Review: JAMES BOND 007 - SPECTRE - Das Ende von dem, was "Casino Royale" einst begann




Fakten:
James Bond 007 – Spectre
USA, UK. 2015. Regie: Sam Mendes. Buch: Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth, John Logan. Mit: Daniel Craig. Léa Seydoux, Christoph Waltz, Ben Whishaw, Ralph Fiennes, Dave Bautista, Andrew Scott, Jesper Christensen, Monica Bellucci, Rory Kinnear, Stephanie Sigman, Alessandro Cremona, Tenoch Huerta, Adriana Paz u.a. Länge: 148 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.


Story:
Eine mysteriöse Nachricht aus Bonds Vergangenheit setzt ihn auf die Fährte einer zwielichtigen Organisation, die er aufzudecken versucht. Während M damit beschäftigt ist, politische Mächte zu bekämpfen, um den Secret Service am Leben zu erhalten, kann Bond eine Täuschung nach der anderen ans Licht bringen, um die schreckliche Wahrheit zu enthüllen, die sich hinter Spectre verbirgt.




Meinung:
Nach der erfrischenden Neuausrichtung, der radikalen Dekonstruktion und der charakterlichen Psychologisierung des Mythos "James Bond" wird mit "Spectre" nun gewissermaßen ein Kreis geschlossen. Geister der Vergangenheit spuken über dem Terror der Gegenwart, Bonds Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird auf sämtlichen Ebenen konfrontiert und der gesamte Sinn seines Daseins erneut in Frage gestellt. Ganz so problembeladen und mit finsterer Schwere versehen ist "Spectre" als Gesamtwerk aber ganz und gar nicht. Hier weht ein angenehm altmodischer Hauch durch die Setpieces, darf endlich wieder überzogene Action bewundert und Frauen verführt sowie Martinis geschlürft werden. Daniel Craig ist nun völlig auf Augenhöhe mit der Figur und bringt zu gleichen Teilen trockenen Humor, charismatischen Gentleman und harten Einzelkämpfer. Christoph Waltz, seit Jahren in der gleichen Rolle als er selbst zu sehen, funktioniert ebenfalls überraschend gut, wurde glücklicherweise an der Leine gehalten und trotz geringer Screentime als effektiv inszenierte Nemesis positioniert. Lediglich die entscheidende Motivation von Gegenspieler Franz Oberhauser passt nicht perfekt in das Gesamtbild und Léa Seydoux als Bond-Girl ist trotz Einführung als schlagfertige Instanz am Ende lediglich die typische Dame in Not. Ansonsten ist "Spectre" aber ein durch und durch gelungener Eintrag in das Franchise, der sowohl auf der Ebene des unterhaltsamen Eskapismus wie auch dem gegen Ende herbeigeführten Tiefgang hinsichtlich persönlicher Motive überzeugt. Und alleine die ersten zehn Minuten, mit der faszinierendsten und am besten inszenierte Pre-Title-Sequenz der Craig-Ära, muss man selbst gesehen haben.


7,5 von 10 lebende Tote


von Pat



Meinung:
 „Casino Royale“ war ein Versuch zu erklären und zu ergründen warum 007 so ist, wie wir ihn in über 20 Filmen kennen und schätzen gelernt haben. Ein Experiment welches geglückt ist – dank der Vorarbeit von Jason Bourne. Dementsprechend ist „Spectre“ ein konsequenter Schlusspunkt dieser Exposition-Ära. Doch wirklich schlüssig wird das letzte Puzzleteil nicht hinzugefügt. Mehr wird mit einem Hammer versucht das lose Stück irgendwie zu integrieren. Das raubt „Spectre“ einiges an erzählerischer Kraft und vor allem Raffinesse. Gut, Daniel Craig wirkt nun in seiner Bond-Rolle um einiges klassischer als noch bei „Skyfall“ und den beiden Vorgängern, aber wirklich rigoros wird diese charakterliche Wende dann doch nicht betrieben. Zitternd hechtet Craigs Bond zwischen seinen alten Stärken und die von vielen Fans vermissten Charakteristika eines Roger Moore umher. Doch Craig ist nun mal Craig und Moore war immer schon der Dandy-007 - eine Maskerade die dem Neo-Bond nicht sonderlich gut steht. Aber das ist nicht der größte Makel von „Spectre“. Da hätten wir noch einen Retorten-Bösewicht, dessen Motivation sich ebenfalls nicht wirklich stimmig in die Craig-Ära einpassen will, auch wenn vier Scriptwriter am Werke waren. Aber gut, auch das ist geschenkt. Es sind die Actionszenen, die nicht überzeugen wollen, wobei sie eigentlich voller Ideen und Zündstoff stecken - etwa wenn 007 mit einem Flugzeug in den alpinen Bergen Österreichs rodelt. Aber Sam Mendes ist kein Actionexperte und selbst Action-Director Alexander Witt (der schon bei „Casino Royale“ dabei war) gelingt es nicht die wuchtigen Szenen so einzufangen und zu montieren, dass sich aus diesen ein zünftiger Wow-Faktor ergibt. Natürlich, die Bilder die „Spectre“ auffährt sind toll (Kamera: Hoyte van Hoytema, einer der wohl aktuell besten Kameramänner), die Setting passend und gleich zu Beginn serviert der offiziell 25. Bondfilm einen eindrucksvollen wie stilistisch umwerfenden One-Shot. Aber das nutzt nicht viel. Wobei „Spectre“ kein Totalreinfall ist, aber eben auch nicht das große Epos was versprochen wurde. Mehr ist es ein seltsamer, filmischer Zwitter, der versucht neuen und klassischen Bond zu kombinieren und dabei weder einen richtigen wie stimmungsvollen Wechsel hinbekommt, noch klar macht, dass 007 mit Craig im modernen Actionfilm angekommen ist.


4,5 von 10 Unterwasser-Parkplätzen


von stu


Meinung:
Der Flugdrachen im Herzen eines tosenden Hurrikan, James Bond, im Zuge der Daniel-Craig-Ära zum Helden wider Willen herangereift, der sich weitreichend mit seiner Sterblichkeit auseinandersetzt hat und keinesfalls die sozial-inkompetente Killermaschine darstellt, wie es die Auswahlkriterien für den Doppelnull-Status eigentlich einfordern. Nein, James Bond ist aus Fleisch, Blut und Tränen – und damit in seiner Menschlichkeit mit all den Stärken und Schwächen behaftet, die diese nun mal mit sich bringt. Wurde in „James Bond 007 – Skyfall“ noch ausgehandelt, ob es in dieser, in unserer Welt überhaupt noch Platz für James Bond gibt, ist „James Bond 007 – Spectre“ nun die konsequente Fortsetzung dessen: James Bond fühlt, also geht es ihm beharrlich unter die Haut, direkt ins Herz, dort, wo nicht nur das Pochen det Schmerzen allen Boden zum Vibrieren bringt. Hier lässt sich auch der Urheber entdecken, der sich für die Marter in Bonds Inneren bekennt. Immer wieder werden alte Narben aufgebrochen, die Geister der Vergangenheit klopfen mit ihren Ketten gegen die Tore der gewissenhaften Instanz, bis sich das brüderliche Geflecht im Meteoritenkrater in einem aufbrausenden Gefühlswust entlädt: Zwei Kinder, die austragen, was losgetreten wurde, als ihnen die emotionale Intelligenz fehlte, Entscheidungen adäquat abzuwägen. Dieser in seiner Aufmachung, seinen Einfällen, seinen Locations, sehr klassische Bond, reiht nicht nur Referenzen und Motiven der sich über fünf Dekaden erstreckenden Franchisehistorie aneinander. „James Bond 007 – Spectre“ glaubt an Stille und Stillstand, die formidabel arrangierten Fotografien erfüllen die Funktion des Narrativkörpers, leiten, verweisen, offenbaren und transzendieren eine Story, über die man keinerlei Worte verlieren muss (der Film tut es manchmal leider dennoch). „James Bond 007 – Spectre“ liebt das Stillleben, hier wohnt die Imposanz inne, die austrägt, was die Lizenz zum Töten wirklich bedeutet: Nämlich die Möglichkeit, den Abzug nicht zu betätigen.


6,5 von 10 beschatteten Witwen


von souli

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