Die Zeiten in
denen Halloween nur in Amerika gefeiert wurde sind lange schon Vergangenheit. Auch
hierzulande ziehen Kinder verkleidet als Superhelden, Kreaturen der Nacht oder
TV-Figuren durch die Straßen und verlangen nach Süßem, denn ansonsten gibt’s Saueres.
Da wir von den Muscheln aber gerade auf Diät sind, ist unser Candyshop
vollkommen leer. Stattdessen haben sich unsere Autoren Gedanken über
Horrorfilme gemacht und präsentieren nun ihre ganz persönlichen Magic Moments
des Genres. Wir wünschen viel Spaß, hoffen darauf dass wir nicht mit Eier
beworfen werden (wenn doch auch egal) und warnen alle potenziellen Leser, denn
die nun folgenden Texte sind durchsetzt mit Spoilern.
Suspiria - Die Pforten der Hölle
Aus Dario Argento's Meisterstück eine einzelne Szene auszuwählen ist praktisch
unmöglich, der Film ist ein Gesamtkunstwerk des Grauens und in seiner
Präsentation der wohl beste Horrorfilm aller Zeiten. Meine Wahl fällt auf die
Eröffnungsszene, obwohl sie vielleicht nicht die Spektakulärste des Films ist.
Dennoch ist sie magisch, wie das Gesamtkunstwerk. Es ist der Einstieg in einen
alptraumhaften Rausch aus Angst, Licht und Musik, die perfekte Einstimmung auf
das, was noch folgen soll. Suzy (Jessica Harper) landet gerade in Deutschland
und geht auf die Schiebetüren des Flughafens zu. Draußen tobt ein heftiges
Unwetter, als wenn dort eine ganz andere, bedrohliche Welt auf sie lauern
würde. Im Hintergrund laufen die ersten Klänge des phänomenalen Goblin-Scores.
Schon jetzt scheint sicher: Tritt sie durch diese Tür, tritt sie durch die
Pforten der Hölle. Bewusst blendet Argento bei ihrem Verlassen in
Großaufnahme auf den Schiebemechanismus, den nun beginnt der Höllentrip. Im
peitschenden Regen ruft sich Suzy ein Taxi, Goblin ergänzen ihren Score durch
bizarre Vocals. Sie steigt in das Taxi und Argento liefert einen ersten
Vorgeschmack auf das wunderschön-beängstigende Farbenspiel, das uns durch den
ganzen Film begleiten wird. Diese Szene, endend an der blutroten Tanzschule,
ist nur ein Horsd'oeuvre, aber mir standen da schon die Nackenhaare hoch. Magic.
Hitcher, der Highway Killer
- Meine Mutter hat mich immer davor gewarnt…
Wieder die (ausgedehnte) Eröffnungsszene, aus gutem Grund. Der Dialog zwischen
dem noch unbedarften Jim (C. Thomas Howell) und seinem später unnachgiebigen
Jäger John Ryder (Rutger Hauer) ist so beängstigend und grandios auf den Punkt
gebracht, dazu von Hauer unfassbar bedrohlich zelebriert. Jim nimmt an einem
verlassenen Highway einen Anhalter mit, der sich als John Ryder vorstellt und
behauptet, im wäre das Benzin ausgegangen. Er beginnt einen lockeren Smalltalk,
auf den der Fremde eher distanziert eingeht. Schon jetzt ist Jim nicht mehr
ganz wohl mit seiner Entscheidung. Als sie ein liegengebliebenes Auto am Straßenrand
entdecken, tritt Ryder auf das Gaspedal. Jim ist verschreckt und irritiert,
fordert ihn zum Aussteigen auf. Der weigert sich, Jim fährt weiter. Nun
offenbart ihm Ryder, dass er gar kein Benzin braucht und er vorhin schon mal
mitgenommen wurde, von dem Fahrer des liegengebliebenen Autos. Und was mit ihm
passiert ist:
- "Ich hab seine Füße abgeschnitten...und seine
Arme...und seinen Kopf...und das Selbe werde ich auch mit ihnen machen, ganz
genau das Selbe." Gänsehaut pur! Der Magic Moment wird gekrönt von
vier kleinen Worten, die Ryder gerne von Jim hören möchte: "Ich will tot sein!" Immer wieder
unheimlich, dieser "Hitcher".
DIE VÖGEL - Das
Klettergerüst
Eine Szene, die schon ein Teil Filmgeschichte ist. Melanie Daniels (Tippi
Hedren) wartet vor der Schule auf einer Bank. Hinter ihr steht ein
Klettergerüst. Der Zuschauer sieht, wie eine Krähe auf dem Gerüst landet.
Blende auf Melanie, die sich eine Zigarette anzündet. Schnitt zum Gerüst, nun
sind es vier Vögel. Hitch schneidet von Melanie zu Gerüst hin und her, in ihrem
Rücken versammeln sich langsam immer mehr Krähen. Als sie einen
herbeifliegenden Vogel entdeckt, dreht sie sich um. Das Gerüst ist inzwischen
fast überfüllt mit Krähen. Melanie erkennt, dass sie auf das Unterrichtsende
und somit auf die Kinder warten, die im Hintergrund ein heiteres Lied singen,
an dessen Ende sie das Gebäude verlassen werden. Eine ruhige, unglaublich
beängstigende Szene, perfekt inszeniert und absolut denkwürdig. Nach nun genau
50 Jahren genau so verstörend wie damals.
Zombie - Dawn of the Dead
- When there' s no more room in hell...
In dem Mittelstück und Höhepunkt von Romero's legendärer (ersten)
Zombie-Trilogie gibt es, ähnlich wie bei "Suspiria", etliche
denkwürdige Momente. Um nur einen auszuwählen, die Stelle mit dem berühmtesten
Zitat. Kurz zur Handlung (aber wer kennt die nicht?): Die Untoten überrennen
die Zivilisation, wenige Überlebende flüchten sich in eine Mall, die kurz
darauf auch von den Zombies gestürmt wird. In dieser Szene blicken die
Protagonisten auf die unter ihnen liegende Etage, überfüllt von Zombies. Peter
Washington (Ken Foree) spricht nun diesen legendären Satz, der im
englischen Original deutlich knackiger klingt, als in der deutschen
Synchro: "When there' s no more room
in hell, the dead will walk the earth…". Mehr muss da nicht gesagt
werden.
Halloween II
(2009) - Der Remake-Fake
Eigentlich sollte hier eine Szene aus John Carpenter's Klassiker von 1978
stehen, einem meiner absolute liebsten Horrorfilme, doch letztendlich habe ich
mich sehr bewusst für diesen Film entschieden. Erstens müsste ich jetzt wieder
aus mehreren Szenen auswählen und zweitens haben es Zombie und sein Mut
verdient, diese oftmals verkannte und unterschätze Perle des modernen
Horrorfilms zu würdigen. Der Film spaltet enorm, Zombie musste sich viel Spot
und Kritik gefallen lassen, dabei ist er der Regisseur mit den dicksten Eiern
im allgemeinen Remake-Wahn von Horrorfilmen. Bei seinem ersten Halloween-Film
musste er dem Druck des Studios und der allmächtigen Weinstein-Brüdern kleinbeigeben,
beim Sequel durfte er sich endlich austoben, seinen Halloween drehen. Die
ersten 25 Minuten erscheinen wie eine Abrechnung mit den Produzenten, der
allgemeinen Erwartungshaltung, spielen genial mit dem Zuschauer und läuten den
neuen Weg des Rob Zombie ein. Der Film beginnt, wie zu erwarten, als wäre es
ein Remake von "Halloween 2 - Das Grauen kehrt zurück". Wie damals ist Laurie (Scout Taylor-Compton) nach
den Attacken von Michael Myers im Krankenhaus, aber nicht in Sicherheit. Der
Kampfkoloss wütet in der Klinik und hetzt Laurie auf Leben und Tod. Joa, Remake
halt...denkste! Selbst wenn Verdacht an Zombies Vorhaben geschöpft werden
könnte, er hätte sich irgendwann zerschlagen. Wer würde schon fast eine halbe
Stunde lang einer nicht existenten Handlung widmen? Eben... Als jeder schon
nicht mehr damit rechnet, erwacht Laurie plötzlich aus ihrem Traum und der
einzig echte Halloween by Rob Zombie geht los. Damit überrascht Zombie, dreht
Kritikern eine lange Nase und interpretiert den Klassiker nun so, wie er es
immer vor hatte, aber nie durfte. Dieser Moment ist rückwirkend betrachtet so
abgefuckt, selbstsicher und brillant, deshalb unter meinen Magic Moments, auch
wenn da viele den Kopf schütteln werden.
PLANET TERROR – Sagen
Sie mal „Aaaaaaah“
Auch wenn man natürlich schon eine gewisse Vorahnung hat, man rechnet einfach
nicht damit. Nicht so. Es scheint eine völlig normale Routineuntersuchung zu
sein, der Patient öffnet seinen Mund und – Bäääm – schaut einem dieses eitrige,
riesige Etwas entgegen, was mal eine Zunge gewesen ist. Ein völliger Schock.
Man rechnet ja mit vielem, aber dieser Anblick ist Ekel und Schrecken zugleich.
Aber damit noch nicht genug, der Doc drückt auch noch an den Eiterblasen herum,
bist diese aufplatzen und ihm auf den Bart spritzen. Sein Thermometer im Mund
ist bis dahin schon längst zerbrochen und bei mir wird der Ekel immer größer.
Aber dennoch oder gerade deswegen könnt ich mir diese Szene immer wieder
ansehen.
SAW – Das Ende
des Spiels
Zwei Männer sind in irgendeinem Raum angekettet und sie müssen bei Jigsaws
Spiel mitspielen, ob sie wollen oder nicht. Und eben wie in einem Puzzle kommen
sie gemeinsam ihrer Befreiung immer näher. Dabei ist aber das Misstrauen der
Gefangenen greifbar, die psychische Belastung wird von Sekunde zu Sekunde
größer und als Zuschauer ist man ohnehin schon zum Zerbersten gespannt. Aber
das große Finale setzt dem Ganzen die Krone auf: niemals hätte ich nach den bis
dahin etwa 90 Minuten damit gerechnet, was man hier zu sehen bekommt. Es ist
das ideale Ende eines wahnsinnig packenden Psychothrillers und Horrorfilms. Die
letzte Konsequenz eines perfiden Spiels und irgendwie auch ironisch, denn genau
wie den Protagonisten sagt uns diese Szene: Wir sehen ohne zu sehen. Wie
gesagt, das Ideale Ende und deswegen einer meiner Magic Moments.
28 DAYS LATER –
Ein Tropfen verändert alles
Kleiner Tropfen, große Wirkung. So gut wie hier trifft der Spruch wohl selten
zu. Dabei wollte Frank (Brendan Gleeson) doch nur einen Raben vertreiben. Doch
dabei fällt ein Tropfen Blut in einer tiefroten Kameraeinstellung direkt in
sein Auge. Man sieht ihn auf Frank zukommen, weiß genau, was passieren wird,
ist aber machtlos. Der Tropfen trifft genau in das Auge und für Frank ist alles
aus. Aber was die Szene so besonders macht: seine Reaktion. Die ist perfekt,
zeigt sie doch zuerst den Schock, dann Angst, Fürsorge und zuletzt, kurz vor
seiner Verwandlung, den Wahnsinn der Verzweiflung in ihm. Nur eine Sekunde der
Hoffnung, doch es ist ihm klar. Er will seine Tochter und seine Freunde
schützen, noch Sekunden bevor er zur Menschen reißenden Waffe geworden ist und
Jagd auf die drei Hinterbliebenen machen will. Diese Wandlung von Gleeson ist
schon durch seinen Ausdruck im Gesicht Gold wert und einer der Höhepunkte des
Films.
ALIEN – Der Weg
in die Freiheit
Alles ist gut. Das Alien, das zuvor noch Kane (John Hurt) angegriffen hat, lag
tot auf der Erde, Kane ist aus seinem Koma erwacht, ihm geht es, mit Ausnahme
eines kleiner kleinen Gedächtnislücke, hervorragend und er hat einen
ordentlichen Appetit. Alles ist gut? Falsch! Denn das Alien lebt in Kane und
will in die Freiheit. Nach Sekunden von höchster Qual durchbricht es Kanes
Brust und dringt in die Freiheit – und der wahre Horror für die noch übrige
Crew beginnt. Was soll man noch groß Worte verlieren? Es ist eine der
bekanntesten Szenen in der Geschichte des Horrorfilms, sie wurde unzählige Male
aufgegriffen und parodiert, nicht zuletzt von John Hurt selbst, der in „Spaceballes“noch
einmal in die Rolle von Kane schlüpft und die Qualen noch einmal erleiden muss.
Und auch mich hat diese Szene begeistert. Punkt.
TANZ DER VAMPIRE
– Ein Buch rettet Leben
Eigentlich war Alfred nur auf der Suche nach Sarah, traf in ihrem Zimmer
allerdings auf den recht femininen Grafensohn Herbert, der sich gerade ein
Entspannungsbad einlassen wollte. Natürlich kommt der unverbrauchte Alfred da
gerade richtig, und als Herbert sich den jungen Vampirjäger erst einmal zur
Seite geholt hat, um in seinem Büchlein zu lesen, kommt es auch schon zu dem
Satz, der heute den ersten Platz innehaben darf: „Wollen wir einen Engel durchs
Zimmer fliegen lassen?“. Natürlich ist das nur Vorspiel der etwas anderen Art,
denn Herbert hat es längst auf den Hals Alfreds abgesehen, ironischerweise ist
es dann genau das Buch, dass Alfred letztlich das Leben gerettet hat und zu
einem der größten Schenkelklopfer des gesamten Filmes sorgt. Ein Hoch auf die
Leseratten!
JOHN CARPENTERS
HALLOWEEN – DIE NACHT DES GRAUENS – Der schwarze Mann hinter der Hecke
Man kann es ja selber nur zu gut: Da blickt man einmal über die eigene Schulter
und schon bildet man sich wieder ein, von einer fremden Schattengestalt
verfolgt zu werden. Beim ruckartigen zweiten Blick ist allerdings niemand mehr
zu sehen. Einbildung? Wer weiß. John Carpenter fädelt dieses Spiel mit der
eigenen Wahrnehmung so hervorragend in die fröstelnde Atmosphäre seines
unsterblichen Klassikers, dass es gerade genau die eine Szene ist, in der man
Michael neben einer Hecke in der sauberen Kleinstadt zu sehen glaub, die sich
in das Gedächtnis des Zuschauers brennt – Obgleich der repetitiven Verwendung.
In diesem Sinne ist es wohl das Beste, seinen Augen nicht immer gänzlich zu
vertrauen, auch wenn ein Kontrollblick immer besser ist, als seine Vermutungen
zu ignorieren. Die Teenager aus Haddonfield könnte davon ein Trauerlied summen.
ROSEMARIES BABY
– Alles nur ein Traum?
Für eine Frau gibt es nichts Schlimmeres, als Opfer einer Vergewaltigung zu
werden: Ihr Körper, das Allerheiligste wird entweiht, die Folgen dabei sind
nicht nur aus psychosomatischer Sicht grauenhaft, die zerreißen die Frau
seelisch langsam in 1000 Stücke. Für Roman Polanski war die Sexualität immer
ein wichtiges Thema in seiner Vita, da ging es auch um die Art von Sex, die man
sich gewaltsam verschaffen muss. Genauso wie es Polanski immer wieder den
Okkult-Bereiche thematisierte. In „Rosemaries Baby“ verschmelzt Beides, denn
wenn Hauptdarstellerin Rosemarie glaubt, nur einem schlechten Traum verfallen
zu sein, voller surrealer Symbolik, dann tritt in Wahrheit Satan als
unheilvoller Penetrator die Bildfläche – So könnte man meinen. Am Ende liegt es
an der eigenen Interpretationsfähigkeit, aber die war Polanski schließlich
immer von höchster Wichtigkeit.
DAS OMEN – Ein
Friedhof voller Hunde
Es waren schöne Zeiten, in denen man noch Horror-Filme produzierte, in denen
Schauspieler wie Gregory Peck auftraten: Großkaliber, die sich ihrer Größe auch
bewusst waren und einen Film allein durch ihre Präsenz locker über den
Durchschnitt heben konnte. „Das Omen“ ist an sich natürlich ein atmosphärischer
Geniestreich und aus dem Genre nicht mehr wegzudenken, wenn Peck und der
ebenfalls wunderbare David Warner aber die wahre Identität Damiens aufdecken
wollen, ist das Klima des Filmes förmlich greifbar. Sie werden auf einem
Friedhof fündig, das Grab wird geöffnet und um die Ruhestätte versammeln sich
zähnefletschende, schwarze Hunde, bereit zum Angriff. Eine Szene, die in ihrer
Spannung nicht besser inszeniert werden hätte können.
Die Fliege – Die
Liebe im Inneren
Die Liebe ist schon ein seltsames Spiel. Und man wird immer wieder Zeuge, wie
sich manche Menschen nach und nach verändern – egal ob positiv oder negativ. In
David Cronenberg rückt diese menschliche Metamorphose in eine ganz neue
Dimension, weil sie äußerlich ihre humanoide Hülle verliert, im Inneren jedoch
voll und ganz der Wissenschaftler Seth Brundle bleibt. Es ist daher auch ein
Moment, in dem man nicht nur die Luft anhalten möchte, es scheint auch, als
würde die Zeit stehenbleiben: Veronica blickt das letzte Mal in die Augen ihres
einstig Geliebten Seth, nun vollkommen entstellt und komplett zur menschlichen
Fliege transformiert. Die schwarze Augen zeigen, das dort noch etwas hinter der
abstoßenden Schale wartet, eine ungestillte Sehnsucht, eine erdrückende Furcht
vor dem nächsten Schritt, doch die Zeiger stehen auf Abschied.
Endgültig...
John Carpenter’s Das Ding aus einer anderen Welt – Im Blut liegt die Wahrheit
Ich bin ein großer Verehrer von Rob Bottin, seines Zeichens Spezialist für
Maskeneffekte. Für John Carpenters Remake des 1950er Creature-Flicks „The
Thing“ leistete Bottin Schwerstarbeit. Leider wurde dies nicht sofort von
Publikum und Kritik gewürdigt. Erst Jahre später wurde „Das Ding aus einer
anderen Welt“ die Ehre zu teil, dass er zu dem erklärt wurde, was er schon
immer war: ein Meisterwerk. Doch die beste Szene des gesamten Films, der ich
immer wieder entgegen fiebere, ist nicht Teil meiner Liste wegen den Effekten,
sondern ganz einfach weil sie zum zerreißen spannend ist. Wenn Antiheld
MacReady (cool wie nie: Kurt Russell) seine Kameraden per Waffengewalt dazu
zwingt bei einem Bluttest mitzumachen, um so herauszufinden wer vom
titelgebenden Ding seines Körper entmachtet wurde, dann ist die Anspannung so dermaßen
dick und spürbar, dass jeder Blick, jede Bewegung und jeder Schnitt das Herz
schneller pochen lässt. Carpenter inszenierte auf engstem Raum pures Adrenalin.
Unvergessen und unerreicht.
PSYCHO – Ein
Lächeln durchbricht die vierte Wand
„Psycho“ ist kein Horrorfilm? Mag sein, aber er verursacht dennoch Gänsehaut und gehört für mich zu den spannensten Filmen aller Zeiten. Deswegen war es für mich klar, dass dieses Meisterwerk mit einem Magic Moment in meine Liste muss. Nein,
es ist nicht die legendäre Duschszene. Dass diese aber auch in diese Liste
gehört ist pure Selbstverständlichkeit. Dennoch wähle ich nicht diese oft
kopierte und nie erreichte Mordszene, sondern die letzten paar Momente des
Films. Dann wenn wir Zuschauer von einem Psychologen erfahren haben, was Norman
Bates (grandios: Anthony Perkins) antrieb, wechselt Altmeister Hitch noch
einmal zum inhaftierten Psychopathen, der eingehüllt in eine Decke, sein
zweites Ich, dass seiner Mutter, innerlich sprechen lässt. Sie versichert, dass
sie unschuldig sei und selbst der herumschwirrenden Fliege in der Zelle, die
sich kurz auf Normas Hand niederlässt, nichts zu tun. Was folgt ist Blick von
Norman direkt in die Kamera. Es ist der Blick eines verzweifelten Mann. Ein
Blick voller Furcht vor dem, was ihn erwartet, Ekel vor den eigenen Taten und
Hilfslosigkeit. Fast könnte er einem leidtun, doch aus dem Welpen wird wieder
Wolf. Das Gesicht wird zu einer menschlichen Fratze. Ein Grinsen, so kurz und
markerschüttern, dass es für mich sogar noch einen größeren Stellenwert hat,
als die Mordszene unter der Dusche (ohne diese als überbewertet bezeichnen zu
wollen) und ganz nebenbei ganz subtil aber mit der Schärfe eines Skalpells die
vierte Wand zum Publikum zerschneidet.
Scream – SchREI!
– Es beginnt mit einem Anruf
Arme Casey Becker (Drew Barrymore). Da macht sich gerade alles bereit für einen
faulen Abend vorm Fernseher, als der Anruf eins Unbekannten ihre letzten paar
Minuten unter den Lebenden einläutet. Die Eröffnungsszene aus dem meisterhaften
Meta-Horrorfest „Scream – Schrei!“ ist einfache, pure Spannung. Eher relaxt
beginnt Regie-Meister Wes Craven die Eröffnung, trotz allem gelingt es ihm
spielen ein stetig wachsendes Unwohlsein zu erzeugen. Wer ist der unbekannte
Anrufer, der immer wieder Caseys Nummer wählt und die unschuldige junge Frau
sogar dazu bringt etwas Small Talk zu betreiben? Zur Höchstform läuft die
Szenerie aber auf, wenn der Anrufer sich offenbart. „You still haven’t told me
your name“ möchte der Anrufer wissen. „Why
d’you want to know my name?“ entgegnet Casey und bekommt als Antwort ein
tonal hinterhältiges „Because I want to
know who I’m looking at“ zu hören: der Beginn von Casey Überlebenskampf,
inklusive eines mörderischen Filmquiz.
28 Days Later – Alleine in London
Kobbi und ich haben wohl den gleichen Horrorfilmgeschmack, weswegen „28
Days Later“ auf unser beiden Listen vorkommt. Fahrradkurier Jim (Cilian Murphy)
erwacht aus dem Koma und muss feststellen dass die große Narbe an seinem Kopf
sein kleinstes Problem ist. Verängstigt tappt er durchs menschenleere Krankenhaus,
entdeckt Nahrung sowie Kleidung und findet sich wenig später inmitten des
scheinbar ausgestorbenen Piccadilly Circus, dem Zentrum von London, wieder. Das
Opening von „28 Days Later“ - über die eigentliche Eröffnung im Tierlabor
schweige ich mich aus, da ich sie wie Regisseur Boyle nicht sonderlich mag –
ist Beklemmung pur. Jim irrt verloren und einsam durch die Metropole und bis
aus seine „Hello“-Schreie hören wir
nichts. Erst nach und nach setzt der Soundtrack ein der sich immer mehr
steigert und die unsichtbare Bedrohung, die schon bald ihre Fratze(n) zeigen
und in Teufelseile hinter Jim herjagen wird. Viel wurde an „28 Days Later“
herum gemosert, vor allem an der doch sehr einfachen Prämisse von der Bestie
Mensch, doch die ersten paar Minuten (des ansonsten ebenfalls großartigen
Films) sind ohne Wenn und Aber brillante, spannungserzeugende Unterhaltung die
einen durch und durch fesselt. „The Walking Dead“-Macher Robert Kirkman tat gut
daran dieser Eröffnung für sein Comic (und später auch für die TV-Adaption) so
gut es geht zu kopieren. Dennoch bleibt das britische Original unerreicht.
So finster die Nacht
– Virginias Selbstmord
"So finster die Nacht" ist ein exzellentes Werk. Zu gleichen Teilen
schön und dramatisch, still und verstörend. Regisseur Tomas Alfredson verpackt
die melancholische wie bedrohliche Geschichte von Romanautor John Ajvide
Lindqvist, der auch das Drehbuch schrieb, in Bilder voller Ruhe, Mystik und
moderner Morbidität, denn was früher die Spukschlösser mit ihren Spinnweben und
knarrenden Türen waren sind heute die anonymen Wohnsiedlungen der Vororte.
Dieser inszenatorische Clou alleine macht den Film schon sehenswert, aber die
diversen Verweise auf andere Mythen, die zarte Freundschaftsgeschichte zwischen
Oskar und Vampirin Eli, sowie der Mut gängige Konventionen und
Moralvorstellungen zu brechen oder auszuhebeln machen aus "So finster die
Nacht" ein wunderschönes und zugleich wirkliches gruseliges Filmerlebnis
abseits von verklärter Blutsaugerromantik. Hier nur eine Szene auszuwählen ist
schwer. Ich habe mich dann für den Freitod von Virginia entschieden. Gegen Ende
des Films, wird der jungen Frau Virginia bewusst, dass sie nach einem Biss
selbst zum Vampir wird und über kurz oder lang auch die Menschen angreifen
wird, die sie lebt. Entkräftet liegt sie im Krankenhaus und bittet den Arzt die
Gardinen zu öffnen. Ein letzter befreiender Blick, dann verbrennt Virginia.