in die Rolle eines Illusionisten, der auf der Bühne als Wei Ling Soo ganze Elefanten verschwinden lässt, hinter der Bühne aber mit seiner Aversion gegenüber übersinnlichen Theorien geradezu hausieren geht.


Noch genießt nur Sophie das Leben in Frankreich
Und da ist die erste Szene von „Magic in the Moonlight“ selbstverständlich selbstreflektorisch zu deuten: Wei Ling Soo zieht sich hinter die Kulissen eines Berliner Varieté zurück und aus ihm schält sich der stetig lamentierende Stanley – Eine Variation des Alter Ego Woody Allens. Von seinem Kollegen und langjährigen Kumpanen Howard (Simon McBurney) mit dem Auftrag gesattelt, im Frankreich der späten 1920er Jahre die (vermeidliche) Hochstaplerin Sophie zu entschleiern, macht sich Stanley auf den Weg an die Cote d'Azur. Woody Allen hat sich Zeit seines Künstlerdaseins immer mal wieder mit Illusionen, Hokuspokus, Paranormalität und in gewisser Weise auch Okkultismus beschäftigt; das Fazit, welches Allen in „Magic in the Moonlight“ letztlich zieht, fällt versöhnlicher denn je aus. Die von allen Seiten bejubelte Spiritisten Sophie vernimmt unentwegt mentale Schwingungen, Stanley, Zyniker durch und durch, straft das Ganze schnell als 'theatralischen Dünger' ab, ist als er sturer Rationalist doch freilich felsenfest von der an der Riviera aufgefahrenen Scharlatanerie überzeugt: „Dieses Verhaltet spottet jeder Vernunft“, wiederholt er immerzu.


Bis auch er eine Art Epiphanie spendiert bekommt und gar dazu gezwungen scheint, seine festgefahrene Weltanschauung noch einmal zu überdenken. Woody Allen wäre natürlich nicht Woody Allen, wenn nicht irgendwo doch noch ein Kurswechsel warten würde. Was ihm mit „Magic in the Moonlight“ aber wirklich wunderbar gelingt, ist die Verdeutlichung, dass die Liebe immer synonym für die Magie steht: Egal, wie sehr sich Stanley auch auf wissenschaftliche Belege erpicht, die Liebe selbst muss als Irrationalität angenommen werden, anstatt zwanghaft den Trick, den doppelten Boden, die gezinkten Karten dahinter zu suchen. „Magic in the Moonlight“ ist genau die erschwingliche, von idyllischen Postkartenmotiven gesäumte Fingerübung, wie sie dieser Tage in dieser schlafwandlerischer Souveränität wohl nur unter Allen'schen Banner vollbracht werden. Das mag alles nicht mehr die durchschlagende Klasse früherer Hochzeiten besitzen, ist aber immer noch so charmant und geistreich, dass es töricht wäre, Woody Allen nur noch als 'Schatten seiner selbst' zu denunzieren. Wenn verträumtes Kino, dann doch bitte so.


6,5 von 10 Unterschlüpfe im Observatorium


von souli

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