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Review: DER FALSCHE MANN – Henry Fonda in den Mühlen des Justizsystems

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Fakten:
Der falsche Mann (The Wrong Man)
USA. 1956. Regie: Alfred Hitchcock. Buch: Maxwell Anderson, Angus MacPhail. Mit: Henry Fonda, Vera Miles, Anthony Quayle, Harold J. Stone, Doreen Lang Norma Connolly u.a. Länge: 101 Minute. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Der unschuldige Musiker Manny wird beschuldigt eine Versicherungsgesellschaft überfallen zu haben. Alle Zeugen können eindeutig ihn als Täter identifizieren. Mannys Leben gleicht einem Scherbenhaufen, in dem einzig seine Familie ihm Halt gibt. Dank einer Kaution kommt er vorübergehend auf freien Fuß. Zusammen mit seiner Frau Rose versucht Manny herauszufinden, wer wirklich den Überfall gegangen hat.





Meinung:
Bevor Henry Fonda in Sergio Leones legendärem Italo-Manifest „Spiel mir das Lied vom Tod“ dem Antagonisten Frank ein diabolisches Gesicht verleihen durfte, war der Kalifornier mit den strahlend blauen Augen der Inbegriff des aufrichtigen Bürgers. Fonda hatte den Vorteil, dass ihm trotz seiner Prominenz, die Rolle des „einfachen Mannes“ aus der Mittelschicht immer gestanden hat und sein Anspruch nie das donnernde Muster der aufgeplusterten Egomanie einforderte. Alfred Hitchcock war sich bei seiner Schauspielwahl für „Der falsche Mann“ über diese Tatsache natürlich im Klaren und wenn es einen Akteur zur damaligen Zeit gegeben hat, der ein durch und durch integres Menschenbild authentisch verkörpern und einzig und allein durch das katastrophale Fremdverschulden in Konflikt mit dem Gesetz kommen konnte, dann war es ohne Zweifel Henry Fonda. Es wäre dazu wahrscheinlich auch nicht wirklich zu hoch gegriffen, wenn man anführen würde, dass Fonda als Christopher „Manny“ Emmanuel Balestrero seine wohl stärkste Karriereleistung bot.


Der falsche Mann wird verhaftet
Der falsche Mann“ verfolgt das Lieblings- und Leitmotiv aus Hitchcocks Œuvre des unschuldig Verfolgten. Man mag nun ein wieder mal gekonnt inszeniertes, aber in seinen Anlagen doch handelsübliches Werk des britischen Meisters erwarten, was sich in den formalen Aspekten der Umsetzung auch freilich bestätigen lässt. Inhaltlich wie narrativ unterscheidet sich „Der falsche Mann“ aber nicht nur durch seine reale Begebenheit grundlegend von anderen Produktionen Hitchcocks, das britische Phänomen schmückt sein bitteres Charakter-Drama auch mit einer Sachlichkeit, wie sie in ihrer strikten Humorlosigkeit gewiss ungewohnt, aber mehr als nur treffend erschien. Prämisse von „Der falsche Mann“ war, die Realitätsnähe zum tatsächlichen Ablauf der Geschichte unverdrossen zu wahren und sich nie in erzählerische Überhöhung zu vergessen. Anhand des adaptieren Maxwell Anderson Romans „The True Story of Christopher Emmanuelle Balestrero“, arbeitet Hitchcock mit dokumentarischer Besonnenheit die einzelnen Stationen der menschlichen Verzweiflung und Instanzen der judikativen Beharrlichkeit ab.


Manny wird dafür schuldig erklärt, in den letzten Tagen gleich mehrere Überfälle getätigt zu haben. Zeugen wollen den New Yorker Musiker mit Gewissenhaftigkeit wiedererkannt haben und echte Zweifel an seiner Schuld hegt keiner der Außenstehenden. Es passt ja auch perfekt ins Bild: Manny schlägt sich mehr schlecht als recht durch die Barszene der Metropole, um seine Familie irgendwie über Wasser zu halten, da macht so ein kleiner Raubzug – gute Absichten hin oder her - natürlich Sinn. Es steht außer Frage, ob Manny tatsächlich zu diesen Taten in der Lage wäre, was „Der falsche Mann“ direkt von jedem Suspense-Schleier befreit, seine Spannung bezieht der Film daraus, wie Manny es schafft, sein handfestes Alibi unter Beweis zu stellen. Und das in einem Umfeld, welches ihr Urteil doch eigentlich schon längst gefällt hat. Manny wird daraufhin durch die Mühlen des Justiz- und Polizeisystems geschleust, wird vorgeführt und erschwert sich die Lage durch eigene Fehler – ein Produkt seiner schieren Macht- und Hilflosigkeit – zunehmend.


Manny auf der Suche nach der Wahrheit
Wie treffend „Der falsche Mann“ seine Kritik an dem dumpfen Rechtssystem formuliert, erklärt sich allein durch Fondas Augen, die eine tiefe, plastische Angst ausstrahlen und den Mann sich langsam auslösen lassen. Und trotz all der Unannehmlichkeiten und Einseitigkeit, vergisst Manny seine gute Manieren nie und bleibt seiner Höflichkeit im Umgang mit den Staatsdienern permanent treu. „Der falsche Mann“ lenkt seinen Fokus aber auch auf die Konsequenzen in der Familie von Manny, die der finanziellen Notlage durch liebevollen Zusammenhalt trotzte. Durch die Beschuldigungen Mannys wird diese geordnete Welt aber zerstört. Rose (Gern theatralisch: Vera Miles), die Frau von Manny, zerfällt in die Depressionen und errichtet aufgrund geistiger Umnachtung eine schützende Mauer vor äußeren Einflüssen, die selbst Manny nicht zu durchbrechen imstande ist. Dieser Wechsel von Systemkritik zum psychologischen Drama, welches sich eine Zeit lang beinahe ausschließlich mit der Abschottung Veras befasst und Mannys Leid erst einmal an den Rand rückt, ist im Sinne seiner narrativen Homogenität zwar nicht unbedingt lukrativ, aber doch nachvollziehbar.


Seinen Klassikerstatus trägt „Der falsche Mann“ zu Recht und Hitchcocks Affinität, nicht nur für den Unschuldigen, der in ein Korsett gezwängt wird, welches ihm offensichtlich nicht passt, sondern auch für das Abstruse, was der Denke unserer Wirklichkeit oftmals näher kommt, als wir es eingestehen wollen, findet in „Der falsche Mann“ seinen Platz. Ein hervorragender Henry Fonda im umklammernden Nebel seiner bemitleidenswerten Hilflosigkeit, ist schon Grund genug dafür, sich diesen Film anzuschauen. Die akkurate, durch feinstes Schwarz/Weiß-Kolorit unterstützte Erzählung mit ihrer treffsicheren Kritik regelt schließlich den Rest – Auch wenn die Texttafel am Ende reichlich deplatziert erscheint.


7 von 10 fatalen Schreibfehlern


von souli

Review: DIE ZWÖLF GESCHWORENEN - Schwitzen für die Gerechtigkeit

1 Kommentar:



Fakten:
Die zwölf Geschworenen (12 Angry Men)
USA. 1957. Regie: Sidney Lumet. Buch: Reginald Rose. Mit: Martin Balsam, John Fiedler, Lee J. Cobb, E.G. Marshall, Jack Klugman, Edward Binns, Jack Warden, Henry Fonda, Joseph Sweeney, Ed Begley, George Voskovec, Robert Webber. Länge: 96 Minuten. FSK: ab 12 Jahren freigegeben. Auf Blu-Ray ab 12. Juli 2013, auf DVD bereits jetzt erhältlich.



Story:
Nach einem Mordprozess, bei dem ein Junge wegen Mordes an seinem Vater angeklagt ist, müssen 12 Geschworene entscheiden, ob sie diesen Jungen für schuldig halten oder nicht. Stimmen sie für schuldig, wird er verurteilt und hingerichtet. Die Geschworenen ziehen sich in einen Raum zurück und beim ersten Durchlauf stimmen sogleich 11 Leute für schuldig, nur einer nicht. Nicht schuldig. Nicht, weil er glaubt, dass der Junge auf jeden Fall unschuldig sei, nein, er hat lediglich „berechtigte Zweifel“ und würde gerne nochmals über den Fall sprechen. Da das Urteil einstimmig gefällt werden muss, entbrennt zwischen den „twelve angry man“ eine hitzige Diskussion.





Meinung:
Wie der originale Titel schon andeutet, ist der Film sehr…ähem… männerlastig. Vielleicht waren zu dieser Zeit Frauen noch nicht als Geschworene zugelassen, zumindest besteht die Runde aus 12 Männern. Übrigens weiße Männer! Aber gut, der Film ist immerhin aus dem Jahr 1957. Trotzdem ist es eine sehr heterogene Gruppe, die praktisch die komplette Bandbreite an verschiedenen Charaktertypen wiederspiegelt. Es gibt den Organisator, einen Witzbold, einen kulturell Gebildeten, einen disziplinierten Immigranten, den Unsicheren, einen Mann aus dem sozialen Brennpunkt, den Opportunisten, den Aufbrausenden, einen sehr Konservativen mit vielen rassistischen Vorurteilen, den erfahrenen Alten, den Vernünftigen und natürlich die moralische Instanz, also den Guten. Jede Figur hat Stärken, aber auch Probleme und Schwächen, die manchmal mehr, manchmal weniger Einfluss auf die Diskussion nehmen. Und natürlich gibt es so auch viele unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen auf den Fall.



Der große Star in diesem Film ist natürlich Henry Fonda, der den Geschworenen Nummer 8 spielt. Er steht im Mittelpunkt, verkörpert die Moral und spielt einfach grandios, schon allein, weil er es immer wieder schafft, sich zurückzunehmen und das Licht auf andere zu lenken. Außerdem wäre ohne ihn als Produzent dieses Projekt nie verwirklicht worden und schon deshalb gebührt ihm uneingeschränkter Dank.Für Darsteller wie Jack Warden, Lee J. Cobb, Martin Balsam oder Jack "Quincy" Klugman bedeutete "Die zwölf Geschworenen" den Durchbruch im Filmgeschäft.



 

Ein klares Zeichen gegen Rassismus
Inhaltlich geht es zum einen um den Mordfall. Eine spannende Kriminal-/Justizgeschichte mit der Frage, ob am Ende auf schuldig oder nicht schuldig entschieden wird. Ob der Junge, den man nur ganz kurz im Film sieht, hingerichtet wird. Aber der Film hat noch einige weitere Komponenten, die mindestens genauso großen Platz beanspruchen. Der Film ist eine psychologische Studie von Gruppenzwang, von Rollenverhalten und Macht. Es geht um Beeinflussung. Um Rassismus und Vorurteile. Ein wenig auch um die Chancen und Grenzen des amerikanischen Justizsystems. Der Film ist eine Charakterstudie über eigene Standpunkte. Nicht nur für die Figuren im Film, sondern auch für den Zuschauer, der an diesem Film auch sein eigenes Verhalten hinterfragen kann. Und letztlich geht es darin um Moral, und zwar in allen Facetten.


Inszenatorisch ist „Die 12 Geschworenen“ ein Kammerspiel, basiert auch auf einem Theaterstück. Fast der komplette Film spielt sich in nur einem Raum ab. Eine beengte, beklemmende Wirkung entsteht. Man hat keine Chance auszuweichen und muss sich der Diskussion, den Gefühlen und den eigenen Ansichten und Verhaltensweisen stellen. Dazu hat Regisseur Lumet in seinem Debütfilm, wie auch später zum Beispiel in „Hundstage“, Elemente wie Hitze, Schweiß und Ermüdung mit hineinspielen lassen. Dies macht die Situation noch bedrückender. Das Potenzial einer Eskalation wird so noch weiter gesteigert und die Lage noch angespannter.



 

Mit Messern lässt sich auch prima diskutieren
Angespannt. Das ist wohl das Wort, was hier am besten passt. Denn zwischen den verschiedenen Standpunkten innerhalb der Gruppe gibt es Machtkämpfe. Einige wollen mit ihren jeweils eigenen Mitteln das Alphatier werden, Recht behalten, anderen ihre Meinung (bewusst oder unbewusst) aufzwängen. Und andere sind nur die Mitläufer, das Rudel. Mal mutiger und mit kleinen eigenen Vorstößen, mal wieder sehr zurückhaltend und sich ins zweite Glied einordnend. So wird die Stimmung, natürlich vor allem zwischen den Wortführern, aggressiver, das Verhalten ruppiger und die Beziehung zwischen einigen Männern eben immer angespannter. Und das erhöht die Spannung ungemein, obwohl dazu nur geringe Mittel verwendet wurden.


Außerdem wirkt der Film enorm authentisch, anschaulich und realistisch. Wenn zum Beispiel verschiedene Situationen aus der Beweisführung rekonstruiert werden oder Zeugenaussagen auf Glaubwürdigkeit hin überprüft werden, dann kann dies jeder Zuschauer nachvollziehen. Es ergibt alles einen Sinn. Und für mich legt kein Regisseur mehr Wert auf Realismus als Sidney Lumet. Der Meister der Authentizität. „Die zwölf Geschworenen“ ist einer der besten Filme, DER beste Debütfilm, den es je gegeben hat und jeder, wirklich jeder sollte ihn einmal gesehen haben.


10 von 10 durchgeschwitzte Männerhemden