Fakten:
Der Umleger (The Town That Dreaded
Sundown)
USA, 1976. Regie: Charles B.
Pierce. Buch: Earl E. Smith. Mit: Ben Johnson, Andrew Prine, Dawn Wells, Jimmy
Clem, Jim Citty, Charles B. Pierce, Robert Aquino, Cindy Butler, Christine
Ellsworth, Earl E. Smith u.a. Länge: 87 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren.
Ab dem 3.9. 2015 DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Im Jahr 1946 wird die Kleinstadt
Texarkana von einem unbekannten Killer heimgesucht, genannt „Das Phantom“. Der
maskierte Mann tötet Pärchen, scheinbar wahllos, die Polizei tappt im Dunkeln.
Der erfahrene Texas Ranger Morales wird zur Hilfe herbeigezogen, doch selbst er
findet keine ernsthafte Spur. Dabei tickt die Uhr, denn der Killer tötet
zuverlässig in einem Rhythmus. Texarkana wird zur Geisterstadt, sobald die
Sonne untergeht…
Meinung:
„Der Umleger“ (da hat sich die
deutsche Namensschmiede selbst übertroffen, dabei ist „The Town That Dreaded
Sundown“ ein ganz wunderbarer Titel) ist- um gleich mit der Tür ins Haus
zufallen – bestimmt kein wirklich guter Film. Damals und erst recht nicht
heute. Aber er besitzt einige markante Merkmale, manche davon fast zufällig,
und kann zumindest theoretisch als einer der ersten US-Slasher bezeichnet
werden. Zwei Jahre bevor John Carpenter mit „Halloween – Die Nacht des Grauens“
das dem Giallo entlehnte Subgenre jenseits des großen Teichs salonfähig gemacht
hat („Black Christmas“ aus dem Jahr 1974 ausgenommen, aber das war auch eine
kanadische Produktion).
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Ein Sack, sie alle zu knechten... | |
Wie gesagt, theoretisch, denn „Der
Umleger“ (!!!) bedient nicht die später etablierten Sehgewohnheiten, weiß
manchmal selbst nicht genau, wo er denn hin will oder was er könnte, aber ist trotzdem
als kleine Blaupause für spätere, wegweisende Genrefilme zu betrachten.
Ungewöhnlich ist allein der reale Hintergrund, der nicht wie so oft als lose
Inspiration dient, sondern tatsächlich als klare Grundlage für den Film dient.
Das Phantom von Texarkana gab es wirklich. Der bis heute unbekannte Killer
tötete damals mehrere Menschen und versetzte die kleine Gemeinde in Angst und
Schrecken. Regisseur Charles B. Pierce hält sich weitestgehend an Fakten, zumindest
in den Eckpfeilern. Jedes dargestellte Opfer gab es, die Verbrechen liefen mehr
oder weniger so ab, nur manche künstlerische Freiheit im Ablauf hat er sich
rausgenommen (was für einen der absurdesten Momenten sorgt, die
zweckentfremdete Posaune). Dementsprechend wird nicht auf die später gängige
Perspektive der potenziellen Opfer gesetzt, man arbeitet aus einem
semi-dokumentarischen Blickwinkel. Der dazugehörige Erzähler erinnert leicht an
eine Folge von „Aktenzeichen XY…ungelöst“, der die jeweilige Szenerie und die
neu eingeführten Person kurz erklärt. Im Fokus steht die Arbeit der Ermittler,
was wiederum das Ambiente einer Krimiserie hat. Daher sind die Berührungspunkte
mit dem „modernen“ Slasher bald gering, aber unverkennbar.
Wenn „Der Umleger“ sich auf die
Aktivitäten seines Übeltäters konzentriert, erkennt man unweigerlich spätere
Werke. Das prägnante Röcheln des Killers wurde deutlich von John Carpenter für
seinen Michael Myers übernommen, sein schönes Sackgesicht schmückte auch einen
Jason Vorhees, bevor er die Hockey-Maske fand. Genau dann, sobald das Phantom
zur Tat schreitet, zeigt der Film kurzzeitig eine gewisse Stärke, die nur nicht
ausgiebig genutzt wird. Pierce versteht es durchaus, seinen Killer bedrohlich
in Szene zu setzen und für kurzzeitige Highlights zu sorgen, selbst wenn sie im
Gesamten bald untergehen wie die blutrote Sonne über Texarkana. Das
gespenstische Setting einer in Schockstarre verfallenen Stadt wird oft nur
angedeutet, die völlig deplatzierten Humorversuche sind arg kontraproduktiv
(dabei schlüpft der Regisseur selbst in die Rolle des Klassenkaspers) und der
Spannungsbogen ist meist kerzengrade statt sich entwickelnd. Man sollte dem Film
aber anrechnen, dass er sein Potenzial noch nicht ganz erkannte. Seine leicht
schrullige Vorgehensweise hat schon wieder einen deutlichen Reiz, sein Beharren
auf faktischer Korrektheit sorgt für ein ungewohntes (heute würde man sagen
mutiges) Ende und gerade das macht „Der Umleger“ zu einem kleinen Exoten seines
Genres, das vorher in der Form eigentlich gar nicht existierte. Nicht gut, aber
selten. Und daher schon wieder interessant, zumindest filmhistorisch.
5 von 10 Sonnenuntergängen
Fakten:
Warte, bis es dunkel wird (The Town
That Dreaded Sundown)
USA, 2014. Regie: Alfonso
Gomez-Rejon. Buch: Roberto Aguirre-Sacasa, Earl E. Smith (Vorlage). Mit:
Addison Timlin, Veronica Cartwright, Anthony Anderson, Travis Tope, Gary Cole,
Joshua Leonard, Andy Abele, Edward Herrmann, Ed Lauter, Denis O’Hare u.a.
Länge: 83 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 3.9. 2015 DVD und Blu-ray
erhältlich.
Story:
1946 sorgte der Phantom-Killer in
Texarkana für etliche Morde und eine Massenpanik. 1976 entstand daraus ein
Film, der seitdem jedes Jahr an Halloween dort gezeigt wird. Jetzt, im Jahr
2013, wird die Stadt von ihrer Vergangenheit eingeholt. Jemand imitiert
scheinbar die Morde, Teenager Jamie kann dem Täter knapp entkommen. Wie damals
kommt die Polizei trotz massiver Unterstützung nicht weiter, Jamie forscht
selbst nach. Doch der Killer kennt die Vorgeschichte scheinbar ziemlich gut…
Meinung:
Für die meisten Filme sollte ein
Remake gesetzlich verboten werden, für Exemplare wie „Der Umleger“ explizit
nicht. Da schlummerte massig Potenzial und die neue Version von Alfonso
Gomez-Rejon hat sogar eine prima Idee: Nicht schlicht die Vorlage neu erzählen.
Man nehme die realen Geschehnisse von 1946 sowie die Verfilmung von 1976 als
Grundlage und macht daraus eine Art Remake/Fortsetzung, die Meta-geschwängert
sich daraus seine eigene Geschichte spinnt. Eine erfrischende Variante zu den
sonst üblichen Neuverwurstungen, die genau solange funktioniert, bis der
Überraschungseffekt verflogen ist.
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When Retro goes wrong... |
Nach dem innovativen Ansatz kommt
lange wenig, aber immerhin ein halbwegs brauchbarer Slasher, der mit seinen
wenigen Gewaltspitzen sogar großzügig an die FSK: 16-Tür klopft. Vor 20 Jahren
wäre das noch eiskalt im Giftschrank gelandet, heute juckt das nicht mehr
großartig. Wie zu erwarten ist „Warte, bis es dunkel wird“ eine moderne
Interpretation des angestaubten Originals, diesmal deutlich als kurzweiliger
Meuchelmörder-Film ausgelegt. Ist an und für sich okay, wobei der spannende
Ansatz mit Bezügen auf die Vorlage auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Hier und da
wird „Der Umleger“ gewürdigt, kleine Parallelmontagen sorgen bei Kennern für
ein kleines Schmunzeln, aber im Endeffekt kopiert dieser Film dessen besten
Momente. Die Rahmenhandlung wird entsprechend angepasst, ist flotter und
zeitgemäßer, solide inszeniert, aber auch jetzt kein Brüller. Bis kurz vor Schluss
eine recht gefällige und leider nicht ansatzweise so doppelbödige Angelegenheit
wie man nach den ersten Minuten erwarten könnte, aber immerhin. Böse wird es im
Finale, wenn sich „Warte, bis es dunkel wird“ vollkommen unnötig mit
runtergelassener Hose präsentiert. Hier wird (wahrscheinlich sogar bewusst)
einem viel späteren Genrevertreter ein dummer Tribut gezollt, bei dem man nur
noch mit den Augen rollen kann. Dieser bekloppte Schlussspurt ist nicht nur dämlich,
er zeigt sogar, warum das Original trotz etlicher Fehler immer noch brauchbar(er)
ist. Der war auf seine Art straight, präsentierte keine blödsinnige Pointe,
hielt sich an grobe Fakten. Auf die Gefahr hin, dass es nicht jedem gefällt. „Warte,
bis es dunkel wird“ versucht sich an einem cleveren Ansatz, verläuft sich immer
mehr im Standard und endet unrühmlich. Verschenkt, leider…dabei wäre es relativ
einfach gewesen.
4,5 von 10 unbeschrankten
Bahnübergängen