Review: LOVELACE – Amerikas Schwanzlutscherin Nummer 1 im Fokus




Fakten:
Lovelace
USA. 2013. Regie: Rob Epstein, Jeffrey Friedman. Buch: Andy Bellin.
Mit: Amanda Seyfried, Peter Sarsgaard, Sharon Stone, Robert Patrick, Juno Temple, Chris Noth, James Franco, Wes Bentley, Adam Brody, Eric Roberts. Bobby Cannavale, Hank Azaria, Debi Mazar, Cory Hardict, Chloe Sevigny u.a. Länge: 92 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Ein streng religiöses Elternhaus schützt nicht vor einer Karriere in der Pornobranche. Das muss Linda Lovelace erfahren, die von ihrem Gatten  überredet wird im Porno „Deep Throat“ mitzuspielen, der im Jahre 1972 zu einem Kassenhit wird. Linda wird zur Vorzeigeaktrice und genießt naiv den Rummel um ihre Person, doch nach und nach muss sie erkennen, dass sie nur benutzt wird.




Meinung:
Die potenten Legenden ranken um Gerard Damianos Hardcore-Manifest „Deep Throat“ wie Lianen um die mächtigen Zypressengewächse der tropischen Regenwälder. Kein Film dieses Metiers konnte für einen solchen Wirbel sorgen und kein Pornofilm schaffte erneut den Einzug in die prüde Philosophie der geordneten Familienverhältnisse aus aller Welt. „Deep Throat“ ist in seiner globalen Disposition so imposant, dass es sich dabei eigentlich nur um einen perfiden Mythos halten konnte. Doch das Fellatio-Wunderwerk ist so real, wie es auch in unserer Popkultur präsent ist, und entzückte 1972, zur Zeit der sexuellen Revolution, die Zeit des Umbruchs, in der auf Pornos nicht mehr nur in Bahnhofsvierteln oder Nischenkinos nach Mitternacht heimlich masturbiert wurde, „Deep Throat“ bahnte jenen Weg in die großen Theater und wurde zum kollektiven Ereignis, Millionen von Menschen. Was liegt also näher, als ein Event dieser Couleur filmisch aufzubereiten?


Linda und ihr Gatte Chuck bei der Karriereplanung
Mit Rob Epsteins und Jeffrey Friedmans Biografie „Lovelace“ ist nun genau dieser Fall eingetroffen und darf sich, nach der Dokumentation „Inside Deep Throat“ von 2005, als zeitnahe Referenz an den Kult titulieren lassen. Und natürlich kann es ein interessantes Projekt sein, den kurzen, aber doch so nachhaltig prägenden Pfad von Linda Lovelace, im Bürgerlichen eigentlich Linda S. Boreman, zu rekonstruieren und Einblicke in die verschiedensten Strukturen, Überzeugungen und Systeme dieser Tage zu richten: Wie reagiert die bigotte Gesellschaft auf eine solche Welle an offenherzigen Frivolitäten? Wie läuft es wirklich hinter den Kulissen bei einem solche Dreh ab? Wie wirkt sich die Partizipation an einem solchen Film auf die Familie aus? Während Paul Thomas Anderson in seinem diffizilen Meisterwerk „Boogie Nights“ nicht nur an den Wert der Menschlichkeit erinnerte, der von Außenstehenden in Bezug auf dieses Geschäft oft vergessen wird, sondern die Crew auch als eine große Familie erklärte, ist „Lovelace“ zu eindimensional in seiner zwischenmenschlichen Symmetrie.


Auch Hugh Hefner entdeckt Linda für sich
Soll heißen: Wer wirklich etwas über die Produktion und die involvierten Persönlichkeiten im Einzelnen erfahren möchte, der stößt auf schematische Charakterkonstellationen, die nicht durch ihre Tiefe glänzen, sondern dank ihrer Darsteller bei Laune halten. Amanda Seyfried ("Jennifer's Body") als Hauptdarstellerin Linda Lovelace ist zwar kein Lichtblick und sichtlich verkrampft darin, ihren Part akkurat zu erfüllen, dafür aber ist Peter Sarsgaard ("Green Lantern") als brutal-manipulierender Ehemann Chuck Traynor eine Wucht sondergleichen. Dass der Mann schauspielern kann, steht außer Frage. Das Sarsgaard aber so angsteinflößend präzise einen verachtenswerten Widerling ausfüllt, überrascht angesichts seiner sonstigen Rollenwahl umso mehr. Seine Performance rettet den Film immer wieder vor dem Stillstand, wenngleich auch ihm der nötige Facettenreichtum im Schwarz-Weiß-Gefilde des stumpfen Drehbuchs von Andy Bellin nicht vergönnt wird. Gleiches gilt aber für das gesamte Ensemble, das mit Namen wie Sharon Stone ("Basic Instinct") oder James Franco ("Spring Breakers") reichlich prominent aufwartet.


Wenn sich „Lovelace“ auf der Zielgeraden bewegt, dann wurde wenig über die einschneidende Spanne reflektiert und noch weniger das Innenleben der Protagonisten durchleuchtet. Atmosphärisch gelingt es „Lovelace“ zwar mit körnigem Zeitkolorit die richtige Stimmung zu erzeugen, doch berührend, informierend, ansprechend oder wirklich unterhaltsam ist das Geschehen schon nach 15 Minuten nicht mehr, dazu ist die Inszenierung und Narration zu fest in ihrer wackeligen Dramaturgie gefangen, die jeder Anarchie, die auch Attribut dieser Epoche war, entsagt. Es gibt jedoch eine Szene, in der Linda mit ihrem Vater (gespielt von Robert Patrick) telefoniert und dieser ihr sagt, ihren Film gesehen zu haben, die echte Emotionen entfaltet und aufzeigt, in welche Richtung das Ganze hätte steuern müssen. Letztlich werden Entwicklungen im Eilschritt abgehakt, aber nicht argumentativ unterlegt, es geschieht, was geschehen ist, mit fiktiver Bereicherung ausgestattet. Da kann auch in ein gelungener Gegenschnitt nicht helfen, der der rosaroten Welt aus Ruhm und Glanz in der Mitte des Films in ihr wahres Gesicht blicken lässt.


4 von 10 oralen Penetrationen


von souli

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