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Review: DAME, KÖNIG, AS, SPION - Die Bürokratie der Geheimnisse

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Fakten:
Dame, König, As, Spion (Tinker, Tailor, Soldier, Spy)
UK, Frankreich. 2012. Regie: Tomas Alfredson.
Buch: Bridget O’Connor, Peter Straughan, John le Carré (Vorlage). Mit: Gary Oldman, Mark Strong, John Hurt, Benedict Cumberbatch, Toby Jones, David Dencik, Ciarán Hinds, Colin Firth, Kathy Burke, Stephen Graham, Arthur Nightingale, Simon McBurney, Zoltán Mucsi, Péter Kálloy Molnár, Ilona Kassai, Imre Csuja u.a. Länge: 127 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
England, Anfang der 70er Jahre: Der britische Geheimdienstchef, von allen nur Control genannt, vermutet einen sowjetischen Doppelagenten in den eigenen Reihen und schickt daher den Agenten Jim Prideaux in geheimer Mission nach Budapest. Was dabei als Informationsaustausch geplant war, welcher die Identität des Verräters enthüllen sollte, endet jedoch in einem Desaster. Kurz darauf wird Control entmachtet und der pensionierte Top-Spion George Smiley wird überraschend wieder aktiviert, um den Auftrag fortzuführen. Gemeinsam mit dem jungen Peter Guillam macht er sich so daran, den Verräter in den eigenen Reihen ausfindig zu machen. Doch was als relativ einfache Mission beginnt, entwickelt sich schnell zu einem tödlichen Katz- und Mausspiel, bei dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Wer ist letztlich der Verräter im inneren Zirkel des britischen Geheimdienstes und welche Rolle spielt der geheimnisvolle Agent Ricki Tarr, der ebenfalls auf Mission in Budapest war? Das Spiel um Täuschung wie Verrat beginnt…





Meinung:
Hört man die Begriffe England und Geheimdienst assoziiert man wohl automatisch James Bond. Nun, wer mit dieser Erwartungen an die Verfilmung des Romans von John le Carré herangeht, kann nur enttäuscht werden, denn großes Buhei, exotische Schauplätze und irrwitzige Aktionen sucht man bei „Dame, König, As, Spion“ vergebens. Trotz allem ist der Film des Regisseur Tomas Alfredson, der bereits mit seiner ersten Literaturverfilmung „So finster die Nacht“ Großes schuf, ein cineastischer Schatz. Ein grandioser Film und ein Highlight des Spionage-Genres. Tomas Alfredson führt uns Zuschauer in die Welt des britischen Geheimdienstes, zurzeit des Premierministers Edward Heath, 1973, ein. Dabei verzichtet der schwedische Regisseur auf typische, romantisierte Muster der Ermittlungsdienste. Alle Charaktere, die der Film präsentiert, sind vielschichtige, menschliche Mikrokosmen. Es ist packend dabei zu zusehen, wie sie agieren, wie sie empfinden und wie sie versuchen in dem Strudel aus Verrat, Geheimnissen, Gefahr und Anschuldigungen zu Recht zu kommen. Das erfordert von einem aber absolute Konzentration. Jede kleinste Geste, jeder kurze Blick könnte etwas bedeuten.


Lacht selten: George Smiley
Die durch und durch komplexe Handlung ist ebenfalls ein Faktor, der den Film großräumig erscheinen lässt und jede Unachtsamkeit  von Seiten des Publikums kann die Verständlichkeit empfindlich stören. Doch die bedingungslose Aufmerksamkeit lohnt sich. „Dame, König, As, Spion“ entwirft eine solch realistische und authentische Welt, wie sie nur selten in Werken rund um Spione und Geheimdienste zu sehen war. Der filmische Umgang mit den Figuren verfestigt diese Wirkung. Echte Helden gibt es hier nicht. Die Taten der Agenten sind meist triste, düstere Aufträge jenseits von astralem, heroischem Ruhm.  Regisseur Alfredson zeigt uns die Bürokratie der Geheimnisse und die findet nicht nur in schmutzigen Hinterzimmern mit ominösen Schattenmännern statt, sondern auch auf, bzw. hinter den Schreibtischen landestreuer, meist älterer Herren. Seine Komplexität generiert der Film nicht nur durch seine Vielschichtigkeit seiner Figuren, sondern auch durch seine narrative Struktur. Ohne Dekrete schickt uns Alfredson in die Vergangenheit, beleuchtet frühere Aktionen ohne es dabei eilig zu haben. Aber auch hier hat alles einen Sinn, eine Bedeutung und hilft dabei die Suche nach dem Maulwurf im Inneren des Circus (so wird der Geheimdienst intern im Film genannt) noch fesselnder und vor allem reizvoller zu gestalten.


Handelt es sich hier bei wirklich um ein Opfer?
Ohne ein herausragendes Ensemble wäre dies alles aber wohl nicht möglich, aber „Dame, König, As, Spion“ besitzt ohne Zweifel eine Darstellerriege der Extraklasse. Gary Oldman, der hier in die Fußspuren des legendären Alex Guinness tritt, der in der gleichnamigen Mini-Serie der BBC von 1979 ebenfalls George Smiley spielte. Oldman, zuletzt eher in Bombast-Produktionen zu sehen die sein darstellerisches Talent eher marginal herausforderten,  liefert hier neben seiner Performance als drogensüchtiger Bad-Cop aus „Léon – Der Profi“ vielleicht die beste Leistung seiner Karriere ab. Sein George Smiley ist ein kühler Denker. Ein stiller Beobachter mit einer außergewöhnlichen Tiefe. Ihnen als Sympathieträger zu bezeichnen wäre unpassend, denn ob Smiley nun ein Vaterlandsfreund ist oder einfach nur seine Chance nutzen will um innerhalb der Geheimdienst-Hierarchie aufzusteigen wird nie richtig geklärt. Wie die meisten Charaktere im Film, hat dieser George Smiley kein Geheimnis, nein, er selbst ist eines. Wir, die Zuschauer müssen selber herausfinden was im Kopf dieses spröden Mannes mit den dicken Brillengläsern vorgeht. Dass ist so faszinierend wie hochspannend.


„Dame, König, As, Spion“ ist ein Meisterwerk. Mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art, seinem apodiktischen Umgang mit dem Mythos des kalten Krieges und der Geheimdienstarbeit  entfacht der Film eine so unaufgeregte, aber innerlich dennoch brodelnde Spionage-Geschichte, die glänzend erzählt und ausnahmslos superb gespielt ist. Massives Kino ohne epochale Verwöhnungen und falschen Pathos. Ein Film, der stur und stilsicher, von seinen eigenen Qualitäten überzeugt, seiner Handlung und seinen Figuren folgt. Der Zuschauer wird dabei zwar nicht an die Hand genommen und sachte sowie instruktiv geführt, aber auch das ist attraktiv. In Zeiten, in denen selbst große Blockbuster, trotz simplen Prämissen, das Publikum mit Erklärungen überschütten, ist „Dame, König, As, Spion“ eine wirklich willkommene und höchst meisterliche Abwechslung.


10 von 10 gelben Zetteln an der Aktentasche

Review: DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN - Nacktheit, Gier und seltsame Wesen

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Fakten:
Das Märchen der Märchen (Il racconto dei racconti)
IT/F/UK. 2015. Regie: Matteo Garonne. Buch: Edoardo Albinati, Ugo Chiti, Massimo Gaudioso, Mattero Garrone, Giambattista Basile (Vorlage). Mit: Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, John C. Reilly, Massimo Ceccherini, Stacy Martin, Shirley Henderson, Bebe und Jessie Cave u.a. Länge: 128 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 14. Januar 2016 auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
In drei Geschichten erzählt der Film vom Hochmut vor dem Fall. Salma Hayek möchte unbedingt ein Kind, Vincent Cassel möchte nichts mit hässlichen Frauen zu tun haben und Toby Jones möchte seiner Tochter einen netten Ehemann finden.




Meinung:
Filme, die mehrere separate und unabhängige Episoden erzählen, stoßen immer wieder auf die gleichen Probleme. Erstens darf der qualitative Unterschied der einzelnen Stränge nicht zu groß ausfallen - sonst leidet das Gesamtbild, wie zum Beispiel bei „German Angst“. Zweitens sollten die verschiedenen Geschichten nicht zu unterschiedlich sein, sondern zumindest in ihrem Kern eine ähnliche Lehre haben und sich so miteinander ergänzen. Und drittens sollten die verschiedenen Geschichten - paradoxerweise - nicht zu ähnlich sein, sonst ergänzt sich da gar nichts, dann entstehen bloß redundante Minuten, die man hätte wertvoll nutzen können. All das merkt der Zuschauer, sei es nur unterbewusst, wenn sich am Ende nicht das gesättigte Gefühl einstellt, das ein „runder“ Film nach sich zieht.


Märchenhafter Einrichtungsgeschmack
Matteo Garonne („Gomorrha“) verbindet in „Das Märchen der Märchen“ drei bekannte Geschichten in drei Handlungssträngen miteinander. Sie alle handeln von den großen Themen des Dramas. Von Sehnsucht, Gier, Neid, dem (sündigen) Verlangen nach mehr, der Ignoranz, dem Hochmut. In der ersten Geschichte sehnt sich die Königin von Longtrellis (gespielt von Salma Hayek) danach, endlich ein Kind zu bekommen. Ein Wunsch, den sie wohl schon lange hegt, sie scheint unfruchtbar zu sein. Der Film beginnt mit Gauklern, die sie und ihren Mann unterhalten soll. Der (John C. Reilly) amüsiert sich auch köstlich und schaut immer wieder zu seiner Frau, auf der Suche nach Bestätigung. Sie erwidert den Blick nicht, sie lacht nicht. Selbst die Gaukler am Hofe sind im Stande, Kinder zu bekommen. Sie fühlt sich nicht amüsiert, sie fühlt sich verhöhnt. Sie erwidert den Blick nicht; später wird sie die Rolle ihres Mannes und ihr Sohn ihre Rolle einnehmen. Später wird sie das Herz eines Seemonsters essen, um endlich ein Kind gebären zu können. Sie wird ein Leben nehmen und ein Leben opfern, um Leben schenken zu können. Sie wird ihr Zuhause verlieren, um sich ein neues Zuhause aufbauen zu können. In ihrer blinden Sehnsucht merkt sie gar nicht, was sie alles verliert, wie sie sich verläuft - bis sie in einer Sackgasse landet und geschlagen umkehrt.


Auch im Märchen gilt: Keine Nippel!
Die bittere und rücksichtslose Zerstörungssucht der Privilegierten und menschlichen Wesen im Allgemeinen bringt Garonne exemplarisch zum Ausdruck und auch hier findet sie erst ein Ende, wenn sich das Blatt des Schicksals wendet und die Menschen, die den niedersten Reizen erliegen, daran zu Grunde gehen. Die Gier und der Hochmut führen in allen drei Geschichten zum Verderben. Sei es durch die eigene Hand oder die der anderen. Entweder lauert am Ende der Reise der körperliche Zerfall, der moralische Zerfall oder eine Mischung aus allem. Mit Selbstverstümmelung, „Kannibalismus“ und all der Gewalt kommt der Film mächtig eindeutig in seiner metaphorischen Bedeutung daher. Und hier ist auch der Moment, da der Bezug zur Einleitung hergestellt wird. Während die Handlungsstränge zwar noch auf einem sehr ähnlichen qualitativen Niveau anzufinden sind (vor allem optisch ist das schlicht herausragend), besteht das Problem, dass die drei Stränge des Films hintergründig viel zu ähnlich sind. Da wird das Gleiche auf eine äußerlich andere Art und Weise gezeigt. Die Form ändert sich, der Inhalt bleibt gleich. Dadurch entsteht eine Menge Leerlauf. Wiederholungen häufen sich und der Blick auf die Uhr bleibt nicht aus. Der Film verliert durch die Redundanzen eindeutig an Kontur und wirkt mit der Zeit wie eine Schallplatte, die springt, sodass die gleiche Stelle immer und immer wieder ertönt.


Matteo Garonnes erster englischsprachiger Film „Das Märchen der Märchen“ kann sich wahrlich sehen lassen. Rein visuell betrachtet ist dieser Film von Sekunde 1 bis zum Ende des Abspanns ein Wohlgenuss für die Augen. Die Bilder sind von einmaliger Schönheit, die Kulissen und Kostüme wahrlich herausragend. Garonne überzeugt, er verzaubert. Er lullt den Zuschauer ein und lässt ihn Zeuge der fantastischen Momente und Bilder werden - und lässt sich dabei nicht lumpen, auch die großen Meister anzupeilen. Kubrick, Burton und Bergman tauchen da auf die ein oder andere Art und Weise auf. Leider ändert das nichts daran, dass der Film sich nach einer Weile nur noch selbst wiederholt und zustimmt. Die verschiedenen Geschichten sind auf einmal gar nicht mehr so unterschiedlich, sondern erzählen ein und dasselbe, nur in anderen Kostümen. Da bleibt der Film ganz weit hinter seinen Möglichkeiten zurück und enttäuscht doch gewaltig. Nicht falsch verstehen; „Das Märchen der Märchen“ ist weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein. Der erhoffte und richtig gute Film ist er aber auch nicht geworden.


6 von 10 nackten Stacy Martins


von Smooli

Review: CAPTAIN AMERICA – THE FIRST AVENGER – America, Fuck Yeah!

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Fakten:
Captain America – The First Avenger
USA. 2011. Regie: Joe Johnston.
Buch: Steven McFeely, Christopher Markus. Mit: Chris Evans, Hayley Atwell, Hugo Weaving, Tommy Lee Jones, Sebastian Stan, Stanley Tucci, Toby Jones, Neal McDonough, Domenic Cooper, Natalie Dormer, Kenneth Choi, Richard Armitage, Samuel L. Jackson u.a. Länge: 125 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Klein, mickrig aber voller Mut und Tatendrang: Steve Rogers, versucht sich verzweifelt als Soldat bei der Armee zu bewerben, doch der schmächtige Mann wird einfach nicht genommen. Der Wissenschaftler Dr. Erskine entdeckt  in ihm aber die Courage eines großen Kämpfers und so macht er ihn zum größten amerikanischen Streiter: Captain America.





Meinung:
Dass es sich diverse Marvel-Helden nicht haben nehmen lassen, sich in so manch schwerwiegendem Kapitel der reellen Menschheitshistorie einzumischen, um in diesen dann nach Belieben herumzupfuschen, ist ja keine sonderliche Überraschung mehr. Da der Marvel-Kosmos doch geradewegs in unser Universum installiert wurde, besteht eben beispielsweise auch die abstruse Möglichkeit, Magneto aus der „X-Men“-Saga konspirativ des Mordes an John F. Kennedy zu bezichtigen. Seltsam hingegen wird es, wenn wir uns auf einem Terrain bewegen, in dem es nicht mehr um den primär phantastischen Charakter der Comic-Vorlage geschert wird und das Wildern in den Geschichtsbüchern keiner handlungsorientierten Kontextualisierung unterliegt, sondern einer felsenfesten Ideologie Auftrieb zu verleihen glaubt. Mit „Captain America – The First Avenger“ bekommen wir es mit einem solch eher zwiespältig zu bewertenden Fall zu tun. In den 1940er Jahren ins Leben gerufen, basiert die Figur von Captain America auf einer rein propagandistischen Absicht, was bezüglich einer zeitgemäßen Interpretation natürlich viele Fragen aufwirft.


Noch nur für die Kriegsanleihen unterwegs: Captain America
Die entscheidendste davon ist wohl: Kann man diesen ungefilterten Nationalstolz wirklich immer noch so ungebremst auf ein im Hier und Jetzt angekommenen Massenpublikum eindreschen lassen, wenn man sich schon auf die Ursprünge der Figur rückbesinnen möchte. In dieser massiven Aufmachung, wie er noch im ersten Heft von 1941 in Erscheinung getreten ist, sicherlich nicht. Überraschend aber ist, dass die Verantwortlichen hinter „Captain America – The First Avenger“ offensichtlich eine andere Meinung hatten. Captain Americas Funktion war es, dem Volk der Vereinigten Staaten Mut zu machen, was ja keineswegs verwerflich war, aber er war genauso dafür verantwortlich, die Aversionen gegenüber längst existenten und grundierten Feindbildern weiterhin zu schüren. Dass er als Personifizierung von amerikanischen Idealen auch äußerst effektiv zu Werke geschritten ist, muss hier wohl kaum noch bekundet werden. Und nun transferiere man diese Figur in die heutige Zeit und setze sie nicht der republikanischen Anhängerschaft, sondern dem deutschen Konsumenten vor die Augen - Eine gerümpfte Nase ist da wohl die noch mildeste Reaktion.


Im Team gegen Nazischweine
Wie würde man wohl reagieren, wenn Deutschland sich an die Arbeit macht, eine Comic-Figur jener Tage auf die Leinwand zu projizieren, die den Zweck erfüllen sollte, den von Adolf Hitler propagierten Antisemitismus zu potenzieren? Vielleicht mag der Vergleich in seiner Verhältnismäßigkeit etwas hinken, fragwürdig aber ist „Captain America – The First Avenger“ in seiner patriotischen Strahlkraft zweifelsohne. Es wäre die deutlich klügere Maßnahme gewesen, den kritischen Subtext der späteren Comics wohldosiert zu übernehmen – Oder das Gezeigte dann und wann mit einer klaren Selbstironie zu brechen. Dass Captain America (Chris Evans) es nicht schafft, ein Date mit seiner Flamme Peggy Carter (Hayley Atwell) klarzumachen, relativiert den florierenden Nationalismus wohl kaum. Es ist ja nicht so, als würde sich „Captain America – The First Avenger“ als handfeste Rekonstruktion damaliger Gegebenheiten definieren, er entpolitisiert sein Szenario schon dadurch, wenn er die SS-Nebengruppierung „Hydra“ und ihren Anführer Johann Schmidt (Hugo Weaving) zum Feindbild erklärt. Mit dem lachhaften knallroten Totenkopf allerdings ist Schmidt ein wenig wirkungsvoller Antagonist.


Das Problem von „Captain America – The First Avenger“ liegt eben darin begraben, dass er es tunlichst vermeidet, den Personenkult um seinen muskulösen Helden zu hinterfragen. Wenn Steve Rogers zu Anfang noch als der gebrechliche Hänfling auftritt und in seiner pathologischen vaterländischen Blindheit immerzu daran scheitert, sich in den Kriegsdienst einschreiben zu lassen, dann besitzt das eine gewisse Tragik. Einer solchen entbehrt sich der Film dann, wenn Steve zum Captain mutiert und sich in sein Handlungen permanent feiern lässt. Darüber hinaus leidet „Captain America – The First Avenger“ an einem mühseligen Pacing, versprüht dann und wann gekonnt seinen toll bebilderten Retro-Charme, muss sich aber gefallen lassen, als leidlich spannendes und wenig spektakuläres Unterfangen gewertet zu werden, egal wie exzessiv hier auch mit der Pyrotechnik hantiert wurde. Technisch größtenteils makellos, ist „Captain America – The First Avenger“ genau das propagandistischen Kaspertheater, das er zwischenzeitig in einem Anflug (selbst-)ironischer Inkompetenz aufs Korn zu nehmen glaubt. Wer ideologische Fragwürdigkeiten ausblenden kann, der wird wohl zwei mehr oder wenige unterhaltsame Stunden mit dem All-American-Dreamboy erleben.


3,5 von 10 hochgereckten Armen


von souli

Review: BERBERIAN SOUND STUDIO – Von zermatschten Melonen und geköpften Radieschen

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Fakten:
Berberian Sound Studio
UK. 2012. Regie und Buch: Peter Strickland.
Mit: Tony jones, Fatma Mohamed, Cosimo Fusco, Tonia Sotiropoulou, Susanna Cappellaro, Antonio Mancino, Guido Adorni u.a. Länge: 92 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 4. April 2014 auf DVD erhältlich.


Story:
Toningenieur Gilderoy soll in einem italienischen Studio, zurzeit als der Giallo seine Glanzzeit hatte, den neuen Horrorfilm von Regisseur Santini vertonen. Der introvertierte Gilderoy vertieft sich dabei immer mehr in seine Arbeit und beginnt nach und nach die Fiktion des zu vertonenden Films mit der Realität zu verwechseln.





Meinung:
Dass der Giallo in den 1970er Jahren Hochkonjunktur feiern durfte und dem heutigen Kinogänger kaum noch ein Begriff ist, lässt weder den Geek in Schockstarre fallen, noch ist diese Tatsache für den Cineasten im Allgemeinen eine Überraschung. Dieser italienische Stil respektive dieses Subgenre (die elendige Debatte über den korrekten Terminus soll an dieser Stelle weiträumig umgangen werden), welches sich ganz der ästhetischen Formelhaftigkeit, der markanten Lichtsetzung, der ausgeklügelten Farbdramaturgie, den anmutigen Kamerafahrten, dem phallischen Mordinstrument, anstatt einer pointierten Storyline, verschrieb, fristet ihr Dasein inzwischen als höchstfaszinierendes Relikt in den Köpfen fachkundiger Zeitgenossen. Hin und wieder allerdings bekommt der Giallo dahingehend noch einmal die Ehre erwiesen, dass sich junge Filmemacher daran versuchen, diesem auch in der Gegenwart als leiser Reanimationsversuch Tribut zu zollen: „Amer“ von Hélèna Cattes beispielsweise, oder auch der deutsche Vertreter „Masks“ von Andreas Marschall. Vom stilistischen Ideal eines Dario Argento („Profondo Rosso“) oder auch eines Maria Bava („Blutige Seide“) muss jedoch weiterhin sehnsüchtig geträumt werden.

 
Es geht doch nichts über einen frischen Schrei
Wer sich, und das ist natürlich absolut nachvollziehbar, nicht unbedingt für den reinen Exploitationsfilm, seine populären Motive und schlüpfrigen Charakteristiken begeistern kann, der bekommt mit Peter Stricklands auf mehreren Ebenen funktional agierenden „Berberian Sound Studio“ einen interessanten Blickwinkel auf das Thema Giallo offeriert. Alles fängt an mit dem britischen Foley Artist Gilderoy, ein vorzüglicher (Re-)Produzent von Geräuschen, in der Heimat vornehmlich für idyllische Naturfilme tätig. Sein Ruf aber eilt ihm bis in den Süden nach Italien voraus, wo Gilderoy zu seiner Überraschung nicht für die Vertonung eines Pferdefilms engagiert wird, sondern für einen reinrassigen Giallo. Ein Metier, von dem sich der introvertierte Brite schon allein aus moralischer Sicht Zeit seines Lebens bewusst fern zu halten versuchte. Nun findet sich der um Etikette bemühte Mitfünfziger in einer Welt wieder, die ihm nicht nur aufgrund der projizierten Bilder von Tod und Grauen fremd erscheint, sondern auch durch das Umfeld, in dem die Sprachbarriere im Laufe der Arbeit noch das kleinste Problem darstellen wird. Und das merkt man als Zuschauer bereits in den ersten Minuten, wenn die „SILZENZO“-Anzeige am Eingang des Tonstudios im diabolischen Rot intervallartig aufleuchtet.


Gilderoy bei der Arbeit
Dieser eigentlich unauffällige Jedermann Gilderoy wird von Toby Jones zum Leben erweckt. Jones, der immer und überall überzeugt, allerdings nur zur B-Riege der Schauspieler gehört, zeigt hier, zu welch nuancierter Darstellung er auch in einer Hauptrolle fähig ist – Wenn man ihn denn lässt. Ohne theatralische Gesten, in seiner Introspektion aber ausdrucksstärker als so mancher hochbezahlter Superstar, fährt Jones die großen Geschütze subtiler Performancekunst auf und verbleicht psychologisch langsam im hermetischen Raum des Studios, in der sich Realität und Fiktion zunehmend jeder Differenzierung verschließen. „Berberian Sound Studio“ verzichtet darauf, den Zuschauer Teil des Giallos
Il Vortice Equestre” zu werden und baut somit das elementare Fundament eines jeden guten Horrorfilms auf: Die Schreie auf der Tonspur, die Gesichter der Synchronsprecher rücken in den Fokus, während sich Gewalteskapaden nur durch unsere Vorstellungskraft entfalten dürfen: Horror entsteht im Kopf und entzieht seine suggestive Potenz aus dem Unsichtbaren, dem Verborgenen, dem Nebulösen. Natürlich spielt „Berberian Sound Studio“ da auch wieder mit unseren Urängsten, mit einer Präsenz, die fühlbar, aber nicht eindeutig zu dechiffrieren scheint. Das verrauchte Tonstudio, die Chauvis, die Damen, der Brite. Sie alle versinken langsam im Sumpf der individuellen Wahrnehmung.


Wenn sich die schwarzen Handschuhe langsam vom unteren Rand in das Bild schieben, dann grinst der Giallo-Liebhaber. Wenn Melonen, Radieschen, Auberginen und Kopfsalate zu Gunsten des perfekten Sounds manisch massakriert und zerrupft werden, dann ist das nicht nur auf bizarre Art und Weise amüsant, es ist gleichwohl Hofknicks vor der Nostalgie des Kinos, aber auch Mahnmal vor der Kraft der Illusionen, denen Gilderoy höchstpersönlich verfällt: Willkommen im Reich der Täuschungen. „Berberian Sound Studio“ definiert sich dabei als Referenzfilm und Hommage mit all seinen offensichtlichen und versteckten Querverweisen. Gleichwohl inszeniert Strickland – lyncheske Schlüsselassoziationen hin oder her – einen autarken Psychotrip, der mit unserer auditiven wie visuellen Resonanz spielt, Ohren spitzt, Augen schärft, die Sinne sensibilisiert, natürliche Reaktionen auf das Unbestimmte, das Mysteriöse erweckt und den Zuschauer am Ende dann doch alleine lässt: Ein Vexierspiel, dessen knisterndes Zelluloid kein Zufall bedeutet. Wie man „Berberian Sound Studio“ nun auch lesen und intereptieren möchte, ist jedem selber überlassen. Sich dieser ungemein stimulierenden atmosphärischen Sogwirkung zu entziehen, trotz der gebrochenen Kohärenz in der Narrative, das grenzt schon an Kunstverachtung des Mediums. Eine schaurige Ode an die verfängliche Kunst der Akustik, der es zu verfallen gilt.


8 von 10 Pfaden in das flackernde Licht


von souli