Fakten:
La
La Land
USA.
2016. Regie und Buch: Damien Chazzelle. Mit: Ryan Gosling, Emma
Stone, Rosemarie DeWitt, J.K. Simmons, Callie Hernandez, Amiée Conn,
Terry Walters, Thom Shelton, Cinda Adams, Jessica Rothe, Sonoya
Mizuno, Claudine Claudio, Jason Fuchs, D.A. Wallach, Trevor Lissauer,
Olivia Hamilton uvm. Länge: 126 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Ab 12. Januar 2017
im Kino.
Story:
Im
Fokus der Handlung von La La Land stehen zwei hoffnungslose Träumer:
Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling). Sie versucht sich als
Schauspielerin in Los Angeles einen Namen zu machen, leidet aber
stark unter ihrer großen Einsamkeit. Der charismatische Jazz-Pianist
arbeitet ebenfalls an seiner Karriere. In dem jeweils anderen
erkennen beide eine Person, die genau wie sie selbst den Wunsch hat,
nur das zu praktizieren, wofür ihr Herz schlägt. So schnell wie die
beiden sich auch in einander verlieben, ist die Beziehung in der
harten, vom Konkurrenzkampf geprägten Atmosphäre der Stadt jedoch
von Anfang an keine leichte. Immer mehr Probleme ergeben sich, als
der Erfolg sowohl von Mia als auch von Sebastian ein Level erreicht,
das ihre Liebesaffäre immer mehr in Mitleidenschaft zieht. Auf
einmal droht das zunächst verbindende Element ihrer Träume, sie
auseinander zu treiben.
Kritik:
Nach
nicht mal drei Spielfilmen bekräftigt Damien Chazelle vollends
seinen Status als jenes neue Wunderkind unter den Filmemachern, das
seine Kunst als Zwang versteht. Klar, bei „Whiplash“, dem
Durchbruch seinerseits, waren Publikum wie Kritiker mehr oder weniger
aus dem Häuschen, von der Energie und Leidenschaft des Jazz
gefangen, der sich in dem Fall blutig schlug, um im eigenen Anspruch
des Meister-Status ankommen zu können. Meiner einer war zu jener
Zeit ebenso überzeugt - weit weg von einer potenziell regressiven
Ideologie des Jung-Auteurs -, ein Gleichnis zur künstlerischen
Ambition sowie dem beständigen Ehrgeiz derer erhalten zu haben. Mit
„La La Land“ jedoch kristallisiert sich allmählich heraus, wie
Chazelle jene Impulse vom Menschsein trennt, letzterem noch ein Stück
weg ambivalent hinterher trauert, seine Charaktere schließlich aber
in der Abkopplung sogar aufgehen lässt. Realität und Fantasie
gehören in seiner Vision von Los Angeles ohnehin getrennt,
unvermeidlich aufeinander aufgebaut und doch ein Kreislauf der
Enttäuschungen, wenn beliebte Anlaufstellen des Showbiz hier erneut
aufgewärmt werden, konstruiert platt auf die Vergänglichkeit der
Ideale hinweisen, gerne auch mit diesen kokettieren, sich aber im
Karriere-Kickstart genauso oberflächlich auf den real struggle der
Traumerfüllung berufen - „Swingers“ lässt grüßen. Dabei fängt
sich das Prozedere anfangs noch eine Huldigung zum Eskapismus ein,
die einen dramaturgisch sinnvollen Weg der Hürdenläufe Richtung
Erfolg mit Versüßungen abschließen sollte, echte Katharsis aus der
Wunscherfüllung schöpfen könnte, ebenso Liebe, Einigkeit,
Bekenntnis zum Gefühl, Herzschmerz und Spaß fürs gerne mehr als
traumhafte Vermengen aus Mensch und Umwelt – halt wie in einem
echten Musical. Stattdessen durchzieht den Film eine Bitterkeit, die
sich vor allem am (wohlgemerkt an erster Stelle eingeführten)
Protagonisten Sebastian (Ryan Gosling) abzeichnet, der nach einem
Intro ausgelassener Tanz-, Gesangs- und Steadicam-One-Shot-Freuden
auf dem Freeway die Hupe durchdrückt, um auf der Straße wie im
Leben endlich voranzukommen.
Als
linke Variante eines Abgehängten erreicht er den grünen Zweig aber
auch insofern schon nicht, da er sich als angehender Top-Pianist bei
der Berufsakquise ausschließlich mit „purem Jazz“ brüsten will,
während die Welt hier schon längst in einer vagen Mash-Up-Phase
hängt, vom Fortschritt her ausgerechnet gründlichst kacke klingt
und so auch von Sebastian hämisch begutachtet wird, wenn er auch
schon post-ironisch in eigener Soße schmollt. An einem kulturellen
Schmelztiegel wie L.A. scheint der Film doch ein Stück weit zu
verzweifeln, aiaiai. Mia (Emma Stone) geht es da nicht anders mit dem
Blick hoch zur Schauspielkunst, die dafür in mickrigen Castings
unterkommt und binnen des Café-Latte-Nebenjobs unzufriedene Kunden
bedienen muss. Allerdings liegt letztere Tätigkeit mitten im
Warner-Bros.-Backlot, eben umringt von beschaulichen Kulissen binnen
der Fassade vergangener Tage, weshalb der Film auch nicht umhin
kommt, dem Retro-Charme aufzulauern, sprich den enthusiastischen
Ausdruck via Technicolor, Cinemascope, 35mm sowie fulminanter
Orchestration des Justin-Hurwitz-Scores zu emulieren, als wären
Jacques Demy und Fred Astaire wieder in the house. Nostalgie, ach ja
– inzwischen vielleicht ein inflationäres Marketing-Tool, für
Chazelle trotz allem Pessimismus noch die profunde Schönheit
schlechthin, die einen Blick zurück motiviert, in der Kombi mit der
Gegenwart so recht natürlich im Herzen ankommen kann und zuckersüß
für ein transzendentales Verständnis der Belange eben dessen
einstehen will. Folglich lässt es dann auch noch der klassischen
Romanze wegen Sebastian und Mia aufeinander treffen, obwohl beiden
der existenzielle Schmerz von der Decke hängt. Weil Chazelle seine
Figuren dabei aber eher als Funktionsträger versteht und eine
Unvereinbarkeit voraussieht, was Erfolg und Glückseligkeit angehen,
schleichen sich dort schon frühe Anzeichen hinein, wo sich jeder
Zauber nur kurzzeitig ins Larger-than-Life-Format hineinsteigern
kann, ehe der Pathos zum Reality Check (siehe allein Sebastians Thema
„City of Stars“) das Miteinander erheblich verkompliziert.
Beim
ersten gemeinsamen Stepptanz z.B. fällt schon auf, wie sehr sich der
Regisseur und seine Darsteller regelrecht abmühen, dem Old Hollywood
zu entsprechen; keine Leichtigkeit evozieren, weil sie den
Charakteren schon nicht vergönnt ist, die den magischen Realismus
eben auch nur als Vorwand ihrer verzweifelten Hoffnung wegen
einsetzen. Natürlich sieht das trotzdem ansprechend kadriert und
farbenfroh aus, wie die von Haus aus charmante Paarung von Gosling
und Stone ohnehin schon schwärmerische Erwartungen ins Narrativ
implantiert sowie teilweise erfüllt: Händchenhalten im Kinosaal,
ein herrlicher Tanz über den Wolken, Wertschätzung des Jazz als
universelle Sprache, gegenseitiges Unterstützen im pursuit of
happiness (für sie: ein eigenes Theaterstück; für ihn: eine eigene
Bar). Je näher man aber an die jeweiligen Ziele herankommt, desto
unausweichlicher findet die Distanz vom spielerischen Liebäugeln à
la Demy statt, das im Grunde nun eher der Prämisse sowie den
Konflikten von Billy Crystals semi-spießigen „Forget Paris“
folge leistet. Dort hieß es dann auch: Zusammen glücklich in
unterschiedlichen Karrierezweigen, mit dem Mann auf Tour und der Frau
auf dem Weg in die Midlife Crisis – kann das funktionieren oder ist
es zum Scheitern verurteilt? Für eine Weile glaubt man, dass
Chazelle jenem Versagen Paroli bieten will und das Unbehagen im
Weiterkommen Sebastians stilisiert, welcher für die Band „The
Messengers“ via John Legend die gefühlt übelste Neuerfindung des
Jazz anspielen muss. Das untermauert wiederum aufs Äußerste seine
wie Chazelles Hinwendung zur puren Kunst, dass selbst Mia entsetzt
die Lauscher aufstellt. Selbst sobald sich die Wege unseres Paares im
Streit trennen, hilft er ihr trotzdem noch aus, mit ihrem Talent in
der A-Liga der Schauspielerei anzukommen, wofür auch eines der
schönsten Stücke im Sturm und Drang für die Künstler, Revoluzzer
und Träumer dieser Welt von Frau Stone vorgetragen wird. Genauso
selbstverständlich und abgeklärt, beinahe entmenschlicht und
eigentlich auch ohne stimmige Motivation, einigt man sich sodann aber
darauf, dass jeder fortan für sich selbst ohne den Anderen sorgen
wird.
Jahre
später steckt der Wehmut zwar noch in den Knochen und verliert sich
zum Abschied nochmals vollends in die grandiosen Fantasien, die uns
Kino bietet und erfüllen kann - allerdings endet Chazelle dann doch
auf einer Note, die unbefriedigend in die Realität entlassen will,
um die Grenzen zwischen Illusion und Desillusionierung klar zu
stellen. Hauptsache, die Karriere stimmt, ganz gleich, wie
erbarmungslos der Verzicht aufs Glück eben jenes schon im Kopfkino
zerreißt. Insgesamt verhält es sich mit diesem Film, wie es einem
schon (um entsprechend bei klassischen Beispielen des frühen
Hollywood zu bleiben) mit der Ayn-Rand-Verfilmung „Ein Mann wie
Sprengstoff“ ging: Die Inszenierung unternimmt durchweg großartige
Gefühlsveräußerungen in Optik, Spiel, Musik und schierer Dynamik,
die innewohnende Ideologie - mit ihrem unbedingten Ehrgeiz von der
Bindung wahrer Liebe weg - bleibt jedoch so unnahbar wie sie schon
durch kalkulierte Charakterfolien befremdlich wirkt. Bei Rand war
immerhin von Fortschritt und neuen Kunstformen die Rede, hier wird’s
hingegen so hardcore ewiggestrig, dass Sebastians Urteil über Mia,
sie sei ein Baby, genauso gut auf ihn zurückfällt; überhaupt auf
eine Generation an Millennials, die teils überheblich hip auf Retro
schwört und sich dennoch über den regressiven Trump aufregt.
Gehören wir nicht alle irgendwie dazu? Chazelle lässt seinen (ganz
gleich, ob so gewollten) Film als Repräsentation des Zeitgeists ganz
interessant aufschlagen, wie widersprüchlich sich der Bezug zu
seinen Idealen und dem Verständnis über die heiß geliebte Leinwand
hinaus ergibt. Das Paradoxe und Irrationale im alltäglichen Umgang
werden schließlich ohnehin mehr und mehr zum Mainstream, positiv bis
negativ das Phänomen einer Ära an Ungewissheiten oder gefühlten
Wahrheiten links wie rechts, die sich selbst in der Traumfabrik
Hollywood nicht mehr einzuleben verstehen scheint, so sehnlichst der
Wunsch danach auch nach draußen dringt.
Problematisch ist bei
Chazelle dann allerdings das ultimative Einverständnis zur
Entsagung, das sich mit den Verhältnissen zufriedengibt, obwohl das
Herz blutet, als lebe man noch in Melodramen der vierziger Jahre.
Nostalgie ist je nach Kontext eben auch nicht einwandfrei, erst recht
bittersüß, wenn sich ein Chazelle am Zwang dazu verausgabt.
Ironischerweise bleibt es allerdings spannend, was danach, jenseits
wie mitten im „La La Land“, noch als Filmemacher aus ihm wird.
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Witte