Review: LADY SNOWBLOOD - Das traurige Lied von Schnee und Blut


Fakten:
Lady Snowblood (Shurayukihime)
J, 1973. Regie: Toshiya Fujita. Buch: Norio Osada, Kazuo Kamimura, Kazuo Koike. Mit: Meiko Kaji, Toshio Kurosawa, Masaaki Daimon, Miyoko Akaza, Shinichi Uchida, Takeo Chii, Noboru Nakaya, Yoshiko Nakada u.a. Länge: 102 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
1874 wird in einem Gefängnis in der Nähe von Tokio ein Mädchen geboren. Mit dem Tag ihrer Geburt liegt ihr die Bürde auf, den Tod ihres Vaters rächen zu müssen. 20 Jahre später, einzig und allein auf die Vergeltung hingearbeitet, schreitet Yuki zur Tat. Die Mörder ihres Vaters sind dem Tode geweiht.



                                                    
Meinung:
„Mit der Bürde des Hasses zu leben…armes Kind.“

Genau dreißig Jahre nach seiner Veröffentlichung erlangte „Lady Snowblood“ auch beim Publikum des Mainstreamkino größere Bekanntheit (zumindest namentlich), zählte er doch zu den Filmen, die Quentin Tarantino in seiner meisterlichen Eastern-Hommage „Kill Bill Vol. 1“ offen huldigte und überdeutlich zitierte. Seit Mitte Oktober erstmals in Deutschland auch auf Blu-ray erhältlich, wer also noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für die cinephielen Liebsten ist, hiermit könnte einigen eine sehr große Freude bereitet werden. Aber bitte nicht unbedingt in Kinderhände geben, denn obwohl inzwischen auf FSK: 16 heruntergestuft, wird „Lady Snowblood“ seinem deutschen Titel mehr als gerecht.


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Mit Schirm, Schwert, ohne Melone.
Leise rieselt der Schnee, getränkt von spritzenden Blutfontänen. Eine ästhetische Symphonie des Blutes, ein deprimierendes Bild der Verzweiflung. In vier Akten erzählt Toshiya Fujita eine grausame Ballade von Schmerz und Hass, die hinter ihrer vielleicht simpel anmutenden Rachegeschichte die Essenz einer großen, klassischen Tragödie beinhaltet. Ein zwanzig Jahre zurückliegendes Verbrechen voller Grausamkeit und Ungerechtigkeit setzt eine Ereigniskette in Gang, die nur noch mehr Leid und Elend hervorruft und die Existenz unserer (Anti-)Heldin bereits bestimmt, noch bevor sie das Licht der Welt erblickt hat. Bald ohnmächtig vor Trauer und verbitterter Wut opfert sich ihre Mutter als Brutkasten für die späte Vergeltung und zeugt kein Kind der Liebe, sondern ein Werkzeug, dem bereits vor der Niederkunft jede Menschlichkeit genommen ist. Einzig und allein auf dieser Welt, um seinen Zweck zu erfüllen. Trainiert statt erzogen, gedrillt für den Moment der Rache. Hinter der zerbrechlichen Statur und dem engelsgleichen Gesicht steckt eine Tötungsmaschine, der der freie Wille von Anfang an genommen wurde, unfähig sein Leben selbst zu bestimmen. Wenn man das Leben nennen kann. Mehr eine Mission, an deren Ende nur das Resultat zählt. Vier tote Menschen, deren zu sühnendes Verbrechen länger zurückliegt als die Geburt ihrer Scharfrichterin, die niemals eine andere Wahl hatte.


In teils ikonischen, stilprägenden Bildmontagen zelebriert „Lady Snowblood“ die Gewalt mitunter bis zum Äußersten, bildet einen faszinierende Kontrast aus dem reinen, unschuldigen Weiß des frisch gefallenen Schnees und dem tiefen Rot des warmen Blutes, das wie in Strömen aus den Körpern schießt. Trotz seiner direkt-plastischen Darstellung von roher Brutalität ohne falsche Zurückhaltung und dem Hang, sie als ein berauschendes, sinnliches Gemälde zu installieren, prangert „Lady Snowblood“ ihre Sinnlosigkeit unmissverständlich an. Das Blutvergießen wird nicht glorifiziert, die Taten aller (!) Beteiligten nicht als gerechtfertigt hingestellt, ganz im Gegenteil. Die Hoffnungslosigkeit einer emotional gesteuerten Endlosspirale wird in all seinem perspektivlosen Ausmaß präsentiert. Am Ende wird aus denselben Gründen gestorben, die erst das Töten eröffneten. Ein ewiger Kreislauf, von den jeweiligen Standpunkten genauso nachvollziehbar wie verwerflich, denn es führt letztlich zu nichts. Nur zu noch mehr Leichen. Vergeltung ist ein bitter-süßes Vergnügen von kurzer Dauer, das den Schmerz nicht lindern kann, ausschließlich mehr Hass und Gegengewalt hervorruft. Bis nichts mehr übrig ist. Ein trostloses Perpetuum mobile, berauschend in Szene gesetzt.

7,5 von 10 aufgespannten Schirmen

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