Review: THE CRYING GAME – Ein Mann zwischen zwei Stühlen




Fakten:
The Crying Game
USA, UK, Irland. 1992. Regie und Buch: Neil Jordan.
Mit: Stephen Rea, Forest Whitaker, Jaye Davidson, Miranda Richardson, Adrian Dunbar, Jim Broadbent, Tony Slattery, Birdy Sweeney, Ralph Brown u.a. Länge: 107 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
In einem Vergnügungspark in Nordirland wird der britische Soldat Jody von der irischen Untergrundarmee IRA entführt. Der Mitverschwörer Fergus freundet sich jedoch schnell mit Jody an und die Situation beginnt schwierig zu werden. Als alles schief läuft verschwindet Fergus nach London um sich um Jodys Freundin Dil zu kümmern, eine verhängnisvolle Beziehung beginnt.




Meinung:
„The Crying Game“ ist ein Produkt seiner Zeit, das spürt man zu jeder Sekunde. Sei es der Soundtrack, die Inszenierung oder die Geschichte, alles schreit nach den späten 80er beziehungsweise frühen 90er Jahren. Es überrascht daher auch nicht weiter, dass die zugrundelegende Thematik perfekt in den damaligen Zeitgeist passt, problematisch wird es dann, wenn ebenjene Themen heute nicht mehr die selben Reaktionen hervorrufen oder sich schlichtweg die Haltung zu bestimmten Themen verändert hat. Fällt „Thy Crying Game“ in dieses Raster? Teilweise, denn manche Szenen waren vor 20 Jahren bestimmt wirkungsvoller. Gerade in Hinblick auf den damaligen Zeitgeist macht das den Film aber wiederum zu einer interessanten Erfahrung.


Femme Fatale?
In den ersten dreißig Minuten beweist „The Crying Game“ bereits seine größten Stärken. Kammerspielartig sehen wir, wie sich der Freiheitskämpfer Fergus mehr und mehr mit seiner Geißel Jody anfreundet. Angelehnt an das Stockholm-Syndrom entsteht schnell eine Männerfreundschaft, die bereits von Beginn an zum scheitern verurteilt ist. Mit simplen Mitteln gestaltet, funktioniert diese Geschichte, weil sie in gewisser Weise eine Grundhoffnung aller Menschen nährt, zwei Feinde, die zu Freunden werden, ungeachtet ihrer Herkunft und ihrer Tätigkeit. Inwiefern es sich nur um Freundschaft handelt kann man zumindest zu einem späteren Zeitpunkt des Films nochmal hinterfragen. Nach gut dreißig Minuten kommt es jedoch zu einem heftigen Bruch, die innere Ungewissheit von Fergus spiegelt sich in der Handlung wieder, die nicht wirklich weiß in welche Richtung es weiter gehen soll. Es dauert etwas, bis „The Crying Game“ zurück auf die Spur findet, so gut wie in den ersten dreißig Minuten wird er aber leider nicht mehr. Ab diesem Zeitpunkt wirkt alles etwas unbestimmt und orientierungslos.


Wer spoilert wird erschossen, klar?
Es ist gar nicht so leicht über „The Crying Game“ zu schreiben, denn seinen interessantesten Aspekt offenbart der Film erst nach einer überraschenden Wendung, die man an dieser Stelle jedoch unmöglich vorweg geben darf. Man muss sich wohl darauf beschränken, dass der Film ab einem gewissen Zeitpunkt eine bisher selten verfilmte Thematik in den Mittelpunkt rückt und dadurch auch wieder stärkere Momente generiert. Eine gute Idee reicht aber meistens nicht aus und so hat Jordan zwar interessante Ansätze, wirklich überzeugend setzt er diese jedoch nicht um. Das liegt auch daran, dass die zentrale Beziehung der Geschichte rein logisch nur bedingt funktioniert und damit auf der emotionalen Ebene komplett versagt. Letztendlich fehlt es dem Film an Konsequenz, denn auch wenn diese eigentlich nur zu deutlich gemacht wird, lässt das Geschehene den Zuschauer überraschend kalt und anteilslos. Die gezeigte Gewalt verpufft und nach der Sichtung bleibt ein kurzer Moment der Enttäuschung nicht aus, und das obwohl es sich unterm Strich um einen durchaus sehenswerten Film handelt.


Was bleibt also letztlich noch übrig? Nur ein Sprung 20 Jahre in die Vergangenheit oder doch mehr? Fakt ist, dass gewisse Szenen von „Thy Crying Game“ zwar an Brisanz und Wirkung verloren haben, es aber gerade die damalige Herangehensweise noch immer zu einer interessanten filmischen Erfahrung macht. Denn der Film greift Themen auf, die man auf dieser Weise nur selten oder gar nie zu sehen bekam und auch wenn er zu großen Teilen vergisst seine Zuschauer emotional mit einzubinden, so beweist Neil Jordan doch stellenweise immer wieder Gespür für die richtige Stimmung.


6 von 10 unerwarteten Wendungen


von Vitellone

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen