LOGAN - THE WOLVERINE - Das Duo der Grimmigkeit on the road zum Comic-Abgesang

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Fakten:
Logan – The Wolverine (Logan)
USA. 2017. Regie: James Mangold. Buch: Len Wein, Christopher Yost, Craig Kyle, Michael Green, Scott Frank. Mit: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Dafne Keen, Boyd Holbrook, Stephen Merchant, Elizabeth Rodriguez, Richard E. Grant, Eriq La Salle, Elise Neal, Quincy Fouse, Al Coronel, Frank Gallegos, Anthony Escobar, Reynaldo Gallegos, Krzysztof Soszynski, Stephen Dunlevy u.a. Länge: 137 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 2. März 2017 im Kino.


Story:
Im Jahr 2029 gibt es kaum noch Mutanten. Charles Xavier (Patrick Stewart) und Logan aka Wolverine (Hugh Jackman) müssen versuchen, mit dem Verlust der X-Men zurechtzukommen. Zusätzlich haben die beiden Männer mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen, denn während die Alzheimer-Erkrankung von Professor X fortschreitet, bildet sich Logans Selbstheilungskraft langsam zurück.Unterdessen planen Menschen wie Dr. Zander Rice (Richard E. Grant) und Donald Pierce (Boyd Holbrook) die Entwicklung einer mächtigen Waffe und setzen dafür die wenigen überlebenden Mutanten gefangen, die sie finden können. Für Logan gilt es deshalb, sich ein letztes Mal aufzuraffen, um sie zu besiegen und im Zuge dessen ein Mädchen namens Laura (Dafne Keen) zu retten, das sein junger weiblicher Klon ist.





Kritik:
Macht mal halblang mit dem ganzen Hype - James Mangold ist kein Zauberer, selten ein bemerkenswerter Regisseur, auf jeden Fall weiterhin nicht derart vom Genre abgekoppelt, dass man seines „Logan“ wegen eine Sternstunde für den Superhelden-Eintopf ankündigen müsste. Ein Ausnahmefall ist dennoch gegeben, so wie sich die X-Men-Marke Wolverine hier als Mythos verselbstständigt und mit einem R-Rating bewaffnet auf die Wahrhaftigkeiten des unsterblichen Heldenstatus hinsteuert, Zyklen der (Selbst-)Aufgabe mutagener Individuen als Roadtrip cineastischer Americana aufarbeitet. Man kann nicht aus seiner Haut – jenes Leitthema wird folglich Urheber aller Stärken und Schwächen jenes grimmigen Comic-Abgesangs, welcher es sich zudem noch explizit aus „Mein großer Freund Shane“ ausleihen muss, um seine Position für alle Zielgruppen ersichtlich darzustellen. An Subtilitäten mangelt es daher schon von Anfang an, wenn es um die Vermittlung der Lage Amerikas um 2029 geht, immens dem gegenwärtigen Zeitgeist der Angst vor dem Rechtsruck angepasst: Da steht schon die Mauer zwischen Texas und Mexiko, die Umwelt ohnehin voll sinestrer Gangs, Prollpatrioten, Schergen in immer wiederkehrerenden Jeep-Kolonnen, angeführt von einem Bösewicht namens Donald (Boyd Holbrook) – später gibt es sogar „Make corn great again“ und Folter oben drauf, falls die Sozialkritik bis dahin noch nicht durchsichtig genug war. Im Schatten solch dystopischer Zustände sind Mutanten wie Logan (Hugh Jackman), Professor Charles Xavier (Patrick Stewart) oder der Albino-Hellseher Caliban (Stephen Merchant) der jahrelangen Verfolgung her rar geworden und binnen karger Verstecke auf permanenter Flucht, wobei insbesondere erstgenannter Ex-Hero mit Adamantium-Klingen allmählich jede Hoffnung aufgegeben hat.


Um die eigene Sterblichkeit beraubt und mit immer schwereren Verletzungen in lediglich physischer Selbstheilung erfahren, boxt und schlitzt er als Chauffeur noch die letzte Knete durch, doch er hat die Schnauze voll und den Suizid als letzte schleichende Amtshandlung ins Auge gefasst. Mit jener Abgeklärtheit brüstet sich der Film dann auch in eine Gangschaltung der Räude hinein, wie er sich im Vergleich zum Rest des Franchise freier und menschlicher äußern kann, aber inhaltlich ständig um dieselben Konflikte wie bisher greift, jede Handlungsentwicklung und emotionale Deutung so ausformuliert vorwegnimmt, wie die Geradlinigkeit des Scripts ohnehin abseits einer Spannungskurve arbeitet. Es fällt also teils frustrierend repetitiv aus, wie man das Einschreiten der Bösewichte als Pflichterfüllung runterzählt, gleichsam Topoi aus der Mottenkiste wie „Du kannst ja doch sprechen!“, bösen Wissenschaftlern und reaktionären Rednecks wieder begegnet, während das Spektrum charakterlicher Entwicklungen bei einer Laufzeit von über zwei Stunden konsequent klein gehalten wird. Man kann nicht aus seiner Haut und da könnte man Hugh Jackman und Co. Eintönigkeit unterstellen, wenn denn nicht das Engagement zum Dauerzustand so genüsslich ruppig umgesetzt wäre, in der Verweigerung der Selbstreflexion umso dringlicher die Spannung an Entscheidungen ballt, eben den Ausbruch ins Ich staut, ohne Brotkrümel des Pathos auf dem Weg verstreuen zu müssen. Die Spitzen dazu finden sich höchstens in der simplifizierten, aber nicht allzu grellen Abarbeitung bestimmter Lebensmodelle, wie jene der Arbeiterklasse binnen der Bilderbuchfamilie Eriq LaSalles, während man als Zuschauer am ehesten an Action-Schauwerten hängt, die anhand der Eskalation rabiater Körperschnitzelei in Szenarien direkt aus „Universal Soldier“ und „Kinder des Zorns“ leiten.


Japp, auch Kids dürfen hier einen Blutsturm entfesseln, was in Zeiten von „Stranger Things“ und „Kick-Ass“ zum guten Ton gehört, mit Neo-Mutantin Laura (Dafne Keen) im hiesigen Werk dann auch ein Maskottchen erhalten, das vielerlei Charakteristika, Traumata sowie Erinnerungen der (Un-)Schuld und des Missbrauchs mit unserem Titelhelden teilt, Beschützerinstinkte weckt, aber mitunter mehr austeilen kann als der alte Wolf. Xavier im Rollstuhl, tatsächlich noch das drolligste Mitglied im Trio auf Abwegen, vergleicht das mit der Rolle einer Löwenmutter, inzwischen ist dessen Gehirn via Demenz jedoch zur Massenvernichtungswaffe geworden. Bei der Druckwelle an Psi-Kräften muss man unbedingt jene Szene gesehen haben, in der sich Logan durch Hotelflure und Bösewichte ratscht, während die Leinwand lautstark im Mentalblock wackelt! Sie ist auch eine der wenigen Innovationen in diesem Best-Of an meist ernstgenommener Comic-Ikonographie, das zudem mit den Merkmalen des Westerns, der „Mad Max“-Endzeit, der inländischen Wurzel des home of the free, der Sehnsucht aufgelöster Grenzen und natürlich Johnny Cash oben drauf anbandelt. Wie man's schon liest, ist Innovation dann vielleicht auch nicht sooo wichtig, wenn die reichhaltige Mischung jenes Best-Ofs Punktlandungen der Effizienz erfüllt. Herrje, die Prämisse ist ja auch irgendwo ein Traum kompakter Wunscherfüllung, allein von der Optik und Präsenz der Grundstimmung her ambitionierter, intimer, ehrfürchtiger und behutsamer, als man es sich nach einem Ursprung wie „X-Men Origins: Wolverine“ je erhofft hatte. Kleine Schönheitsfehler fallen trotzdem auf und hemmen manch Bindung ans verkappte Charakterkino – z.B., wenn Marco Beltramis Score anfangs noch allzu platt darauf hinweist, welche Szene (eigentlich jede) von sentimentaler Bedeutung ist und wie man sich fühlen soll, obgleich das Visuelle an sich schon jede Entdeckung pointiert gewichtet. Im Verlauf wird die Mucke dann auch öfters abgeblendet, um den Moment für sich selbst wirken zu lassen, wenn man auch von der Melodramatik des Genres nie ganz Abschied nehmen wird.


An anderer Stelle jedoch versagt jene Melodramatik und springt konfus von einem Ton in den nächsten, wenn das Dahinscheiden einer beliebten Figur mit einer splattrigen Häckselarbeit nebenan verknüpft wird. Und dann gäbe es ja ohnehin diese Diskrepanz zwischen einer Antagonistenfront, die als hassliebenswert vorbereitet, von der Inszenierung her jedoch konstant im Muss-jetzt-sein-Faktor fallen gelassen wird. Da gibt’s bestimmt noch einige dramaturgische Mängel mehr in petto, im Endeffekt verstärkt der Film daran sowie via dufter Kuriositäten im Detail aber eher noch die Empathie zum ambivalenten Pflichtgefühl seines Helden und dessen Genres, wenn er sich und den narrativen Strukturen/Längen um seiner selbst überlassen ist, im hohen Alter immerhin die volle Wut ausspielen kann und dafür von der nächsten Generation bewundert wird, der er auch im Strom an Enttäuschungen und Vergänglichkeiten zu sagen weiß: Werdet nicht so und macht nicht das, wofür man euch geschaffen hat. Solchen Extremen dichtet der Film zudem noch eine Vorzeigedualität an, die dann wieder darauf hinführt, woran die X-Men an sich zeitlos bleiben werden, nämlich an der Einigkeit füreinander und gegen das Böse. Das Schlussbild dazu könnte nicht perfekter ausfallen, mit einer Träne im Knopfloch am Einzelgänger für jedermann verarbeitet, wie man der Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, schlicht der Universalität des Comicbuchs mehr als gerecht wird. Bis dahin hatte man einiges Plätschern binnen mehrerer Filme hingenommen, da kommt Mangolds Neuester auch nicht ganz aus seiner Haut, aber immerhin mal mit einem bittersüßen Bekenntnis zum Charakter an, in dem sich die Klischees, Querverweise und Unstimmigkeiten nun der natürlichen Bestialität wegen (jetzt wirklich mal, versprochen!) als Markenzeichen des Imperfekten auszudrücken versuchen, anstatt sich hauptsächlich aufs Spektakel einzustellen.


6,5 von 10 geklauten Sonnenbrillen

vom Witte

Review: HALLOWEEN 3 & 4: Der gescheiterte Versuch und die Rückkehr zum Altbewerten

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Fakten:
Halloween 3 – Die Nacht der Entscheidung (Halloween III: Season of the Witch)
USA, 1982. Regie & Buch: Tommy Lee Wallace. Mit: Tom Atkins, Stacey Nelkin, Dan O'Herlihy, Michael Currie, Ralph Strait, Jadeen Barbor u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Wenige Tage vor Halloween wird ein unter Schock stehender und sich in Todesangst befindender Mann in ein Krankenhaus eingeliefert. Noch in der selben Nacht wird er ermordet, der Täter setzt sich anschließend selbst vor der Klinik in Brand. Der behandelnde Arzt Daniel Challis will gemeinsam mit der Tochter des Opfers die Umstände der mysteriösen Tat aufklären. Die Spur führt sie zu einer ländlich gelegenen Spielzeugfabrik, die zu Halloween eine riesige Marketing-Kampagne mit ihren Masken plant.

                                                                           

Meinung:
Halloween 3, das oft verpönte Kuckucksei des beliebten Franchise. Dabei schwebte John Carpenter und Debra Hill ein wahrlich interessantes Idee vor, die wahrscheinlich hauptsächlich am ungünstigen Timing scheiterte. Die Story um Michael Myers war nach Halloween II – Das Grauen kehrt zurück für sie offiziell beendet. Anstatt ihn (wie es später dann doch kommen sollte) immer wieder auferstehen zu lassen, sollte nun jedes Jahr pünktlich zum Fest ein weiterer Halloween-Film erscheinen, der eine eigene, in sich geschlossene und unabhängige Geschichte erzählen würde. Gar kein dummer Gedanke per se, nur leider waren die Fans damit nicht einverstanden. Ein Halloween oder Michael Myers kam für viele bereits jetzt schon nicht in die Tüte. Auch dem Umstand geschuldet, dass im gleichen Jahr die Konkurrenz in Form von Jason Vorhees in seinem ebenfalls dritten Teil durch den Gewinn der berühmten Hockeymaske erst zur wahren Ikone aufstieg. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für eine Umstrukturierung, die zu einer Bauchlandung führte, das Konzept postwendend beerdigte und zu einer 6jährigen Pause führte, bevor man dem Publikum das gab, was es immer sehen wollte.


Die werden sich noch wundern...
Die gescheiterte Mutprobe ist sicherlich der Hauptgrund für den allgemein schlechten Ruf von Halloween 3, wobei der Film auch losgelöst davon bestimmt nicht der ganz große Knaller ist. Regisseur und Autor Tommy Lee Wallace lässt sich ohne Frage äußerst positiv anrechnen, dass er sich inszenatorisch deutlicher am Original orientiert als alle weiteren Fortsetzungen, obwohl sein Film ja praktisch nichts mit ihm zu tun hat. Unterlegt von einem minimalistisch Carpenter-Score stapeln sich nicht die Slasher-Leichenberge. Stattdessen versucht er den Zuschauer durch behutsamen Spannungsaufbau und die Magie des großen Unbekannten bei der Stange zu halten. In seinen besten Momenten erinnert Halloween 3 tatsächlich an ein typisches Carpenter-Werk, ohne jemals die Qualität seiner ganz großen Arbeiten dieser Zeit (also jedem Film bis dahin) zu erreichen. Dafür entpuppt sich die angenehm geduldig erzählte Story - trotz einem gewissen, paranoid-unbehaglichen Infiltration-Flairs und eines extrem bösen Grundgedankens – als eher kruder Quatsch, der wohl besser in einem kürzeren Format aufgehoben wäre. Als eine ausgedehnte Tales from the Crypt-Episode würde das wesentlich besser funktionieren. Letztlich sollte es ja auch so was ähnliches sein,  nur dann lieber auf 45-50 Minuten stutzen und noch eine weitere Geschichte folgen lassen, dann wird da ein Schuh draus.


Durchaus bedauerlich, dass Halloween 3 nicht so funktionierte wie angedacht, hier griffen zu viele Negativ-Faktoren ineinander. Er ist formell gut vorgetragen, hat nur mit einer zu dünnen Geschichte für die 95 Minuten Laufzeit zu kämpfen, verprellte das Publikum und verpennte den Trend, der aktuell in eine ganz andere Richtung ging. Auch heute ist das nicht mehr als eine manchmal sehr boshafte, manchmal etwas alberne Böse-Nacht-Geschichte zur Geisterstunde, was aber auch seine Daseinsberechtigung hat.

5,5 von 10 Problemen bei der Endfertigung

                                                              

Fakten:
Halloween 4 – Michael Myers kehrt zurück (Halloween 4: The Return of Michael Myers)
USA, 1988. Regie: Dwight H. Little. Buch: Alan B. McElroy. Mit: Donald Pleasence, Ellie Cornell, Danielle Harris, George P. Wilbur, Beau Starr, Sasha Jenson, Kathleen Kinmont u.a. Länge: 88 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
10 Jahre nach dem Halloween-Massaker entkommt der eigentlich komatöse Michael Myers bei seiner Verlegung aus der Haft. Pünktlich zu Halloween kehrt er zurück nach Haddonfield. Das Ziel: Die kleine Tochter seiner inzwischen verstorbenen Schwester, die letzte verbliebene Blutsverwandte. Auch Dr. Loomis macht sich bereit für eine weitere Nacht des Schreckens.

                                                                                                                      


Meinung:
Nachdem gescheiterten Versuch das Halloween-Franchise mit dem dritten Teil als eine von der Figur Michael Myers unabhängige Marke zu etablieren dauerte es relativ lange, bis der stumme, bleichgesichtige Maskenmann doch noch sein überfälliges Comeback geben durfte. John Carpenter hatte mit diesem Film – bis auf die geistige Vorlage und natürlich seinen unverwechselbares Score – nichts mehr direkt zu tun, was dem kommerziellen Erfolg keinesfalls schadete. Halloween 4 – Michael Myers kehrt zurück war Ende der 80er Jahre genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort und gab den Fans das, auf das sie 7 Jahre lang warten mussten. Michael und sein inzwischen innerlich wie äußerlich schwer gezeichnete Jagdhund Dr. Loomis (Donald Pleasence) sind heimgekommen.


Famielenbesuch kann echt anstrengend werden...
Unter der Regie des B-Movie & TV-Jobbers Dwight H. Little entsteht ein typischer 80er-Slasher, der nach kurzer Einleitungsphase den Bodycount minütlich in die Höhe schraubt und (natürlich) nicht an dem lauernden Bedrohungsszenario interessiert ist, das Carpenter’s Klassiker bis heute zu einem Meisterwerk des Genres macht. Das war auch schon im zweiten Teil so, der sich allerdings atmosphärisch noch dichter an der Vorlage orientierte und den Vorteil genoss, als direkt anschließender, quasi ausgedehnter „letzter Akt“ von Halloween – Die Nacht des Grauens zu fungieren, in dem es naturgemäß etwas straffer zur Sache geht. Halloween 4 – Michael Myers kehrt zurück fehlt es selbstverständlich an der Raffinesse wie der erzählerischen und inszenatorischen Eleganz des Originals, das ist aber auch nicht der realistische Maßstab. Als kurzweiliger Schlitzer-Film ist zweckdienlich und ordentlich vorgetragen, kann natürlich noch von dem alten Glanz teilweise zehren. Besonders Donald Pleasence weiß mit seiner Routine die Figur des Dr. Loomis, an dem die letzten Jahre nicht spurlos vorübergegangen sind, treffend wiederzubeleben.


Der damals schon desillusionierte, aber immer noch irgendwie standhafte Psychiater ist zum verbitterten, entstellten Greis geworden, den Außenstehende mehr denn je als senilen Spinner wahrnehmen. Die sonderbare, schicksalhafte Beziehung zwischen ihm und seiner Nemesis Michael Myers ist bedeutsamer, tragischer als das übliche Jäger-und-Gejagter-Spiel des Genres. Im Prinzip hält Pleasence den Laden komplett zusammen und gibt dem Film dieses spezielle Feeling, was ihn trotz seiner durchschnittlichen Vorgehensweise immer noch das gewisse Etwas verleiht, inklusive einer fiesen Schlusspointe. Das ist kein Hit, dennoch ein anständiger Fanservice und der letzte Halloween-Film – bis zu den Rob Zombie-Reboots – der sich noch relativ bedenkenlos anschauen lässt. Zudem die erste Rolle von Danielle Harris, der sie ihre gesamte Karriere als die schnuckelige, ungekrönte Prinzessin des B-Horror-Films verdankt. 

5,5 von 10 Besuchen vom bösen Onkel

MÄNNERTAG - Alte Freunde und ein Bier-Bike

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Fakten:
Männertag
BRD. 2016. Regie: Holger Haase, Buch: Philip Voges, Ilja Haller. Mit: Milan Peschel, Tom Beck, Axel Stein, Oliver Wnuk, Lavinia Wilson, Chris Tall, Hannes Jaenicke, Carolin Kebekus, Kida Khodr Ramadan, Jeremy Mockridge, Birte Hanusrichter, Sebastian Schindler, Albert Bozesan u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 24. Februar 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Es ist Vatertag. Den frisch erworbenen Schulabschluss in der Tasche beschließen die fünf Freunde Stevie, Chris, Peter, Klaus-Maria und Dieter voller Ideale, sich nun jedes Jahr am Männertag zu treffen. Doch zwanzig Jahre später haben sie sich aus den Augen verloren. Erst Dieters Tod führt sie ausgerechnet am Vatertag wieder zusammen. Vereint in der bayerischen Heimat schlittern Stevie, Chris, Klaus-Maria und Peter von einer Katastrophe in die nächste, treffen auf ihren früheren Erzfeind Andi Mauz und die Zeit scheint zurückgedreht. Und das alles nur, um ihrem verstorbenen Freund Dieter den letzten Wunsch zu erfüllen. Sie entdecken ganz neue Seiten aneinander und ihre langjährige Freundschaft wird auf die Probe gestellt...





Meinung:
Bevor letztes Jahr die Bad Moms in Erscheinung traten, war das Refugium von alkoholhaltigen Komödien reine Männersache. Vielleicht lag es ja wirklich ein wenig daran, dass die bösen Mütter sich in diesem non-nüchternen Biotop breit machten, dass Männertag an der Kinokasse unterging wie Schnaps- im Bierglas. Wirklich verdient hat der Film dieses Missachtung aber nicht. Wirklich viel Neues ist den Autoren Voges und Haaller mit ihrem Script zwar nicht eingefallen, aber zum einen inszenierte Holger Haase (Da geht noch was!) den Bier-Bike-Roadtrip temporeich und die Chemie zwischen den einzelnen Figuren stimmt meist auch.


Dabei fällt vor allem auf, dass Männertag, trotz seines eher traditionellen Geschichte, in der wie so oft Nostalgie mit Wehmütigkeit gleichgestellt wird, sich durchaus traut auch auch moderne Thematiken anzusprechen. Zwar wird die Transsexualität einer der Charaktere eher plump vermittelt, dennoch: zumindest rudimentär versucht man dies auch außerhalb von Gags und dummen Sprüchen zu behandeln. Das Ergebnis mag eher ernüchtern sein, aber für einen Film der den patriarchischen und erzreaktionären Vatertag huldigt, ist das schon mehr, als man erhoffen konnte. Des Weiteren wird dies alles ohne großen Story-Ballast durchexerziert. In seinen besten Momenten erinnert der Film sogar an Edgar Wrights missachtetes Meisterwerk The World's End. Dort wurden die Entwicklungen der Hauptfiguren aber wesentlich ehrlicher und dramaturgisch reifer behandelt als in Männertag und auch die immer wieder eingestreute Ernsthaftigkeit wurde besser mit dem Komödiantischen gekoppelt. Dennoch ist Männertag keines dieser sturen Sauf-Abenteuer geworden. Zwar wird die Männerfreundschaft und die Kraft des Gerstensafts immer noch übertrieben glorifiziert dargestellt, in Gänze wirkt der Film aber erfrischend bodenständig und gefasst. Außer wenn mit Haller und Voges scheinbar der Schabernack durchgeht. Dann müht sich auch Männertag durch elendig abgestandene und wenig ergiebige Humor-Szenen, Kotze und Koks inklusive.


Schade ist es auch, dass die einzelnen Figuren leider nie über den Status eines Klischees hinwegkommen: Dagegen können die gut aufgelegten Darsteller auch nur bedingt etwas ausrichten und so kommt es letztlich eben dazu, dass Männertag trotz einigen Stärken wirkt wie eine Komödie, die am Reißbrett entstanden ist. Etwas mehr Feintuning, Polierung und ernsthafte Auseinandersetzung wäre ganz schön gewesen und hätte den Film wahrlich eine Qualität eingebracht, die man heutzutage bei großen, deutschen Lustspielen nur selten findet.

5 von 10 Kokslinien mit salzigem Nachgeschmack

Review: THE SEA OF TREES – McConaughey und Watanabe verirrten sich im Wald…

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Fakten:
The Sea of Trees
US. 2015. Regie: Gus Van Sant. Buch: Chris Sparling. Mit: Matthew McConaughey, Ken Watanabe, Naomi Watts, Anna Friedman, Katie Aselton, Jordan Gavaris u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der Amerikaner Arthur Brennan ist in seinem Leben an einem Punkt angekommen, wo er den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Er ist in einer Sackgasse, aus der er als einzigen Ausweg nur noch den Selbstmord sieht. Dafür hat sich Arthur einen ganz besonderen Ort ausgesucht: Im japanischen Aokigahara, dem sogenannten Suicide Forest oder Sea of Trees, einem am Fuße des Fuji gelegenen 35 km² großen Waldes, der nahezu bar jeden tierischen Lebens ist, will er seiner Existenz ein Ende setzen.Doch der Versuch kommt nicht zur Vollendung, denn Arthur trifft in diesem seltsam aus der Zeit gefallenen Raum auf Takumi Nakamura , der – anderen Motiven folgend – das gleiche Ziel hat. Statt weiterhin den Freitod zu verfolgen, suchen sie ein neues Leben und dazu einen Weg heraus aus dem dichten Wald. Der Selbstmord-Trip wird so wider Erwarten zu einem Überlebenskampf.




Meinung:
Gus Van Sant hat sich in seiner Laufbahn als Regisseur nicht immer beliebt gemacht. Zwar zeichnet er sich für den vielerorts frenetisch gefeierten Good Will Hunting verantwortlich, doch auch Katastrophen wie das Psycho-Remake oder umstrittene Skandalfilme wie Elephant lassen sich in seiner Filmografie finden. Auch The Sea of Trees konnte in jüngerer Vergangenheit besonders dadurch auf sich Aufmerksam machen, dass er geradezu vernichtend schlechte Rezensionen von Zuschauern und Kritikern auf sich zog. Voreilig abschreiben sollte man den Film jedoch keinesfalls, denn tatsächlich werden die mitunter fast schon beleidigenden Meinungen dem Werk kaum gerecht. Im Gegensatz zu vielen anderen Ergüssen des kontemporären Kinos verfolgt Gus Van Sant zumindest eine ambitionierte Idee und so ist er in seinem Scheitern allemal interessant.


Ein Hoffnungsschimmer?
Dabei beginnt der Film, gemessen an der von Kritikern evozierten Erwartungshaltung, durchaus gelungen und auch die nächste Überraschung bleibt nicht aus. Tatsächlich kann The Sea of Trees das Niveau lange Zeit halten und obgleich immer wieder kleinere Unzulänglichkeiten Einzug halten, so weiß das Drama dennoch zu berühren. Das liegt einerseits natürlich an der Wahl der Darsteller. Matthew McConaughey, Ken Watanabe und Naomi Watts agieren gewohnt professionell und obwohl ihre Leistung sicherlich ein gutes Stück unter ihrem bestmöglichen Niveau angesiedelt ist, so wissen sie definitiv zu überzeugen. Zum anderen wird der Schauplatz des Geschehen selbst wohl zur größten Stärke des Films. Der Aokigahara (umgangssprachlich auch Selbstmord-Wald genannt) entwickelt sich in seiner zwiespältigen Wirkung zwischen meditativer Ruhe und bedrückender Todessehnsucht zum optimalen Resonanzkörper für eine Geschichte über Schuld, Trauer und Selbsthass. Zusehends scheint der Wald ein Eigenleben zu bekommen und so fungiert er als Erweiterung von McConaugheys Innenleben um dessen Zwiespalt zu visualisieren. Der Kampf gegen die Natur ist letztlich nur der Kampf gegen das eigene Ich. Abseits dieser atmosphärischen Wirkung fällt es deshalb nur gering ins Gewicht, dass die zweigeteilte Erzählstruktur ebenso wie manch aufgesetzte Emotion nur sehr bedingt funktioniert.


Wirklich problematisch wird hingegen das Ende, denn Gus Van Sant gibt sich mit einem schlichten Drama nicht zufrieden und versucht seinem Film zu tragödienhaften Ausmaß zu verhelfen. Das wirkt jedoch dermaßen überzogen, dass es bereits in unfreiwillige Komik mündet und große Teile des vorangegangenen Films zerstört. Mit dem Holzhammer bringt er das bisher entstandene Konstrukt zum Einsturz und bedeckt die Trümmer mit aufdringlicher Symbolik und fast schon esoterischem Kitsch. Schade, denn The Sea of Trees hatte gleichsam gelungene Ideen wie auch einen fähigen Regisseur diese umzusetzen. Wer nun genau für den katastrophalen Schlussakkord verantwortlich ist, bleibt ungewiss – vielleicht war der Film ja auch schon von vornherein zum Scheitern verurteilt.


4 von 10 Brotkrumen

Review: IN A VALLEY OF VIOLENCE - Ti West zeigt sich sattelfest

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Fakten:
In a Valley of Violence
USA, 2016. Regie & Buch: Ti West. Mit: Ethan Hawke, John Travolta, Taissa Farmiga, James Ransone, Karen Gillan, Toby Huss, Tommy Nohilly, Larry Fessenden, Michael Davis u.a. Länge: 103 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Texas, 1890: Ex-Soldat Paul legt auf seinem Weg nach Mexiko einen kurzen Zwischenstopp in dem gottverlassenen Nest Denton hin. Eigentlich will er nur kurz sich und seine tierischen Begleiter mit dem Nötigsten versorgen und weiterziehen, wird aber unverschuldet in einen Konflikt mit dem aufbrausenden Gilly verwickelt. Paul lässt ihm im Faustkampf alt aussehen und bekommt sogar von Gilly’s Vater, dem sonst wenig zimperlichen Sheriffs von Denton, den Segen für eine vergeltungslose Weiterreise. Doch Gilly sieht das etwas anders, geht einen Schritt zu weit und zwingt Paul in alte, eigentlich abgeschworene Verhaltensmuster zurück.

                                                                       
Meinung:
-„Kann er Kunststücke?“
-„Sie beißt.“

Nach den ersten Gehversuchen als DTV-Auftragsregisseur wurde Ti West schnell als neues Wunderkind des B-Genre-Films ausgerufen. Mit nicht mal 30 Jahren drehte er 2009 seinen ersten, komplett eigenständigen Film The House of the Devil, einen der besten Horrorfilme seit der Jahrtausendwende. Eine kenntnisreiche, ruhige und gerade dadurch ungemein beängstigende Hommage an das Horrorkino der 70er Jahre, das stellenweise sogar so wirkte wie in dieser Dekade produziert. Sein ähnlich gelagertes, noch deutlich reduzierteres Folgewerk The Innkeepers wurde allgemein mit Lob überschüttet. Zuletzt drehte er 2013 den äußerst sehenswerten Sekten-Thriller The Sacrament, nun der endgültige Genre-Umbruch mit In a Valley of Violence. Einem Italo-Western, gut 40 Jahre nach dessen Hochphase und aus dem „falschen“ Land.
Zwei wie Pech und Schwefel: Paul und sein Indianer-Köter


Ti West macht kein (ohnehin nicht zu übersehendes) Geheimnis daraus, dass sein Western dem Spaghetti-Pendant deutlich näher steht als den Klassikern der USA. Allein der Vorspann (ja, das gibt es noch), bereits prägnant unterlegt von Jeff Grace‘s konstant eindringlichen Score, ist pure Nostalgie in Gedenken an Leone und Corbucci. Von Heldentum keine Spur. Eine gebrochene, aber wenig ausgeleuchtete Charakter-Hülle von Anti-Held reitet in eine Stadt ein, prallt allein durch seine reine Präsenz schnell mit dem selbsternannten Kronprinzen, Maul- und Revolverhelden vom Dienst aufeinander, der Rest ergibt sich eben. Gewalt erzeugt Gegengewalt, besonders wenn einem einsamen Mann der beste und einzige Freund genommen wird, John Wick lässt grüßen. Was banal klingen mag ist es irgendwo auch, aber letztendlich macht Ti West nichts anderes als schon zuvor. Betrieben von ihm wie dem Genre an sich. Auch Clint Eastwood war in Für eine Handvoll Dollar nur der unfreiwillige Störenfried. Auch Ti West hat in seinen Horrorfilmen lediglich ein simples, erprobtes Grundgerüst genommen und es in seiner eigenen Stilistik interpretiert.


Gewalt ist keine Lösung, aber so wird das auch nichts
Wer bei In a Valley of Violence ernsthaft auf inhaltliche Innovationen gehofft hat, der hat von vornherein mit Zitronen gehandelt und die Qualität eines Ti West wie dessen Anspruchsdenken wohl falsch eingeschätzt. Er will doch das Genre nicht neu erfinden, selbst wenn ihm sein Ruf ungewollt in eine falsche Ecke drängen mag. Das hat er nie gemacht. Seine Geschichten leben von ihrer Schlichtheit, steigen im Wert durch seine individuelle Klasse der Umsetzung. Und da macht sein erster Western keine Ausnahme. In a Valley of Violence ist bewusst konform und sehr einfach in seinem Geschehen – welcher Italo-Western war das abgesehen der ganz großen Ausnahmeerscheinungen nicht? -, es wirkt sicher nicht zufällig so, als sollte es nicht anders sein. Was diesen Film auszeichnet, ist seine exzellente, teilweise famose Inszenierung, die sich eher in kleinen Details äußert. Wie selbstverständlich wird die staubige, nihilistische Grundstimmung mit lakonischen, furztrockenen Mini-Jokes am Rande durchbrochen. Die Motivlosigkeit von Gut und Böse leicht hinterfragt um am Ende doch auf den unausweichlichen Konsens zu kommen, dass das Töten die einzige, logische Konsequenz bleibt im Tal der Gewalt, weil der von Natur aus schon wortkarge Protagonist hier ausschließlich auf taube Ohren stößt. Als man ihm winselnd zuhören will, ist es eh schon zu spät.


Der stetig in melancholische Sorgenfalten geknitterte Ethan Hawke (so kennt man ihn) gibt eine gute Figur ab, der kleine Knaller ist dafür John Travolta, dem das würdevolle Altern wesentlich besser steht als sein eine Weile betriebener, zwanghafter Still-Sexy-Wahn. Als knurriger Wendehals zwischen Leben-und-leben-lassen und Wer-später-schießt-ist-eher-tot – je nach dem, was die Situation erfordert – gefällt er weitaus besser als dieser alte Kerl, der sich immer noch die Haare färbt und die Plauze einzieht in der Hoffnung, dass es niemand sieht. In a Valley of Violence ist wunderbar einfach in seiner Ausrichtung und gleichzeitig so bestechend vorgetragen, das funktioniert einwandfrei, wenn man sich von falschen Wunderwerks-Ansprüchen lösen kann. Ti West gelingt dieses, der Zuschauer muss das für sich selbst entscheiden.

„Gott muss zusammengepackt haben und hier verschwunden sein.“

7 von 10 kalten Hundeschnauzen