Review: GEBOREN AM 4. JULI – Ein Patriot stemmt sich gegen Vietnam



Fakten:
Geboren am 4. Juli (Born on the Fourth of July)
USA. 1989. Regie: Oliver Stone. Buch: Oliver Stone, Ron Kovic (Vorlage). Mit: Tom Cruise, Raymond J. Barry, Kyra Sedgwick, Willem Dafoe, Caroline Kava, Josh Evans, Frank Whaley, Jerry Levine, Jaime Talisman u.a. Länge: 144 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die wahre Geschichte des Ron Konvic, der als Patriot in den Vietnamkrieg zieht, als Krüppel heimkehrt und zu einem Friedensaktivisten wird.





Meinung:
Führt man sich die inoffizielle Trilogie zum Thema Vietnamkrieg von Oliver Stone zu Gemüte, dann bemerkt man schnell, dass hier ein Filmemacher zu Werke geschritten ist, der voll und ganz versteht, was er dem Zuschauer zu vermitteln glaubt. Oliver Stone war selber an der Front, wurde zweimal verwundet und schleppte sich als Teil nationaler Desillusion zurück in die Vereinigten Staaten, wo die John Wayne-Ideologie, die Romantisierung des zweiten Weltkrieges und die passionierte Kommunistenhatz der Väter jener Heimkehrer brachlagen. „Platoon“, in dem Stone seine grauenvollen Erfahrungen zum ersten Mal filmisch verarbeitete, wurde trotz seiner kontroversen Tonalität mit hochkarätigen Auszeichnungen bestätigt und ging zu Recht als Meilenstein des (Anti-)Kriegskino in die Annalen der Kinematographie ein. Stone war es vor allem daran gelegen, die Sinnlosigkeit dieses Krieges als einen kräftezehrenden Marsch durch das Tal der Finsternis, auch für den Zuschauer gibt sich „Platoon“ als ein echter Höllentritt, zu manifestieren und jener Faszination des Krieges auf den Zahn zu fühlen.


In Vietnam erlebt Ron die pure Grausamkeit des Krieges
Bevor Stone dann in „Zwischen Himmel und Hölle“ von 1993 die riskante Beziehung zwischen einem Amerikaner und einer Vietnamesin dokumentierte, nahm er sich 1989 mit „Geboren am 4. Juli“ der Lebensgeschichte von Ron Kovic an, in dessen Entwicklung sich auch Oliver Stone persönlich reflektierte. Stone gliedert die Biografie des Ron Kovic in drei markante Abschnitte: Von der Kind– und Jugendzeit, über die Rekrutierung und den Einsatz wie Lazarettaufenthalt, bis hin zur Heimkehr. Dabei nimmt der Aspekt des Heimkehrers und seine Wandlung die größte Spannweite ein – zeitlich wie thematisch gesehen. Gut eine Stunde benötigt Stone dabei, um ein Vorstadtidyll wie aus dem Bilderbuch zu zeichnen, dass sich in seiner karikaturesken Kreation beinahe wie eine plakative Gesellschaftssatire lesen lässt und Ron Kovic (Tom Cruise) vom strömenden Regen in den Abschlussballsaal mit „Moon River“-Begleitung hetzen lässt um seiner Liebsten noch schnell einen dicken Schmatzer zum Abschied aufzudrücken. Danach geht alles Schlag auf Schlag: Kovic wird verwundet und landet als Krüppel in der menschenunwürdigen Pflegeeinrichtung – Doch er hält weiterhin an Vietnam und seiner Signifikanz fest.


Zwei Räder für den Frieden
Es wird schnell deutlich, dass Stones dramaturgische Methodik dem Reißbrett entsprungen sein könnte und die emotionale Stadien wie bei einem Malen-nach-Zahlen-Aquarell mit selbstbewussten, aber durchweg absehbaren Pinselstrichen durchführt. Sein Vorteil ist eben, dass er, trotz holzschnitzartiger Verzweigung der Psychologie seines Protagonisten, zum einen das immer Richtige postuliert und beabsichtig und zum anderen dabei eben auch fast durchgehend authentisch und ehrlich wirkt. Es wäre dennoch keine Lüge, würde man „Geboren am 4. Juli“ in seiner informalen Progression als schlichtweg banal bezeichnen. De facto krankt „Geboren am 4. Juli“ nun mal an seiner permanenten Banalität in Sachen Charakter-Entwicklung, mit Subtilität hatte es Stone ja ohnehin nur sehr, sehr selten – Aber er ist ein verdammt effektiver Filmemacher. Ist Kovic in seinem Rollstuhl wieder z  Hause angekommen und die emotionale Kontrastierung wie ihre Nachbeben im Lazarett, die damit beginnt, dass Vietnam wie ein fremder Planet im Nirgendwo koloriert wird, hinter sich gebracht, werden wir Teil, wie Kovic sich darin versucht, in seiner alten, ihm vertrauen, mit jugendlicher Unbekümmertheit verbundenen Heimat als neuer, gebrochener Mensch zu bestehen, sich von Neuem zu akklimatisieren.


In diesem Abschnitt, der quasi dritten Episode, gefällt „Geboren am 4. Juli“ am meisten, zeigt er doch die tiefe Erschütterung eines Landes, das sich in tiefster Verzweiflung wieder zusammenraufen muss und durch Ron Kovac, einem Einzelschicksal, einen universellen, ungemein wichtigen Appell herauskristallisiert. „Geboren am 4. Juli“ stützt sich dabei ganz auf die Schultern des noch blutjungen Tom Cruise, dessen Performance zwischen reinrassigem Overacting und tiefschürfendem Charakter-Porträt nach Lust und Laune flaniert. Die Botschaft hingegen changiert zu keiner Zeit zwischen einer zweifelhaften und akzeptablen Artikulation: Der immer schon politisch-motivierte Stone stemmt sich gegen Vietnam, er bäumt sich auf und spricht Tacheles. Besonders loben zu erwähnen ist dabei noch die Tatsache, wie Stone es gelungen ist zu entfalten, dass man durchaus Patriot sein darf und sich trotzdem gegen den Krieg, das Massengrab Vietnam, stemmen kann. Dass beides immer in Relation zueinanderstehen muss, also wer sein Land liebt, muss auch mit breiter Brust in den sicheren Tod ziehen, ist ein Irrglaube, mit dem Stone hier endgültig aufräumt.


7 von 10 verstopften Kathetern


von souli

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