Review: PRINCE AVALANCHE – Zweisame Reflexion in der verkohlten Stille



Fakten:
Prince Avalanche
USA. 2013. Regie: David Gordon Green. Buch: David Gordon Green, Hafsteinn Gunnar Sigurðsson (Voralge). Mit: Paul Rudd, Emile Hirsch, Lance LeGault, Joyce Payne, Lynn Shelton, Gina Grande u.a. Länge: 94 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 13. Februar 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Straßenarbeiter Lance und Alvin haben die ganze Straße vor sich. Auf dieser solle sie die nächste Zeit verbringen und neue Mittelstreifen ziehen. Während Lance den Job hasst und dem Wochenende entgegenfiebert, nutzt Alvin die Abgeschiedenheit um über sich und seine Beziehung nachzudenken. Dass sich Alvin und Lance irgendwann in die Haare bekommen ist da nur eine Frage der Zeit.





Meinung:
Nachdem sich David Gordon Green im filmischen Skopus des zotigen Klamauks der Marke 'Seth Rogen und Buddys' allem Anschein nach zu genüge ausgetobt hatte, musste schnellstmöglich ein Gegenentwurf der (post-)pubertären Kursionen verfasst werden, der den eigentlich ziemlich talentierten Amerikaner mal wieder so richtig fordern würde. So ist die Drehbuchdevise des im Independetkino aufgewachsenen David Gordon Green für seinen auf der Berlinale mit dem silbernen Bären ausgezeichneten „Prince Avalanche“ auch schnell als „Back to the roots“-Leitspruch zu identifizieren. Und natürlich, qualitativ ist das von Paul Rudd und Emile Hirsch wunderbar gespielte Kammerspiel im Freien auch in jedem Punkte eine klare, aber nicht gänzlich konterkarierende Steigerung gegenüber Werken wie „Your Highness“ oder auch „Bad Sitter“. Wenngleich sich das Remake das isländischen Erfolgs „Either Way“ die meiste Zeit sympathisch gibt, fehlt Green punktuell das letzte Quäntchen Feingefühl in der Handhabung seiner Charakteren.


Spaß bei der Arbeit
Skurril gibt sich die Synopsis von „Prince Avalanche“ ja schon irgendwie zu verstehen: Zwei Männer, irgendwo inmitten der nach einem verheerenden Waldbrandes noch bestehenden texanischen Wälder, sind dort dazu beauftragt, die gelben Fahrbahnmarkierungen Strich für Strich aufzufrischen. Punkt. Um den realen Hintergrund der Waldbrände von 1988, bei denen bis zu 17 Hektar von Mutter Natur bis heute ungeklärt in Flammen aufgingen, schert sich Green in seiner Übersetzung wenig, denn seine Interpretation der Vorlage von Hafsteinn Gunnar Sigurðssons ist nicht auf eine ökologisch-historische Botschaft erpicht, sondern dreht sich komplett um die Charaktere, ihre individuellen Disposition und das aus der Gegensätzlichkeit resultierende Zusammenwachsen: „Prince Avalanche“ thematisiert den Wert von Freundschaft und assoziiert diesen zwangsläufig mit dem elementaren Neuanfang auf mehreren Ebenen. Während Alvin (Paul Rudd) sich vorerst noch als Boss vor dem etwas einfacher gestrickten Gemüt Lance (Emile Hirsch) aufbaut, salbungsvolle Briefe an seine Freundin schreibt, die gleichzeitig Lance' Schwester ist und sich mit poetischer Rezitation ins rechte Licht rückt, vermisst Lance nur den Sex.


Lance hasst seinen Job und will nur eines: Wochenende
„Prince Avalanche“ lebt vorerst von diesen Diskrepanzen, füttert sie, will aber nicht mit banalen Mitteln mit ihnen hausieren gehen. Alvin genießt die Stille der Natur, sinniert über den Unterschied von Einsamkeit und Alleinsein und hört sich bei der monotonen Arbeit den Französisch-Sprachkurs auf Kassette an, um nebenbei immer auf seinen Kollegen Lance herabzublicken, der ja nicht mal weiß, wie man einen Fisch angelt oder einen echten Knoten bindet – Ein Versager, aber um seiner Freundin einen Gefallen zu tun, hat Alvin ihn in einer Gutmütigkeit eben mitgenommen. In Wahrheit, und das kehrt Green vorerst schön subtil ans Tageslicht, belächelt Alvin Lance nicht nur, es schwingt immer ein ganz leiser Unterton des Neids auf diesen Menschen mit, der sein Leben nach Lust und Laune gestalten kann; der in den Tag lebt, das Denken vielleicht nicht immer seinem Kopf überlässt, aber doch ein liebenswerter Kerl ist, den seine Erfahrungen eben noch nicht gänzlich in eine konkrete Richtung geprägt haben. „Prince Avalanche“ ist auch ein Film über Enttäuschung und über geteilten Schmerz, der zur Selbstfindung beiträgt und eben genau den erwähnten Neuanfang einleitet.


Alvin bei der Meinungsäußerung
Paul Rudd mit ungebremsten Schnauzer in der durchaus ernsten Rolle des Alvin, weiß endlich (wieder) durch neue Facetten in seinem Spiel zu überzeugen, während Emile Hirsch mit Lance die Umkehrung seines naturverbundenen Christopher McCandless aus Sean Penns „Into the Wild“ gibt und es eigentlich nicht sehnlicher erwarten kann, nach getaner Arbeit endlich wieder in die Stadt zu sausen und dort irgendwelche „Weiber klarzumachen“. Funktioniert das mal nicht, und lässt sich auch nicht einmal die 47-jährige Nachbarin flachlegen, wird das als verlorenes Wochenende verbucht und mit hängenden Schultern durch die Gegend geschlurft: Kein Fick, kein Lebensfreude. „Prince Avalanche“ erlaubt es sich hierbei, Hirsch zu oft auf diese Schiene treiben zu lassen und ruft damit unweigerlich Erinnerung an Greens vorherige Projekte, von denen er sich dann eben doch nicht voll abkapseln konnte. Hier es nur so, dass Hirsch nicht nur ein guter Schauspieler ist, er hat auch einen Charakter, der eigentlich über das Schemenhafte hinausgeht und dessen Wesenszüge – wie auch bei Alvin - nicht nur an einer Hand abzuzählen sind. Zweifelsohne ist „Prince Avalanche“ von einer leicht melancholischen Note gezeichnet, die sich mit dem amüsanten Ton abwechselt und einen narrativen Rhythmus erzeugt, der nicht nur zuletzt den Fotografien der Landschaft abzunehmen ist, aber in seiner Gliederung nicht immer gefällt.


Die feinen Aufnahmen der Flora und Fauna, unterlegt mit elegischen Klängen, suggerieren eine Tiefe, die der Film in dieser plakativen Form nicht nötig gehabt hätte und deutet sich darin beinahe als doch fragwürdiger Selbstzweck, schafft es aber immer wieder rechtzeitig, einen despektierlichen Eindruck von Prätention zu umschiffen. Ähnlich wie die Frau im Wald, die zwar eine nette Interpretation ihrer Person zulässt, wenn sie in den Überresten ihres vom Feuer verschluckten Hauses wühlt und es eigentlich die Asche ihrer selbst ist, die sie dort wiederfindet, aber der Geschichte in Wahrheit rein gar nichts bringt. Und auch wenn manche Gags nicht zünden und deplatziert wirken, ist „Prince Avalanche“ eine schöne, menschliche Charakter-Studie, die oft den richtigen Ton trifft und allgemein eher zum Schmunzeln, als zu den großen Schenkelklopfern animieren möchte. Ein im Großen und Ganzen angenehmer Film.


6 von 10 multifunktionellen Armbanduhren


von souli

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