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Review: HÖHERE GEWALT - Nach der Lawine ist vor der Lawine

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Fakten:
Höhere Gewalt (Turist/Force Majeure)
S, FR, N, DK, 2014. Regie & Buch: Ruben Östlund. Mit: Johannes Bah Kuhnke, Lisa Loven Kongsli, Kristofer Hivju, Fanni Metelius, Vincent Wettergren, Clara Wettergren, Karin Myrenberg, Brady Corbet u.a. Länge: 119 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Das schwedische Ehepaar Tomas und Ebba ist gemeinsam mit den beiden Kindern auf Skiurlaub in den französischen Alpen. Beim Mittagessen auf der Hotelterrasse rollt plötzlich eine Lawine gefährlich dicht auf sie zu. Während Ebba sich schützend über ihre Kinder wirft, ergreift Tomas panisch die Flucht. Am Ende ist niemanden etwas geschehen, doch das Verhalten von Tomas hat Ebba zu tiefst schockiert. Der Urlaub wird zum Nervenkrieg.

                                                                             
Meinung:
Sekundenbruchteile können alles verändern. Selbst wenn die vordergründige Katastrophe abgewendet werden konnte bzw. man Glück im Unglück hatte. Wenn schlagartig das Bild zerbricht, das man bisher von einem Menschen hatte und dadurch alles ins Wanken gerät, was als selbstverständlich und Basis der gemeinsamen Existenz vorausgesetzt wurde. Mit „Höhere Gewalt“ gelingt dem Schweden Ruben Östland eine über die meiste Zeit sehr eindringliche und präzise Studie dieses plötzlich auftretenden, die Grundfesten einer Ehe erschütternden Konflikts, der in seinen besten Momenten beinah an die Arbeiten eines weltberühmten Landsmannes erinnert.


Rette sich, wer kann...
Eigentlich soll der gemeinsame Urlaub Workaholic Tomas und seinen Liebsten eine unbeschwerte Zeit familiärer Harmonie bescheren, tatsächlich fällt bereits am zweiten Tag alles in sich zusammen und droht irreparablen Schaden davon zu tragen. Durch einen kurzen, unvorbereiteten Moment, den man im Eifer des Gefechts eventuell gar nicht großartig wahrnehmen und aufgrund des eigentlichen „Happy-End“ weiter thematisieren oder gar werten würde, doch für Ehefrau Ebba ist es wie ein markerschütternder Tiefschlag, der ihr  Prioritätenverständnis völlig in Frage stellt. Ihr Mann machte sich im überraschenden Angesicht der Gefahr reflexartig aus dem Staub, während sie nur den Schutz ihrer Kinder im Auge hatte. Nachdem sich der Schneenebel gelichtet hat und alle wohlauf sind, der Schreck aus den Gliedern gefahren ist, soll alles wieder beim Alten sein, aber es nagt an Ebba. Während Tomas so tut, als wäre nichts geschehen. Ein abgebrochener Pfahl im Eheherz, der ich immer tiefer bohrt und innerhalb weniger Tage droht, alles zu zerstören.


Der Lange Tunnel des Schweigens
In den ersten 70, 80 (von knapp 120) Minuten ist „Höhere Gewalt“ ein wahrlich großartiger Film, der in seinen stillen, langsamen, wohlgewählten und scharf analysierenden Einstellungen an Werke von Michael Haneke erinnert, auch thematisch dürfte das ein Stoff sein, an dem der Österreicher seine helle „Freude“ haben dürfte. Gleichwohl drängen sich Parallelen zu Ingmar Bergman auf und die braucht Ruben Östland bis zu seinem leicht überfrachteten Endspurt auch nicht zwingend zu scheuen. Wie ein Ereignis, eine unbewusste Tat den Charakter eines Menschen schonungslos demaskiert – was sich der Betreffende zwanghaft nicht eingestehen will, obwohl sich schmerzlich diesem bewusst – und ein vorher intaktes Gefüge, gar die Sichtweise auf Partnerschaft und Familie im Allgemeinen komplett erschüttern kann, das zeigt der Film glaubhaft und exakt beobachtend auf. Nicht nur Familie, Verantwortung und Opferbereitschaft werden in Frage gestellt und seziert, auch und zu einem nicht geringen Anteil der männliche Stolz und das Selbstverständnis, die alteingesessenen Rollenverteilungen, die tiefe Wunde davonträgt.


Am Ende sitzen alle im gleichen Bus...
Der Höhepunkt dieses aufgestauten Konflikts – der zunächst im Wischiwaschi-Verfahren wegdiskutiert, dann lächelnd versucht wird zu ignorieren und in schließlich entblößender Art eskaliert – stellt eine Konfrontation im Beisein eines befreundeten Pärchens dar, die einem Gerichtsverfahren gleichkommt. Mit Stellungnahmen aller Parteien („Ich teile die Interpretation dessen was passiert ist nicht“), Kreuzverhören, Beweisvorlagen und dem in die Rolle des unfreiwilligen Verteidigers gedrängten Freundes. Was einen Grundsatzdiskurs auch für die eigentlich nur Anwesenden hervorruft. Eine kleine Lawine löst eine noch größere aus, reißt mehr mit und begräbt mehr unter sich, als man denken könnte. Bis zu diesem Punkt ist „Höhere Gewalt“ ganz dicht dran an den (indirekten) Vorbildern. Verdammt nah. Nur am Ende will man sichtlich zu viel oder war sich unsicher, was denn nun angemessen ist.


Es wirkt bald so, als wolle Ruben Östlund seine Auswahl an alternativen Enden dem Publikum nicht vorenthalten, auch ohne eventuelles Bonusmaterial auf DVD/BD. Oder wollte sich nicht von einer Idee trennen. Oder konnte sich nicht entscheiden. Oder meint ernsthaft, dass dies alles nur in der Kombination sinnvoll und stimmig ist. Letzteres kann man guten Gewissen verneinen. Der Schlussakkord ist über Gebühr ausformuliert, überstrapaziert. Schon vor dem Abspann erreicht der Film bereits zweimal den Punkt, an dem er mühelos ausklinken könnte, jedesmal mit einer leicht differenten Note. Alles zusammen wirkt nicht entschlossen, zu viel des Guten. Ein bedauerlicher Wehrmutstropfen, der dem Werk nicht seine Intensität und Klasse nimmt, aber sie unnötig aushöhlt. 
 
7,5 von 10 geretteten iPhones

Review: URLAUBSREIF - Tolle Familien, armes Afrika

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Fakten:
Urlaubsreif (Blended)
USA. 2014. Regie: Frank Coraci.
Buch: Clare Sera, Ivan Menchell. Mit: Adam Sandler, Drew Barrymore, Terry Crews, Kevin Nealon, Bella Thorne, Emma Fuhrmann, Alyvia Alyn Lind, Braxton Beckham, Abdoulaye N’Gom, Kyle Red Silverstein, Joel McHale, Zak Henri, Shaquille O’Neal, Jessica Lowe, Allen Covert u.a. Länge: 117 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Ab 9. Oktober 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Lauren, zweifache Mutter und frisch geschieden, lässt sich auf ein Blind Date mit Jim ein. Dieser ist zwar auch alleinerziehend, doch ansonsten gibt es keine Gemeinsamkeiten und das Treffen endet damit, dass sich beide sehr sicher sind, dass sie sich hassen. Als wäre ein mieses Blind Date nicht schlimm genug, begegnen die beiden sich mit Anhang im Urlaub wieder und müssen sich sogar eine Luxus-Suite teilen.





Meinung:
Mit besonders vielen Regisseuren hat Adam Sandler noch nicht zusammengearbeitet. Mit Dennis Dugan drehte er gleich 8 Filme, mit Frank Coraci ("Das Schwergewicht") ist „Urlaubsreif“ die vierte Zusammenarbeit. Mit Dugan lieferte Sandler komödiantische Hits wie „Leg dich nicht mit Zohan an“ ab, aber auch Totalausfälle wie „Jack & Jill“ und das elend konformistische Sandler-Buddy-Treffen „Kindsköpfe“. Das Duo Coraci/Sandler hingegen legen meist mehr Wert auf - trotz Chaos-Klamauk - liebenswerten Witz, der (zu) oft die Grenzen zur Schmerzgrenze des Kitschigen sprengt, dafür aber nicht das Nervenkostüm seines Publikums mit teils derben Infantilitäten herausfordert. Ihr „Eine Hochzeit zum Verlieben“ aus dem Jahre 1997 markiert darüber hinaus auch das erste filmische Zusammentreffen zwischen Adam Sandler und Drew Barrymore. Bereits damals, als die beiden gemeinsam mit dem poppigen Soundtrack der romantischen Komödie auf die Leinwand projiziert wurden, war klar, dass zwischen dem frechen Wuschelkopf und der kecken Blondine die Chemie einfach stimmt. Kein Vergleich zu den leidlichen, weiblichen Konterparts, mit denen er es Jahre später zu tun bekam (bspw. Jennifer Aniston in „Meine erfundene Frau“ oder Kate Beckinsale in „Klick“). Auch in „50 erste Dates“ überzeugte ihr Zusammenspiel und dass sie nun wieder in „Urlaubsreif“ zusammentreffen lässt hoffen, dass diese Komödie mit Adam Sandler seit längerer Zeit mal wieder ein Genre-Vertreter ist, dessen Anschauen sich lohnt, bzw. der sich nicht als schmerzvoller Fehler herausstellt.


Jim weiß halt einfach, wie man mit 'Chicks' umgehen muss.
„Urlaubsreif“ ist gewiss weit davon entfernt Schmerzen zu verursachen. Gnadenlos geblödelt wird hier eher selten und dennoch bietet die Komödie eine recht hohe Gagdichte. Dass dabei nicht jede Pointe gepfeffert sitzt ist kein Grund, diesen Sandler-Film zu verteufeln, denn die Autoren Clare Sera und Ivan Menchell holen aus der regressiven Geschichte doch allerhand komische Momente heraus. Clever sind die wenigsten davon, Schenkelklopfer die meisten, aber sie kommen ihrer Funktion nach das Publikum auf einfache Art und Weise zu unterhalten. Ja, „Urlaubsreif“ ist der witzigste Film mit Kritikerschreck Sandler seit dem er 2008 als Zohan eine Karriere als Friseur in New York versuchte. Was Zohan allerdings gelang war, dass er seine humanistische wie liberale Aussage gut unter einem spaßigen Berg aus Wahnsinn versteckte. "Urlaubsreif" hingegen suhlt sich regelrecht in seinem recht konservativen Weltbild. Patchworkfamilie wird zwar als gut funktionierendes Konzept hochgehalten, aber wenn die alleinerziehenden Singleeltern Barrymore und Sandler während ihres Luxusurlaubs erkennen müssen, dass eine vernünftige Erziehung erst dann glattgehen kann, wenn es Mutter und Vater gibt, dann gibt die Komödie ihren recht biederen Kern preis.


Liebe auf dem ersten Blick sieht anders aus
Bis es zu diesem entlarvenden Urlaub kommt, vergeht jedoch Zeit. Gefühlt viel zu viel Zeit. Wirkt Coracis Inszenierung zu Beginn noch flink und scheint sich nicht mit großen Ballast zu beschäftigen, zerrt er schon wenig später alle möglichen Stränge der Handlung in die Länge, damit wohl auch der kurzsichtigste Zuschauer begreifen kann, welche Figur welches seelisches Zipperlein mit sich herum schleppt. Zwar sind auch hier bereits die Gagkanonen auf Dauerfeuer eingestellt, richtige Volltreffer kommen wegen der zähen Narration aber doch eher selten zu Stande. Auch zum Schluss, wenn das Happy Ending eigentlich nur noch Formsache ist, findet Coraci nicht den richtigen Zeitpunkt seinen Film ohne Zähigkeiten zum Abspann zu bringen. Auch hier verfällt er der Unsitte alle noch offenen, aber subtextuell längst auserzählten Konflikte abzuschließen. „Urlaubsreif“ ist eben einfachstes Kino. Ein Kino was seinem Publikum das eigene Denken ersparen will. Vor allem dank der Paarung Drew Barrymore und Adam Sandler kommt aber meistens nie das unschöne Gefühl der Bevormundung vor.


Afrikamann lustig. Du machen Haha wenn du ihn sehen.
Das „Urlaubsreif“ narrativ schwächelt, liegt auch daran, dass hier einfach zu viele Figuren aufeinandertreffen: Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Söhnen (der eine hyperaktiv, der andere fest im Griff der Pubertät und sexuellen Schwärmereien für seine Babysitterin) und der verwitwete Singlevater mit drei Töchtern, die ebenfalls alle ihre eigenen Probleme und Eigenheiten in den Film integrieren. Daraus resultiert zwar auch ein großer Teil der Komik, jedoch sind es auch immer wieder Hürden in der Erzählung. Zumindest versucht der Film die Probleme einigermaßen ernst zu nehmen. Auch wenn es Gags gibt, die auf Kosten der Figuren gehen, so versucht Frank Coraci doch immer mit den beiden Familien zu lachen und nicht nur über sie. Etwas anders sieht dies im Umgang mit Afrika aus. Wenn Sandler und Barrymore ihren Luxusurlaub im paradiesischen Südafrika abhalten, wirft „Urlaubsreif“ einem fratzenhafte Stereotype vor die Netzhaut. Afrikaner sind in „Urlaubsreif“ nicht mehr als billige Klischees, in den schlimmsten Momenten verfällt der Film sogar in eine hässliche Agonie. Wenn Gloria von Thun und Taxis zu diesen Zeitpunkten im Film auftauchen würde, die sich einst in einer TV-Talkshow als einfältige Rechtspopulistin outete, u.a. weil sie die AIDS-Problematik mit einem lapidaren „Der Schwarze schnaxelt halt gerne“ abtat, würde ihre Präsenz nicht verwundern. Sie würde sogar leider hin und wieder ins Bild passen.


Wenn es etwas gibt, was bei „Urlaubreif“ als gescheitert anzusehen ist, dann dass er nicht nur im Bereich der Familie ein Weltbild propagiert, welches längst angestaubt in der hinterletzten Ecke hängen sollte. „Urlaubsreif“ ist genormte Spießigkeit, eingepfercht im südafrikanischen Erholungs- und Abenteuerressort, welche gefühlt jeden Afrikaner als Kasperl degradiert. Doch um fair zu sein, eine wirkliche böse Absicht lässt sich dabei nicht erkennen, nur eine bedauerliche Mutlosigkeit. Dennoch sollte die dritte Kooperation des Duos Barrymore/Sandler nicht alleine darauf reduziert werden. Nach „Der Chaos-Dad“ und „Jack & Jill“ erweist sich „Urlaubsreif“ endlich wieder einmal als ein Sandler-Vehikel, welches nicht ausschließlich aus platten Derbheiten besteht und sich wirklich Mühe dabei gibt Pointen zu generieren. Mit mehr Courage und einer größeren Weltoffenheit, hätte „Urlaubsreif“ sogar die Chance gehabt den Zohan vom Thron zu stürzen. Schmerzhaft ist er aber nicht.


6 von 10 netten Kunden namens Tom