Review: WIE TOLLWÜTIGE HUNDE - Gewalt, Sexismus und Klassenkampf



Fakten:
Wie tollwütige Hunde (Come Cani Arrabbiati)
IT, 1976. Regie: Mario Imperoli. Buch: Mario Imperoli, Piero Regnoli. Mit: Jean-Pierre Sabagh (a.k.a. Piero Santi), Annarita Grapputo, Paola Senatore, Cesare Barro, Luis La Torre, Gloria Piedimonte, Mario Farese, Silvia Spinozzi, Mario Novelli, Anna Curti u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: Keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.



Story:
Kommissar Muzi ist einem Trio von Gewaltverbrechern auf der Spur, die scheinbar wahllos morden, rauben und Schrecken verbreiten. Die Ermittlungen führen ihn bald auf die Fährte des jungen Lebemanns Tony Ardenghi und seinen Freunden, gelangweilte Söhne und Töchter aus wohlhabendem und einflussreichem Hause. Schnell muss Muzi feststellen, dass in den Kreisen der Reichen und Schönen die Justiz an ihre Grenzen stößt, und ist gezwungen, auf eigene Faust zu handeln…






Meinung:
„…der ganze andere Unfug wie Moral, Kultur, soziales Bewusstsein, Religion sind nützliche Werkzeuge, die man bei denen einsetzen muss, die man kontrollieren will. Wenn du gewinnst, stehst du über jeglichen Prinzipien.“

Schon früh macht Mario Imporeli klar, was als Eckpfeiler für seine Poliziesco „Come Cani Arrabbiati“ dient, neben den üblichen Bestandteilen aus dem in die eigenen Hände genommenen Gesetz eines hilflosen Bullen, ruppiger Gewalt und freizügigem Fleischbeschau. Seien es die Passanten in einem Zoo, die lautstark über die soziale Ungerechtigkeit im Land schimpfen, die immer wieder thematisierte Schere zwischen Arm und Reich und natürlich durch das sadistische Ganoventrio, die nicht etwa aus monetären Gründen ihre Verbrechen begehen. Gestohlenes Geld spielt keine Rolle, es geht um die Tat an sich, den Kick, das Ausspielen der eigenen Überlegenheit. Es wird auch gemordet und vergewaltigt, einfach weil sie es können.


Reichtum macht nicht zwingend schön.
Die Skrupellosigkeit hat besonders Anführer Tony – Sohn eines mächtigen Industriellen – praktisch schon mit der Flasche aufgesaugt. Während sein Vater jedoch nur indirekt über Leichen geht, ist der verzogene Sohnemann noch ein bis zwei Schritte weiter. Hinter seinen menschenverachtenden Gewalttaten steht auch ein Rebellieren gegen den eigenen Vater, der ihn mit Vetternwirtschaft und seinen schier endlos verzweigten Beziehungen ohne Wert auf das eigene Geleistete durchs Leben schummeln will. Die Privilegien seiner unbeschwerten Existenz als Goldenes-Löffel-Kind will er nur teilweise akzeptieren, sich eine eigene Identität schaffen, in dem er die verächtliche Weltanschauung seines alten Herren mit schonungsloser Grausamkeit auf die Spitze treibt. Dabei greift er seinen Erzeuger sogar direkt an, raubt dessen eigenen Geldboten aus und bringt ihn mit dem Mord an seiner Stammhure selbst in den Fokus der Ermittlungen. Doch für Kommissar Muzi ist von Anfang an klar, wen er zu jagen hat, dass der Apfel zwar nicht weit, aber dafür in einem bestialischen Extrem weit vom Stamm gefallen ist. Er, der verbissene Bulle, ein ehrlicher Arbeiter, der von den überheblichen Kids offen verhöhnt wird, die ihm mit ihrer Schuld vor der Nase rumfuchteln, stets in dem Wissen, dass ihm die zwingenden Beweise fehlen und zudem der Fisch am Kopf stinkt, der Apparat an den entscheidenden Stellen in Papas Schmiergeld-Händen liegt.


Besser als gar kein Hobby...
Ein interessantes, auf jeden Fall effektives Fass, dass Imperoli hier aufmacht, den Zeitgeist treffend. „Die da oben“ sind psychotische Monster, „die da unten“ wehrlose Opfer oder hilflose Soldaten für Gerechtigkeit, die gegen die Windmühlen von Korruption und Geburtsrecht anlaufen. Mit der hier sicher überzogen und bewusst so dargestellten Zweiklassengesellschaft schafft er enorme Sympathie für den Protagonisten und dementsprechende Antipathie für seine mächtigen Gegenspieler, was die aufgrund ihrer abscheulichen Taten gar nicht mal nötig gehabt hätten. Auch wenn dem Dreigestirn – oder zumindest ihrem Leader – eine Art rebellisches Grundmotiv gegeben wird, niemals würde man ihnen deshalb auch nur einen halben Daumen drücken, zu hassenswert und rücksichtslos werden sie präsentiert. Sehr ordentlich präsentiert sich der Film auch besonders zu Beginn, der knackig loslegt, um im Mittelteil dann eine Zeit lang leider nur am Stück knackige Damen der Reihe nach blankziehen zu lassen. Dieser Poliziesco läuft sich dann einen gehörigen Plattfuß und treibt hier nur seinen blanken Sexismus auf schon grenzwertige Höhepunkte. Da „missbraucht“ Kommissar Muzi seine sexy Kollegin als Lockvogel am Straßenstrich, sie wird beinah vergewaltigt und im Anschluss fühlt diese sich schuldig, die Aktion leider „vermasselt“ zu haben. Als Trostpflaster wird sie dann von ihrem gütigen Kollegen gebumst, ach du liebe Güte. Sich über so was aufzuregen ist in dem Genre nicht das Maß der Dinge, aber gepaart mit dem ohnehin schleifenden Unterhaltungswert über eine geraume Zeit bleibt einem ja nicht viel übrig.


Gott sei Dank reißt „Come Cani Arrabbiati“ das Ruder im Schlussspurt noch einmal herum und lässt es da ähnlich krachen wie zu Beginn. Der Härtegrad ist satt und manchmal gewagt, aber speziell mit den letzten Szenen gewinnt Mario Imperoli zwischenzeitlich leicht verspielte Pluspunkte wieder zurück. Wie und warum die finale Verfolgungsjagd endet und mit welchem Sarkasmus er seinen Film beschließt, das ist schon bemerkenswert. Das  Hintergrundthema wird als grimmige Schlusspointe genutzt und lässt einen „versöhnlich“ (was in dem Zusammenhang merkwürdig klingen mag) den Abspann genießen. 

„Wenn ein Mörder stirbt, ist keine Zeit für Tränen.“

6 von 10 Stronzi

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