Fakten:
Shape of Water – Das Flüstern des
Wassers (The Shape of Water)
USA, CA, 2017. Regie: Guillermo del
Toro. Buch: Guillermo del Toro, Vanessa Taylor. Mit: Sally Hawkins, Michael
Shannon, Michael Stuhlbarg, Richard Jenkins, Doug Jones, Octavia Spencer, David
Hewlett, Nick Searcy, Nigel Bennett u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: Freigegeben
ab 16 Jahren. Im Kino.
Story:
In einer wissenschaftlichen
Regierungseinrichtung wird ein sensationeller Fund von höchster Priorität eingeliefert:
Ein Wesen, halb Mensch halb Amphibie, gefangen genommen irgendwo im
Amazonasgebiet, bisher völlig unerforscht. Die stumme, einsame Reinigungskraft
Elisa baut unbemerkt eine Beziehung zu der Kreatur auf. Mehr noch, es
entwickelt sich eine verbotene Liebesgeschichte…
Meinung:
Mit stattlichen 13
Oscar-Nominierungen im Gepäck geht Guillermo del Toro’s neuestes Werk Shape of
Water – Das Flüstern des Wassers sicher für alle etwas überraschend – zumindest
in dem Ausmaß – als nominell großer Favorit ins alljährliche Wettrennen um den
begehrten wie in seiner künstlerischen Bedeutung unlängst auch arg überschätzten
Goldjungen, aber wenn die Veranstaltung eins definitiv generiert, dann positive
Publicity, internationale Aufmerksamkeit und somit in der Regel ein kommerzieller
Erfolg. All das sei del Toro ohnehin und generell gegönnt, denn der gebürtige Mexikaner
zählt schon seit langem zu den kreativsten und liebenswertesten (trotzdem und
auch deswegen so wichtig) Mainstream-Regisseuren der Welt, dem selbst
Ausrutscher wie zuletzt sein optisch gewohnt prächtiger, aber ansonsten sehr
verzichtbare Crimson Peak bisher nicht ernsthaft schaden.
Liebe auf den ersten Blick? |
Angesiedelt in den USA der 1950er
Jahre erzählt Shape of Water – Das Flüstern des Wassers die ungewöhnliche
Liebesgeschichte zwischen der stummen, einsamen Putzfrau Elisa (enorm
liebenswert ohne falsches Mitleid zu heucheln: Sally Hawkins) und einem
sonderbaren Amphibien-Wesen (del Toro’s Creature-Buddy Doug Jones), das in
einem Labor zu Regierungszwecken gefangen gehalten wird. Schließlich ist gerade
Kalter Krieg und jede individuelle Entdeckung oder Entwicklung, von der der
böse Ruski nichts mitbekommt, könnte entscheidend sein…auch wenn wir noch nicht
mal ahnen, wie die in diesem speziellen Fall aussehen könnte oder ob hier
einfach eine Laune der Natur für nichts und wieder nichts als streng geheime
Staatssache behandelt wird. Haben ist besser als Brauchen, so viel steht schon
mal fest. Trotz der ganzen Geheimniskrämerei hat Reinigungskraft Elisa mehr
oder weniger uneingeschränkten Zugang zu der Kreatur und baut auf der Basis von
gekochten Eiern und Musik vom Plattenspieler eine behutsame Beziehung zu ihr
auf, die irgendwann in einer gewagten Rettungsaktion und schlussendlich sogar
in einer „verbotenen“ Liebesbeziehung gipfelt, während Ost und West sich noch
nicht ganz sicher sind, was sie genau gerade jagen und wofür das eventuell gut
sein könnte. Ist ja auch wurscht, Hauptsache der andere bekommt es nicht.
Glatzköpfe unter sich |
Ein Film erbaut auf Gegensätzen,
die sich beißen oder wunderbar ergänzen. Mal sind die unüberwindbar und Grund
für Feindseligkeiten, mal fügen sie sich ineinander wie zwei kaputte
Puzzleteile, die sich maximal insgeheim und nie bewusst gesucht, aber nun
plötzlich passend gefunden haben. Einiges funktioniert (wie die sehr redselige
und immer stumme Putz-Kombo), oder eben nicht (wie die Amis und die Russen beim
Artenschutz aus Vernunftgründen), weil es logisch ist. Und einiges passt
einfach, weil es dafür keine empirische Begründung gibt, nur ein Gefühl. Guillermo
del Toro gelingt ein sehr schöner, fantasievoller Liebesfilm mit einem überdeutlichen
Appell an Toleranz, der sowohl von Rassismus, gesellschaftlicher
Klassendiskriminierung und natürlich der selten fundierten Angst vor dem „Fremden“
und „Andersartigen“ erzählt (womit nicht nur Fisch-Wesen, sondern auch Menschen
mit anderer politischer Weltanschauung gemeint sind), technisch exzellent ohne
CGI-Overkill und mit ganz viel investiertem Herzblut, das ist unverkennbares del-Toro-Kino,
das ihn und seine Art des Filmemachens speziell heutzutage so unverzichtbar wie
notwendig macht.
Dieser für US-Mainstream- und
besonders potenzieller Oscar-Gewinner erstaunlich freizügige und ungezwungene
Film (sei es die Darstellung von Masturbation als Morgenritual oder
ausgewählter, aber nicht zurückhaltender Gewaltdarstellung, vor der die meisten
Filme in der Position sicherlich zurückgeschreckt hätten) hat eigentlich nur
ein Problem: Er ist gar nicht (mehr) so unkonventionell, wie er es wohl gerne
sein möchte, wie man es erhofft hätte und wie es bei einem del Toro in Bestform
schon war. An sein Premium-Stück Pan’s Labyrinth kommt er nicht heran, ist
sogar relativ vergleichbar mit anderen Filmen, die heute noch unabhängig von
ihrer Veröffentlichung noch eine größere Magie entfalten. Edward mit den
Scherenhänden ist da ein gutes Beispiel. Dieser thematisiert praktisch das
Gleiche, versteht es aber noch individueller zu verkaufen. Shape of Water – Das
Flüstern des Wassers ist ein guter, sogar ein sehr guter Film, der aber den
ganz Großen nicht das Wasser reichen kann, irgendwo sichtlich hinter seinen
Möglichkeiten zurückbleibt. Aber trotzdem ist er so herzlich und liebevoll
umgesetzt, dass er jedem ans Herz gelegt werden sollte. Allein del Toro’s unverkennbare
Verneigung vor dem Kino an sich zeigt: Er ist immer noch einer von uns, mit
Leib und Seele. Kein Meisterwerk, aber zu schön um einfach nur „gut“ zu sein.
7,5 von 10 schwarzen Fingern