Fakten:
Asphalt-Cowboy (Midnight Cowboy)
USA, 1969. Regie: John Schlesinger. Buch: Waldo Salt, James
Leo Herlihy (Vorlage). Mit: Jon Voight, Dustin Hoffman, Sylvia Miles, John
McGiver, Brenda Vaccaro, Barnard Hughes, Ruth White, Jennifer Salt u.a. Länge:
113 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Joe zieht es aus der texanischen Provinz nach New York, um
dort als Callboy für wohlhabende Damen das große Geld zu machen. Das ist
selbstverständlich nicht so leicht wie er es sich vorgestellt hat. Schnell ist
er abgebrannt und wird auch noch von dem kleinen Gauner Rizzo übers Ohr
gehauen. Ausgerechnet er wird sein einziger Freund in der neuen, fremden
Heimat. Gemeinsam schlagen sie sich mehr schlecht als recht durch und hecheln
ihren großen Träumen hinterher.
Meinung:
Noch wenige Jahre zuvor wäre dieser Stoff wohl kaum von
einem großen Studio verfilmt worden, geschweige denn hätte bei den Oscars drei der
wichtigsten Trophäen abgeräumt (Film, Regie, Drehbuch). Dank dem aus der finanziellen Not geborenen
Vertrauen in die jungen, eigenwillige Filmemacher der New-Hollywood-Ära wurde
so mancher Klassiker geschaffen, der den damaligen Zeitgeist auch heute noch
spürbar macht. „Asphalt-Cowboy“ von John Schlesinger gehört definitiv dazu.
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"...wer ist der schärfste Stecher im Land?" |
Schön und voller Manneskraft, das reicht aus Sicht des
Texas-Landeis Joe (glänzend: Jon Voight) um im Big Apple das große Geld zu
machen. Schließlich warten dort alle gutbetuchten Damen nur auf ihn, auf das er
sie für Bares beglücken kann. Das der Plan eventuell nicht ganz bis zum Ende
durchdacht war, bekommt er schnell zu spüren. Kaum zu glauben, aber nur im
schicken Cowboydress durch die Straßen schlendern und fesch aussehen reicht
offenbar nicht, damit einem die willigen Ladys das Leben finanzieren. Die
Anonymität der Metropole verschluckt Joe schneller als ihm lieb ist. Noch bevor
er es sich selbst eingestehen will (oder kann) ist er ein Niemand, ein
Vagabund, ein Stricher, der sich von männlichen Freiern einen Blowjob verpassen
lassen muss, in der Hoffnung auf ein paar Dollar. Naiv und einfach gestrickt
wie er ist, lässt er sich sogar von einem offensichtlichen Windhund und
Verlierer wie dem abgegrabbelten Hinkebein-Halunken Rizzo (glänzt auch
ungewaschen locker mit: Dustin Hoffman) aufs Kreuz legen. Zunächst, denn in ihm
findet Joe einen Gleichgesinnten, einen Freund. Eine ebenso perspektivlose
Von-der-Hand-in-den-Mund-Existenz, die sich stoisch an seinen großen Traum
klammert…denn wenn sie das aufgeben würden, nur das Hier und Jetzt realistisch
betrachten, gäbe es keine Hoffnung mehr.
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Der Hübsche und sein smarter Hobbit. |
Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und ganz besonders in
der Stadt die niemals schläft kann man noch vom Tellerwäscher zum Millionär
werden, solange man nur an sich glaubt. Von wegen. John Schlesinger lässt
seinen Midnight-Cowboy heftig auflaufen und präsentiert das Scheitern des
American Dream in ungewohntem Milieu, im Schatten der grellen Lichter und
Neonlettern. Eine Großstadt- und Loserballade, mit Witz, Melancholie und ganz
besonders Empathie für seine verlorenen Helden. Sie sind verkrüppelt, von außen
wie innen, vegetieren am Rande der Gesellschaft vor sich hin, doch geben sich
nicht auf. So werden aus - nach klassischen Heldenstandards der Filmwelt - unüblichen Figuren Sympathieträger,
deren Schicksal nicht etwa als belehrendes Moralstück herhalten soll, sondern
einfach die Kehrseite der Medaille zeigt. Ehrlich und ungeschönt, so sehr wie
damals kaum ein großer Film. „Asphalt-Cowboy“ ist ein Dokument aus einer Zeit
des Umbruchs, in Hollywood wie der Gesellschaft allgemein. Diesen Geist weiß
Schlesinger auf die Leinwand zu transportieren, nicht nur durch seine
untypische Geschichte mit seinen wenig vorbildlichen Charakteren, er vermittelt
anhand ihrer täglichen Odyssee durch die Straßen von New York Impressionen der
späten 60er, ein Querschnitt durch die verschiedenen Schichten und
Lebensansichten. Ein gerade aus der heutigen Perspektive ungemein interessanter
und faszinierender Einblick.
Auch inszenatorisch bricht Schlesinger gezielt aus der Norm
des kommerziellen Studiofilms aus. Die Vergangenheit von Joe wird durch
fragmentarische Flashbacks in die Geschichte integriert und – ebenso wie eine
Tagtraumsequenz von Rizzo – mit einer surrealen, leicht psychedelischen Note
versehen. Eskapismus aus dem traditionellen Muster des Geschichtenerzählens,
wie der gesamte Film. Denn genau genommen erzählt „Asphalt-Cowboy“ keine
übliche Story nach dem Drei-Akt-Muster. Man treibt durch das Geschehen, wie
seine Antihelden durch ihren Alltag. Manchmal ohne direktes Ziel, nicht jeder
Moment erfüllt einen offensichtlichen Sinn für das Gesamte. Auf den Weg kommt
es meistens an. Und diesen säumt Schlesinger mit einem einzigartigen Gefühl.
Mit Humor, Tragödie, reichlich Rückschlägen und kleinen Erfolgserlebnissen, die
für den Momente die Strapazen vergessen lassen. Ein rastloses, wenig konformes
Werk mit ganz viel Herz und noch mehr Seele. Eine hässlich-schöne
Liebeserklärung an New York und ganz besonders an seine gescheiterten
Existenzen.
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