CA, 2015. Regie & Buch: Paul
Gross. Mit: Rossif Sutherland, Paul Gross, Christine Horne, Allan Hawco, Clark
Johnson, David Richmond-Peck, Nabil Elouahabi, Niamatullah Arghandabi, Karl
Campbell u.a. Länge: 120 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem
22.4.2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Während des Kriegs in Afghanistan
kreuzen sich die Wege eines kanadischen Scharfschützen, eines
Nachrichtenoffiziers und eines legendären, untergetauchten Mudschaheddin aus
dem Krieg gegen die Sowjets. Bei der Einweihung der Hyena Road, einer vom
Militär gebauten Straße zur Bekämpfung der Taliban, kommt es zum großen Knall…
Meinung:
„Selbst die Erde ist hier feindlich
gesinnt. In Afghanistan kämpfen Hunde gegen Hunde, Vögel gegen Vögel, Männer
gegen Männer.“
Es sind nicht zuletzt Sätze wie
diese (auch wenn hier nur Alexander der Große zitiert wird), die „Hyena Road“
trotz aller Bemühungen um eine möglichst neutrale Authentizität immer wieder
unglücklich in die Schublade mit üblichen Klischees und (in dem Fall eher
leicht und bestimmt ungewollt) vorverurteilender Dämonisierung greifen lässt,
obwohl er von der Intention eigentlich in einer ganz andere Richtung möchte.
Erste Regel: Den Feind immer im Auge behalten.
Paul Gross – Regisseur, Autor und
Hauptdarsteller in Personalunion - gelingt ein handwerklich recht ordentlicher
Kriegsfilm, der über seine Bilder schon eine ganz ansprechende Stimmung
transportieren kann. Die geht aber bis auf die hektische Intensität während der
Feuergefechte kaum über eine Art Anti-Postkartenidylle aus dem Kriegsgebiet
hinaus. Das wirkt alles relativ flach, oberflächlich, auch wenn es für sein
Produktionsvolumen nicht verkehrt aussieht. Als Actionfilm ist „Hyena Road“ in
diesen Sequenzen nicht schlecht, doch genau das ist und will er gar nicht sein.
Im Mittelpunkt steht der jetzt schon ausweglos scheinenden Krieg in einem Land,
das seit Jahrzehnten davon gebeutelt wurde. Noch bevor die Amis, oder hier die
Kanadier, kamen. Ein junger Sniper (Rossif Sutherland, einer der weniger
erfolgreichen Sprösslinge von Donald Sutherland) – der noch daran glaubt, das (s)eine
Kugel alles verändern kann – und ein schon längst desillusionierter, in Land
und Kultur fester verankerter Nachrichtenoffizier (gute Leistung: Paul Gross
himself) versuchen den „Ghost“, einen Mudschaheddin aus dem Sowjet-Krieg, führ
ihre Zwecke zu gewinnen. Denn dieser Krieg kann kaum von außen, nur von innen
gewonnen werden. Wenn überhaupt.
Ein klärendes Gespräch zwischen Stacheldraht.
Durch Figuren wie besagten „Ghost“
oder auch den des hilfsbereiten Spitzels „The Cleaner“, der nicht aus
egoistischen oder monetären, sondern rein idealistischen, humanitären Gründen
als unverzichtbarer Insider die Einsatztruppen unterstützt, differenziert „Hyena
Road“ durchaus. Hier sind nicht alle Einheimischen von Geburt an Taliban oder
deren Sympathisanten, es herrscht ein Konflikt auch im Land selbst, unabhängig
von dem, was der Westen dort veranstaltet. Das will der Film vermitteln und
macht er ja in Ansätzen auch, nur er tut sich wirklich keinen Gefallen damit, es
rein auf diese beiden Figuren (plus deren Angehörige) zu reduzieren und
gleichzeitig die Position wie das Handeln der Streitkräfte zur keiner Sekunde
wirklich reflektiert, ernsthaft selbstkritisch zu hinterfragen. „Hyena Road“
skizziert die Hauptfiguren zwar schon als eine Art hilflosen, teils
überforderten Fremdkörper in einer ihnen völlig unbekannten Kultur und
Historie, doch weiß er letztlich (wie sie selbst) nichts Entscheidendes
damit anzufangen. Die eigentliche Geschichte ist weder besonders aufregend,
noch gelingt eine emotional tiefe Bindung zu den Figuren. Die dafür unterstützend
reingebastelte Liebesgeschichte wirkt da extrem deplatziert und ist als reiner
Mittel zum Zweck viel zu offensichtlich.
„Hyena Road“ ist an sich kein
schlechter Film. Er ist technisch gut inszeniert und versucht zumindest, ein
anderes Bild vom Krieg gegen den Terror zu liefern. Das Problem: Genau das
gelingt ihm nur sehr dürftig. Gerade wenn am Ende das heldenhafte Aufopfern für
die gute Sache wieder zu Tränen rühren soll und einen extrem faden, Militär-
und Ideologie-bejahenden Beigeschmack hinterlässt. Das sind diese Momente, die
gute Ansätze ganz schnell vergessen lassen. Wenn der Rest dann auch nur als
solide bis zäh bezeichnet werden kann, bleibt nicht mehr viel übrig.
Ambitioniert, aber missglückt.
2013. USA. Regie: Alexandre Moors. Buch: R.F.I. Porto.
Mit: Isaiah Washington, Tequan Richmond, Joey
Lauren Adams, Tim Blake Nelson, Leo Fitzpatrick, Cassandra Freeman, Abner
Exposito-Seary u.a. Länge: 93 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray
erhältlich (als Import).
Story:
John Allen Muhammad und Lee Boyd Malvo wurden durch
ihren „killing spree“ bekannt, auf
dem sie in und um Washington DC mindestens zehn Menschen wahllos erschossen.
Der Film begleitet die beiden Männer von ihrem ersten Treffen bis zum Ende
ihres Blutbades.
Meinung:
Am Ende klingt das Klavier langsam aus. Die leisen,
warmen, einsamen Töne verblassen mit der Zeit. In den falschen Händen kann ein
Film über derartige wahre Tragödien, über tödliche Scharfschützen zu einem Film
voller Schwarz-Weiß-Wischerei, Pathos und erzwungener Dramatik an falschen
Stellen verkommen. Die Tragödie, die diesem Film zu Grunde liegt, ist schon
fast nicht als solche zu bezeichnen, so seltsam wirkt das Geschehen. Im Jahr
2002 wurden mindestens zehn Menschen von den beiden Tätern John Allen Muhammad
und Lee Boyd Malvo erschossen. Die beiden Schützen verunsicherten die
Nachrichtensender und die Bevölkerung damit, dass sie kein Motiv und kein
Muster zu verfolgen schienen. Niemand war sicher, weil niemand kein
potenzielles Opfer sein könnte. Zehn Jahre später nahm sich Debütant Alexandre
Moore den Fall vor und erzählt die Geschichte der beiden Männer nach.
Ein Serienkiller beim Training
Dabei zeigt Regisseur Alexandre Moore von Beginn an einen harten Kontrast
zweier Welten, die irgendwann mit einem Ruck zusammentreffen und eine neue
unberechenbare und nicht wirklich greifbare Kraft entwickeln. Der Junge Lee (er
ist etwa 17) begeht einen Suizidversuch. Er fühlt sich unbedeutend, egal,
klein. Seine Mutter würde das wahrscheinlich nur marginal stören, doch John,
der in den letzten Etappen seiner 30er steckt, rettet ihn vor dem Ertrinken.
Das Unheil scheint ab dann seinen Lauf zu nehmen, obwohl es schon Jahre vorher
seinen Ursprung nahm. Seltsam befremdlich scheint auch die Welt, in der Lee und
John sich zum ersten Mal treffen. Es ist in der Karibik, in einer
paradiesischen Natur, die grüner, friedlicher und saftiger nicht sein könnte.
Dort laufen die Fäden zusammen, die später den Wahnsinn in der lauten und
unschönen Stadt in den Vereinigten Staaten ausrichten sollten. Lee entdeckt mit
der Rettung eine Welt, die um vorher verborgen blieb und von deren Auftauchen
er komplett überrumpelt wurde. Mit einem Mal wird Lee Aufmerksamkeit, mehr noch,
sogar Sorge gewidmet. Er bekommt das Gefühl, bedeutsam zu sein.
Der Lehrer und sein Schüler
Mit der Zeit wird Lee zu einem Ziehsohn von John, der seine leiblichen Kinder
an seine ehemalige Frau verlor und nun mit Lee in die Staaten geht und dort
lebt. Er steigert sich immer wieder in Nichtigkeiten hinein, er explodiert vor
Neid, Gier und Hass. Er sieht sich als das ultimative Opfer eines Landes an,
das ihm alles genommen hat und wofür er sich auch noch mit einem Knicks
bedanken soll. Alle gegen ihn, er gegen alle. Der loyale Lee wird dabei zum
dankbaren und hilfreichen Komplizen. „Do you love
me? Then I need you to do something for me.“ sagt John immer wieder zu seinem
Helfer. Wenn du mich liebst, dann tu etwas für mich. In diesem Fall soll Lee
Menschen umbringen, die John als Schuldige ansieht. Schuldige dafür, dass sein
Leben wie ein Leben in Sklaverei ist. Seine Worte sind das. Später werden die
Schüsse nicht mehr zielgerichtet abgegeben, sondern auf Passanten jeglichen
Alters, Geschlechts und ethnischen Hintergrundes. Etwas, was in den Medien
besonders viel Resonanz erhält. Wenn es kein Profil gibt, dann ist jeder ein
Ziel. Weil jeder für John (Mit-)Schuldiger ist für die Situation und die Lage
des Landes, in dem er lebt.
Der Regisseur Moore stellt mit „Blue Caprice“ einen Film auf die Beine, der vor
allem durch seine Gewichtung interessant gestaltet ist. Sicherlich streift das
Werk Themen wie die Waffensicherheit und -Verfügbarkeit in den Vereinigten
Staaten von Amerika, jedoch geht es ihm ebenso wenig primär um eine Kritik an
diesem System oder der Lobby, wie es ihm um die soziale Ungleichheit und die
Kerbe zwischen Arm und Reich geht. „Blue Caprice“ erzählt vor allem von der
Natur des Bösen. Und da liegt letzten Endes auch seine größte Stärke. Von den
Attentaten selbst ist relativ wenig zu sehen; man folgt nur dem Chevrole
Caprice durch die Nacht, die roten Rückleuchten zu Schlitzen verengt. Moore
zeigt wie einfach das Böse sein kann, wie schnell es entsteht, durchgeführt und
im Alltag wieder verdrängt wird. Deshalb wäre es auch nicht richtig, den Film
als bloße Charakterstudie abzutun. Dort geht der Film nämlich nicht allzu weit,
findet wohl keine neuen Wege und lässt gar ein paar Informationen weg. Aber
ebenso genial wie im Umgang mit der Einfachheit des Bösen, zeigt der Film das
Unverständnis der Bervölkerung, Anwälte und Medien. Lee verneint die Fragen, ob
er aus Rache oder für Geld gehandelt hat. Dass die Taten tatsächlich aus Liebe
begangen wurden, das kommt niemandem in den Sinn.
FR, B, IT, 2012. Regie: Michele Placido. Buch: Denis Brusseaux, Cédric Melon. Mit: Daniel Auteuil, Matthieu Kassovitz, Olivier Gourmet, Francis Renaud, Nicolas Briancon, Jérome Pouly, Violante Placido, Arly Jover, Michele Placido u.a. Länge: 86 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Kommissar Mattei und seiner Männer wollen gerade eine Bande von Bankräubern dingfest machen, als sie aus dem Hinterhalt von einem Scharfschützen ins Visier genommen werden, woraufhin die Gangster mit der Beute fliehen können. Durch einen anonymen Tipp gelingt es Mattei jedoch Kaminski, den vermeidlichen Sniper, zu verhaften. Wie sich herausstellt war Kaminski einst Elitescharfschütze beim Militär. Eigentlich sollen seine Kollegen ihn aus dem Knast befreien, doch unter ihnen scheint es einen Verräter zu geben, der die anderen dezimiert um die Beute allein zu behalten. Kaminski gelingt auf eigene Faust die Flucht. Während er den Verräter enttarnen will, heftet sich Mattei an seiner Versen. Denn der hat noch eine ganz persönliche Rechnung mit Kaminski offen.
Meinung:
Im Gegensatz zu uns pflegen die Franzosen ihr Genrekino seit Jahrzehnten vorbildlich und füttern auch den deutschen Markt regelmässig mit ansprechender Ware, die den internationalen Vegleich, speziell den mit dem US-Kino, kaum zu scheuen braucht. Eins lässt sich auch "The Lookout" definitiv nicht absprechen: Rein handwerklich ein mal wieder versierter Vortrag aus dem Krimi-Genre, der in dem inzwischen typischen matt-kalten Look daherkommt und mit Daniel Auteuil sowie Matthieu Kassovitz gleich zwei überregional bekannte Zugpferde aufzubieten hat. Klingt alles recht vielversprechend und startet durchaus zackig-knackig, fällt dann leider mindestens genauso schnell ab und ist am Ende eher verzichtbarer.
"Ich will meinen Agent sprechen, tout de suite!"
Zum Auftakt verplempert Regisseur Michele Placido (auch in einer Nebenrolle vertreten) erfreulicherweise kein bisschen Zeit und schleudert den Zuschauer direkt hinein ins Geschehen. Wenig Vorgeplänkel, sofort gibt es Action, gut inszeniert, da verspricht "The Lookout" noch ein kurzweiliger Reisser für den Feierabend vor der Mattscheibe zu werden. Nach gut 10 Minuten fährt das Tempo runter und das Interesse des Zuschauers bald ebenso. Denn die Geschichte hat nicht wirklich viel zu bieten, wird eher zäh vorgetragen und beinhaltet nichts, was es nicht anderswo schon deutlich besser zu sehen gab. Die Handlung passt sich der farblosen Optik an. "The Lookout" wird immer mehr zu einem müden, kaum mitreissenden Crime-Flick, bei dem die Suche nach dem Verräter in den Reihen der Ganoven mindestens so blass und uninteressant gestaltet ist, wie alle Figuren des Streifens. Obwohl er weder strickt aus Cop- oder Bullenperspektive erzählt und um Ambivalenz seiner beiden Hauptfiguren bemüht ist - beides meist eine gute Idee - wirkt das Ganze irgendwie lieb- und belanglos zusammengestrickt, ohne echte Höhepunkte oder den besonderen Kick serviert. Speziell das Aufheben des klassischen Gut/Böse-Schemas funktioniert nur bedingt, da die Rollen dafür schlicht zu platt und uninteressant charakterisiert sind. Die im Schlusspurt eingestreute "Wendung", die zu dem persönlichen Vergeltungsdrang von Cop Mattei gegen Sniper Kaminski führt, wird darüberhinaus so überhastet und urplötzlich noch aus dem Ärmel gezaubert, schlicht aufgesetzt und unglaubwürdig konstruiert.
Unfair: Kaminskis Ziel bietet mehr Angriffsfläche
Zu allem Überfluss enttäuscht dann ausgerechnet noch der sonst so unantastbare Daniel Auteuil auf ganzer Linie. Selten wirkte er so kraftlos und müde, spielt seinen Part gelangweilt runter, ein Schatten seiner selbst. Zudem scheint ihm die französische Küche recht gut zu schmecken in letzter Zeit, sollte mal lieber etwas aufpassen. Die Ähnlichkeit zu (Ex-)Landsmann Gérard Depardieu wird immer grösser. Das passt dann irgendwie in das unbefriedigende Gesamtbild des Films. Kollege Kassovitz und der restliche Cast spielen solide, da lässt sich nicht wirklich meckern, nur reisst das schlussendlich nicht mehr viel raus. Gemessen an den vielen Perlen des französischen Krimi-Kinos der vergangenen Jahre ein sehr durchwachsener Beitrag, der lediglich durch die saubere technische Umsetzung grob punkten kann. Allerdings ist das schon so lange Standard bei den Franzosen, dass es kaum noch der Erwähnung bedarf und auch nichts Besonderes mehr ist. Verschenkte Zeit, leider.