Review: FLUCHT VON ALCATRAZ - Ich bin dann mal weg...

                                                                                 

Fakten:
Flucht von Alcatraz (Escape from Alcatraz) USA, 1979. Regie: Don Siegel. Buch: Richard Tuggle, J. Campbell Bruce (Vorlage). Mit: Clint Eastwood, Patrick McGoohan, Roberts Blossom, Jack Thibeau, Fred Ward, Paul Benjamin, Larry Hankin, Bruce M. Fischer, Frank Ronzio, Fred Stuthman, David Cryer, Madison Arnold u.a. Länge: 107 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.  


Story:

Dieb und Ausbruchsexperte Frank Morris wird 1960 in das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz verlegt. Niemanden ist bisher die Flucht von dort geglückt. Unter dem Regiment des unbarmherzigen Direktors haben die Inhaftierten wenig zu lachen. Für Frank steht fest: Hier wird er nicht bleiben. Gemeinsam mit einigen Verbündeten plant er das Unmögliche: Die Flucht von Alcatraz.  




Meinung: 
„Wenn man die Regeln der Gesellschaft missachtet, kommt man ins Gefängnis. Und wenn man im Gefängnis die Regeln nicht beachtet, kommt man zu uns.“

Die vierte und letzte gemeinsame Arbeit von Regisseur Don Siegel und Hauptdarsteller Clint Eastwood befasst sich mit dem bis dato nicht für möglich gehaltenen Ausbruch von Frank Morris und den beiden Anglin-Brüdern aus dem legendären Bundesgefängnis Alcatraz im Jahr 1962. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die Festung in der Bucht von San Francisco als absolut sicher, eine Flucht von dem Felsen als unmöglich. Ein Jahr später schloss Alcatraz seine Tore endgültig aufgrund der nicht finanzierbaren Instanthaltungskosten. Der Fluchtversuch galt offiziell nicht als Grund, ganz unschuldig an der Schließung war er mit Sicherheit dennoch nicht, wurden so doch erst die eklatanten Mängel und der marode Zustand der Einrichtung offensichtlich. 


Clint pumpt sich schon mal auf.
Das eingespielte Duo Siegel/Eastwood liefert bei der Verfilmung des Tatsachenromans von J. Campbell Bruce ganze Arbeit ab, konnten sie sich doch blind aufeinander verlassen. Siegel vertraut auf das Charisma und die Präsenz seines Zugpferdes und Eastwood darauf, dass ihn sein alter Weggefährte seinem Image entsprechend in Szene setzt. Gewohnt wortkarg knurrt und brummt sich der kernige Clint durch das Geschehen, wie man ihn kennt und liebt. Wenn er denn mal den Mund aufmacht, kommt ein trockener Spruch über die Lippen. Niemals scheint er die Kontrolle zu verlieren, ist immer Herr der Lage und hat stets den richtigen Einfall. Ein Eastwood bückt sich unter der Dusche nicht nach der Seife, er wäscht mit ihr seinen Verehrern das Maul aus. Eigentlich spielt er mal wieder nur sich selbst, doch warum auch nicht, wenn es funktioniert? Siegel hält die Zügel straff in der abgeklärten Hand und weiß seinen Film trotz eines praktisch nicht vorhandenen Actiongehalts stringent voranzutreiben. Knastfilmklischees werden dabei nicht umschifft, genau genommen greift „Flucht von Alcatraz“ jedes von ihnen ganz ungeniert auf. Störend sind diese dabei nicht besonders, dafür arbeitet der Plot viel zu direkt und schnörkellos auf den großen Ausbruchsversuch hin und spätestens wenn dieser beginnt, ist eh alles komplett nebensächlich. Nicht nur das: Ohne seine erprobten Standardzutaten würde der Film sogar gar nicht so effizient seine Wirkung entfalten.


Alcatraz, kein Ort für frohe Mienen.
Schließlich darf man eins nicht vergessen: Die Helden der Geschichte sind alles Schwerverbrecher. Umsonst genießen sie nicht den guten Service im berüchtigtsten Hochsicherheitsgefängnis seiner Zeit. Wie schafft man es also, ihnen den Weg in die unverdiente Freiheit zu gönnen? Richtig, man schürt ein Gefühl von Ungerechtigkeit gegenüber diesen Menschen, verdreht das eigentliche Rollengefüge. Der sadistische Direktor wird durch seine drangsalierenden Methoden und seinen nicht im Geringsten auf Resozialisierung abzielenden Führungsstil („Wir machen aus keinem einen guten Bürger, aber aus jedem einen guten Gefangenen.“) dämonisiert, die schweren Jungs dadurch glorifiziert. Nicht ihre Taten, die sie hinter Gitter brachten, die werden nur kurz erwähnt und spielen für den weiteren Verlauf überhaupt keine Geige. Sie als Menschen werden unterdrückt, hier und jetzt. Das zieht den Zuschauer selbstverständlich auf ihre Seite und nur so kann „Flucht von Alcatraz“ in seinem Hauptpart, dem akribisch geplanten und unter höchstem Risiko durchgeführten Ausbruchs, überhaupt erst diese spannungserzeugende Partizipation und Identifikation mit seinen Antihelden erzielen. Obwohl das Tempo niemals entscheidend anzieht und eventuell auch der Ausgang der Geschichte bekannt sein könnte, in seiner detaillierten Schilderung zieht einen der Film spätestens jetzt uneingeschränkt in seinen Bann. Daumen drücken ist angesagt, wenn sich die liebgewonnenen Schurken mit selbstgebauten Werkzeugen mühselig einen Weg durch das Mauerwerk kratzen, sich unter höchster Gefahr die dafür benötigten Materialien in ihrem eigentlich perfekt kontrollierten Alltag stibitzen müssen und im Halbdunkel Nacht für Nacht ihrem Ziel ein kleines Stück näher kommen, jederzeit an der hauchdünnen Grenze, doch noch aufzufliegen. 


Mit diesen einfachen, aber eben deshalb funktionellen Mitteln und ohne jeden unnötigen Firlefanz drumherum kann man auch heute noch für rundum gelungen Unterhaltung sorgen. „Flucht von Alcatraz“ ist keinesfalls spektakulär oder gar herausragend, dafür präzises, bodenständiges Handwerk des klassischen Spannungskinos. Nach „Dirty Harry“ die beste Kooperation von Siegel und Eastwood, die über die Jahre kaum Federn gelassen hat. 

7 von 10 Blumen zum Abschied 

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