Review: BLUE CAPRICE - Die Geschichte der DC Todes-Schützen




Fakten:
Blue Caprice
2013. USA. Regie: Alexandre Moors. Buch: R.F.I. Porto. Mit: Isaiah Washington, Tequan Richmond, Joey Lauren Adams, Tim Blake Nelson, Leo Fitzpatrick, Cassandra Freeman, Abner Exposito-Seary u.a. Länge: 93 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich (als Import).


Story:
John Allen Muhammad und Lee Boyd Malvo wurden durch ihren „killing spree“ bekannt, auf dem sie in und um Washington DC mindestens zehn Menschen wahllos erschossen. Der Film begleitet die beiden Männer von ihrem ersten Treffen bis zum Ende ihres Blutbades.




Meinung:
Am Ende klingt das Klavier langsam aus. Die leisen, warmen, einsamen Töne verblassen mit der Zeit. In den falschen Händen kann ein Film über derartige wahre Tragödien, über tödliche Scharfschützen zu einem Film voller Schwarz-Weiß-Wischerei, Pathos und erzwungener Dramatik an falschen Stellen verkommen. Die Tragödie, die diesem Film zu Grunde liegt, ist schon fast nicht als solche zu bezeichnen, so seltsam wirkt das Geschehen. Im Jahr 2002 wurden mindestens zehn Menschen von den beiden Tätern John Allen Muhammad und Lee Boyd Malvo erschossen. Die beiden Schützen verunsicherten die Nachrichtensender und die Bevölkerung damit, dass sie kein Motiv und kein Muster zu verfolgen schienen. Niemand war sicher, weil niemand kein potenzielles Opfer sein könnte. Zehn Jahre später nahm sich Debütant Alexandre Moore den Fall vor und erzählt die Geschichte der beiden Männer nach.


Ein Serienkiller beim Training
Dabei zeigt Regisseur Alexandre Moore von Beginn an einen harten Kontrast zweier Welten, die irgendwann mit einem Ruck zusammentreffen und eine neue unberechenbare und nicht wirklich greifbare Kraft entwickeln. Der Junge Lee (er ist etwa 17) begeht einen Suizidversuch. Er fühlt sich unbedeutend, egal, klein. Seine Mutter würde das wahrscheinlich nur marginal stören, doch John, der in den letzten Etappen seiner 30er steckt, rettet ihn vor dem Ertrinken. Das Unheil scheint ab dann seinen Lauf zu nehmen, obwohl es schon Jahre vorher seinen Ursprung nahm. Seltsam befremdlich scheint auch die Welt, in der Lee und John sich zum ersten Mal treffen. Es ist in der Karibik, in einer paradiesischen Natur, die grüner, friedlicher und saftiger nicht sein könnte. Dort laufen die Fäden zusammen, die später den Wahnsinn in der lauten und unschönen Stadt in den Vereinigten Staaten ausrichten sollten. Lee entdeckt mit der Rettung eine Welt, die um vorher verborgen blieb und von deren Auftauchen er komplett überrumpelt wurde. Mit einem Mal wird Lee Aufmerksamkeit, mehr noch, sogar Sorge gewidmet. Er bekommt das Gefühl, bedeutsam zu sein.


Der Lehrer und sein Schüler
Mit der Zeit wird Lee zu einem Ziehsohn von John, der seine leiblichen Kinder an seine ehemalige Frau verlor und nun mit Lee in die Staaten geht und dort lebt. Er steigert sich immer wieder in Nichtigkeiten hinein, er explodiert vor Neid, Gier und Hass. Er sieht sich als das ultimative Opfer eines Landes an, das ihm alles genommen hat und wofür er sich auch noch mit einem Knicks bedanken soll. Alle gegen ihn, er gegen alle. Der loyale Lee wird dabei zum dankbaren und hilfreichen Komplizen.
„Do you love me? Then I need you to do something for me.“ sagt John immer wieder zu seinem Helfer. Wenn du mich liebst, dann tu etwas für mich. In diesem Fall soll Lee Menschen umbringen, die John als Schuldige ansieht. Schuldige dafür, dass sein Leben wie ein Leben in Sklaverei ist. Seine Worte sind das. Später werden die Schüsse nicht mehr zielgerichtet abgegeben, sondern auf Passanten jeglichen Alters, Geschlechts und ethnischen Hintergrundes. Etwas, was in den Medien besonders viel Resonanz erhält. Wenn es kein Profil gibt, dann ist jeder ein Ziel. Weil jeder für John (Mit-)Schuldiger ist für die Situation und die Lage des Landes, in dem er lebt.


Der Regisseur Moore stellt mit „Blue Caprice“ einen Film auf die Beine, der vor allem durch seine Gewichtung interessant gestaltet ist. Sicherlich streift das Werk Themen wie die Waffensicherheit und -Verfügbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, jedoch geht es ihm ebenso wenig primär um eine Kritik an diesem System oder der Lobby, wie es ihm um die soziale Ungleichheit und die Kerbe zwischen Arm und Reich geht. „Blue Caprice“ erzählt vor allem von der Natur des Bösen. Und da liegt letzten Endes auch seine größte Stärke. Von den Attentaten selbst ist relativ wenig zu sehen; man folgt nur dem Chevrole Caprice durch die Nacht, die roten Rückleuchten zu Schlitzen verengt. Moore zeigt wie einfach das Böse sein kann, wie schnell es entsteht, durchgeführt und im Alltag wieder verdrängt wird. Deshalb wäre es auch nicht richtig, den Film als bloße Charakterstudie abzutun. Dort geht der Film nämlich nicht allzu weit, findet wohl keine neuen Wege und lässt gar ein paar Informationen weg. Aber ebenso genial wie im Umgang mit der Einfachheit des Bösen, zeigt der Film das Unverständnis der Bervölkerung, Anwälte und Medien. Lee verneint die Fragen, ob er aus Rache oder für Geld gehandelt hat. Dass die Taten tatsächlich aus Liebe begangen wurden, das kommt niemandem in den Sinn.


6,5 von 10 traumhaften Inseln


von Smooli

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