Review: DER SCHAUM DER TAGE – Augsburger Puppenkiste à la Michel Gondry



Fakten:
Der Schaum der Tage (L’écume des jours)
Frankreich. 2013. Regie: Michel Gondry. Buch: Luc Bossi, Michel Gondry, Boris Vian (Vorlage). Mit: Romain Duris, Audrey Tautou, Gad Elmaleh, Omar Sy, Aissa Maiga, Charlotte Le Bon, Philippe Torreton, Natacha Régnier, Zinedine Soualem, Sacha Bourdo u.a. Länge: 94 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 13. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Das Leben scheint sonnig für Colin, denn der junge Mann lebt in Wohlstand in den Tag hinein und lässt es sich dabei an nichts fehlen: Musik, Geld und Frauen sind die drei Dinge, die ihn glücklich machen. Auf einer Party trifft der Junggeselle jedoch auf eine Frau, die ihm auf Anhieb den Kopf verdreht: Chloé. Für Colin steht fest, dass er mit dieser Frau seinen Lebensabend verbringen will und so macht er prompt Nägel mit Köpfen und bittet die bezaubernde Chloé schon bald nach dem ersten Treffen um ihre Hand. Doch das junge Glück wird früh getrübt, denn in den Flitterwochen befällt die Braut eine seltsame Krankheit: Eine Seerose hat sich in Chloés Lunge eingepflanzt. Ein Problem, auf das nicht einmal die besten Ärzte eine Antwort wissen.





Meinung:
Dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich Michael Gondry („Science of Sleep“) seinem literarischen Äquivalent Boris Vian widmen würde, der ähnlich verspielt wie Gondry die Möglichkeiten seines Mediums auszureizen wusste, um einen seiner in der französischen Heimat weitreichend umjubelten Romane auf die Leinwände dieser Welt zu projizieren, hat der in Versailles geborene Träumer schon an vielerlei Stellen durchsickern lassen. Mit „Der Schaum der Tage“, nichts weniger als ein Wunschprojekt, setzte Gondry sein langjähriges Vorhaben nun in die Tat um und adaptierte respektvoll Vians Debütroman „L’écume des jours“ beinahe Satz für Satz. Herzblut war es nicht, was Gondry in der Umsetzung fehlte, an der mangelte es dem Mann im Allgemeinen eh noch nie. Was „Der Schaum der Tage“ letztlich rigoros scheitern lässt, ist Gondrys Eifer, metaphorische Schauwerte zu modellieren, die den Fokus von den Charakteren lenken und „Der Schaum der Tage“ zu einer durch und durch gefühllosen, aber gewohnt ansehnlichen Angelegenheit macht.


Feuchte Küsse
Kann ein Film aufgrund von zu viel Innovationskraft untergehen, oder gilt die Maxime: Je mehr Kreativität, desto besser. „Der Schaum der Tage“ beweist, dass sich jede noch so originelle Idee irgendwann als abgenutzt erweisen muss, wenn sie im Gesamtkonzept einfach nicht mehr bewähren kann und es zu erdrücken droht, anstatt zu unterstützen. Die visionäre Begabung Gondrys definiert sich durch sein Geschick, surreale Schauwerte in eine ungemein sensible Dramaturgie einzuweben und sich in seiner Narration aber trotzdem nie zu streng auf eine der beiden Seiten konzentrierte. Sein Opus Magnum „Vergiss mein nicht!“ war ein Paradebeispiel dafür, phantastische Settings symbiotisch mit einer Liebesgeschichte zu verweben, wie sie feinfühliger nicht geschrieben hätte werden können. In „Der Schaum der Tage“ darf sich die gondry'sche Symbiose nicht zu Wort melden und während durchaus fähige, aber für den Ausgangspunkt der ersten Liebe viel zu alte Darsteller wie Roman Duris, Audrey Toutou und Omar Sy wie hölzerne Marionetten in den Seilen hängen, labt sich Gondry an der aberwitzigen Kreation seiner irrealen Welt, in der alles möglich scheint.


Mit Knetmasse, Wolle, Pappmaschee und dazugehörigem Stopp-Trick-Verfahren lässt sich „Der Schaum der Tage in seinen Animationen altmodisch lesen und gefällt als Rückbesinnung auf alte Tugenden in einem von CGI-Hochleistungen geprägten Zeitalter anfangs umso mehr. Wenn Gondry seine Charaktere aber nur noch wie auf einem Schachbrett von A nach B schiebt und sie immer genau da platziert, wo er zu den nächsten Effekterausch ausleben kann, werden nicht nur die Gefühle der Protagonisten außer Acht gelassen, die futuristische Welt im Retromantel verliert in der unablässigen und grobschlächtigen Reizüberflutung auch nach und nach ihren eigentlich unverkennbaren künstlerischen Wert. Vom liebenswerten Fantasten, der auch den Emotionen seiner Protagonisten Aufmerksamkeit schenkte und sie plastisch werden ließ, ist in „Der Schaum der Tage“ weit und breit keine Spur. Hier hantiert nur ein gewitzter Handwerker, der sich am absurden Überdruss seiner findigen Animationen reibt und es im Gegensatz zu Vian vergisst, die vitale und langsam ergrauende Umwelt zum Spiegel der Seele seiner Charaktere zu machen. In „Der Schaum der Tage“ darf nur geguckt werden, denn zu sehen gibt es nichts.


3 von 10 Küssen im Tunnel


von souli

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