Review: ARRESTED DEVELOPMENT (Staffel 1) – Trautes Heim, Glück allein



Fakten:
Arrested Development (Staffel 1)
USA. 2003. Regie: Joe Russo, Anthony Russo, Paul Feig u.a. Buch: Mitchel Hurwitz u.a. Mit: Jason Bateman, Will Arnett Portia de Rossi, Tony Hale, David Cross, Michael Cere, Jessica Walter, Alia Shawkat, Jeffrey Tambor, Judy Greer, Henry Winkler, Liza Minelli, Julia Louise-Dreyfuss, Clint Howard u.a. Länge: 22 Episoden á 21 Minuten.
FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Michael Bluth hat es nicht leicht. Eigentliche sollte er die Firma von seinem Vater übernehmen, doch es kommt anders. Wegen Wirtschaftskriminalität landet sein Vater im Knast. Nun liegt es an Michael, nicht nur die Firma zu retten, sondern auch seiner Familie klar zu machen, dass das ehemalige Lotterleben im Luxus vorbei ist. Selbstverständlich erweist sich als wahre Mammutaufgabe, denn die Familie Bluth ist ein Haufen Exzentriker: Mutter Lucille hat die Selbstsucht für sich gepachtet, Bruder Gob meint er wäre ein guter Zauberer, Schwester Lindsay versucht sich einzig und alleine durch Charity-Events zu definieren und ihre Gatte, der Therapeut Dr. Tobias Fünke, hat nicht nur ein Problem mit seinem eigenen Körper, sondern gibt seinen alten Job auf, um endlich Schauspieler zu werden. Kurz: Chaos pur.





Meinung:
Die meisten Serien begründen ihren Erfolg doch letztlich darauf, dass sie den Zuschauer in ein (inner-)familiäres Gefüge (oder eben dem Ersatz eines solchen) bannen, in dem er es sich über einen unbestimmten Zeitraum mehr oder weniger gemütlich machen kann. Man lernt die Gepflogenheiten jenes Kollektivs kennen, kürt Lieblinge und diskreditiert Unsympathen. Irgendwann, wenn das Konzept denn adäquat umgesetzt wurde, fühlen wir uns als Teil dieser Gemeinschaft, lachen und leiden im engen Kreise. Interessant wird es dann, wenn diese fiktiven Familienverhältnisse einen reflektorischen Nukleus in sich bringen: Selbstredend ist – ganz exemplarisch – das FX-Format „Sons of Anarchy“ eine mehr als gelungene Serie und Kurt Sutter, als passionierter Sadist, ein wahrer Folterknecht darin, den Zuschauer mit dem Schicksal der Figuren zu zermürben. Doch dieses Milieu des organisierten Verbrechen ist zu fern, die Umsetzung zu eskapistisch und überzeichnet, um wirklich Identifikationspotenzial zu bergen. Der Vergleich mag hinken, doch „Arrested Development“ besitzt hinsichtlich dieses Aspektes eine ungleich effektivere Wirksamkeit.


Lucille genießt das Leben
Seiner Zeit von Fox als ungeliebtes Kind fallen gelassen, hat sich die mit zahlreichen Honorierungen versehende Sitcom erst nach und nach eine ungeheure Fan-Base geschaffen. Warum „Arrested Development“ die Massen anfangs nicht begeistern konnte, liegt auf der Hand: Mitchell Hurwitz beschritt Pfade, die dem 08/15-Sitcom-Konsumenten zu fremd erschienen. Ohne die blechernen Lachkonserven im Hintergrund, fiel „Arrested Development“ formal vor allem durch seinen Mockumentary-Stil oder diverse Shows aus dem Reality-Bereich gehaltenen Visualisierung aus dem Rahmen. Die Kamera zeigt sich als flexibler Gegenstand der Begutachtung und Dokumentation, mal nah an den Figuren und ihren Gesichtern, gerne aber auch mal zaghaft hinter Wänden hervorlugend, doch immer dabei, voll im Geschehen und vor allem: goldrichtig positioniert. Was vielen wohl ebenfalls vor den Kopf gestoßen hat: „Arrested Development“ wartet mit geschliffenen Pointen auf, deren Aufbau womöglich in der zweiten Folge beginnt, um dann zehn Folgen später auf den Höhepunkt geschraubt zu werden und seinen eigentlichen Sinn zu vervollständigen.


Vater und Sohn
Geduld ist damit genau die Tugend, die „Arrested Development“ in Ehren hält. Wer sich jedoch einmal in dieses verwobene Konstrukt aus massenweise Anspielungen, Wortspielen, brillant abgestimmter Situationskomik wie Running Gags eingearbeitet hat, der wird die hier porträtierte Familie Bluth schnell in sein Herz schließen und nicht mehr herauslassen. Und an dieser Stelle kommen wir an die eingangs angesprochene Reflexionsfähigkeit der Serie: Wer sich einmal auf einer Familienfeier durch die Sitzreihen gekämpft und mit den verschiedensten Personen Gespräche führt hat, der wird wissen, welch skurrile Gestalten doch den eigenen Namen tragen. Mit den Figuren von „Arrested Development“ ist das ganz ähnlich: Zunehmend fährt die Hand zur Stirn, ob der getanen Handlungen respektive gesprochenen Worte. Doch man kann ihnen nicht auf lange Sicht böse sein, einfach weil sie in ihren Allüren, Spleens und Eigenheiten, ihrem narzisstischen wie egomanischen Gebaren, zu menschlich und damit auch zu liebenswert agieren.


Michael Bluth (Jason Bateman) fungiert als moralischer Anker, der die Serie gleichermaßen davor bewahrt, komplett aus den exzentrischen Angeln gehoben zu werden und jeder Verhältnismäßigkeit zu entsagen. Denn mit Gob (Will Arnett), Lucille (Jessica Walter), George (Jeffrey Tambor), Tobias (David Cross), Lindsay (Portia de Rossi), Buster (Tony Hale) und Maeby (Alia Shawkat) stehen Michael ein ganzes Arsenal an Persönlichkeiten entgegen, die den familiären Wahnsinn so richtig schön im Gang halten. In Wahrheit jedoch ist es das alte Lied: Obwohl sie oftmals nicht miteinander können, scheint es auch ohneeinander nicht zu funktionieren. Intakt und vertrackt gehen Hand in Hand. „Arrested Development“ ist ein Format, welches an die Intelligenz des Zuschauers appelliert, so salopp einige Szenenabläufe auch erscheinen mögen, nicht selten gewinnen sie durch einen späteren Einschub an Cleverness und veranschaulichen, wie durchkomponiert diese Serie doch an den Start geht, wie viel Passion in ihr steckt. Wer das nicht zu schätzen weiß, möge bitte bei „2 Broke Girls“ und Konsorten bleiben, um sich all die längst verbrauchten Plattitüden subtil mit der Bratpfanne überziehen zu lassen.


8 von 10 Hotpants unter dem Bademantel


von souli

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