Fakten:
Blade Runner 2049
USA, GB, 2017. Regie: Denis
Villeneuve. Buch: Hampton Fencher, Michael Green. Mit: Ryan Gosling, Harrison
Ford, Sylvia Hoeks, Robin Wright, Jared Leto, Ana de Armas, Mackenzie Davis,
Dave Bautista, Sean Young, Edward James Olmos u.a. Länge: 164 Minuten. FSK:
Freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.
Story:
Im Jahr 2049 sind Replikanten
wieder vereinzelt im Arbeitseinsatz, abtrünnige Modelle werden nach wie vor von
Blade Runnern gejagt und in den Ruhestand geschickt. Einer dieser Blade Runner
ist „K“, selbst ein Replikant. Bei einem seiner Einsätze macht er eine höchst
brisante Entdeckung: Die beerdigten Überreste eine Replikantin, die offenbar
ein Kind zur Welt gebracht hat! „K“ erhält den Auftrag, der Spur nachzugehen
und zu verhindern, dass irgendetwas darüber an die Öffentlichkeit gerät. Soll
heißen: Das Kind aufspüren…und in den sehr frühen „Ruhestand“ schicken.
Meinung:
Einer der mit Sicherheit am
heißesten erwarteten und gleichzeitig im Vorfeld mit einer Menge Skepsis begegneten
Filme der letzten Jahre: Blade Runner 2049, Das ewig angekündigte, immer wieder
verschobene und nun doch endlich realisierte Sequel zu Ridley Scott’s zum
Kultfilm avancierten Meisterwerk Blade Runner von 1982. Scott selbst übernimmt
nicht mehr die Regie, beschränkt sich auf die Rolle des Produzenten (eine weise
Entscheidung) und räumt den Stuhl für Denis Villeneuve, der sich mit Filmen wie
Prisoners, Sicario und Arrival in den letzten Jahren sowohl beim breiten
Publikum wie den meisten Kritikern einen klangvollen Namen machen konnte. Nun
wird ihm also diese Ehre wie Bürde zuteil, sich an die Fortsetzung eines Films
zu machen, die zwar viele irgendwo immer wollten, genau genommen aber niemand
jemals gebraucht hat und an der man so gesehen nur scheitern könnte. Gerade mit
der bisher starken Reputation eines Villeneuve geht er ein hohes Risiko ein: Gnadenlos
durchzufallen, selbst bei einem für sich betrachtet ganz ordentlichen Film, ist
hier ein Leichtes. Viel zu viel kann, darf und muss man auch von so einem
tollkühnen Projekt erwarten. Dem gerecht zu werden ist beinah unmöglich und
somit die Fallhöhe gigantisch, besonders wenn man – wie im Falle von Villeneuve
– ja nicht mehr auf sich aufmerksam machen braucht. Er konnte fast nur verlieren
und belehrt alle doch zum Glück eines Besseren.
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Alte Gegend... |
Suggerierten die Trailer bis vor
Kinostart noch, dass dieser Blade Runner sich den Gepflogenheiten aktuellen
Blockbusterkinos mehr anpassen würde, gibt es Grund zur Entwarnung: Nein, Blade
Runner 2049 ist kein Actionfilm geworden, kommt nicht mal in die Nähe des
Genres. Die wenigen Actioneinlagen aus über 160 Minuten wurden nur im Trailer
als Eye-Catcher verwendet und haben womöglich einige Zuschauer in die Kinos
gelockt, die (wahrscheinlich ohne Vorkenntnis der Originals) sich ein wenig
verschaukelt vorkommen werden. Man muss den Verantwortlichen in diesem Punkt
schon ganz klar Absicht und wirtschaftliches Kalkül unterstellen, ein
enttäuschtes Feedback seitens dieses Publikums ist somit verständlich und wurde
wissentlich in Kauf genommen. Ob das so sinnvoll war, sei mal dahin gestellt.
Im Umkehrschluss heißt das natürlich für alle anderen: Aufatmen, fallen lassen
und genießen, denn Hampton Fencher hält an den Stärken seines Skripts von damals fest. Dennoch nicht so dogmatisch, dass hier reiner Fan-Service betrieben wird.
Es ist kein verstecktes Remake, nicht der eigene Replikant. Blade Runner 2049
ist ein echtes Sequel, das nicht ausschließlich und verbissen in der
Vergangenheit schwelgt, sondern bereit ist sich logisch und vor allem sinnvoll weiter
zu entwickeln. Was aufgrund des riesigen Rucksacks wahnsinnig viel Mut und
Talent erfordert, aber davon ist reichlich vorhanden.
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...alte Bekannte... |
Villeneuve und Fancher bleiben der Sci-Fi-Noir-Stimmung
des Vorgängers treu, drosseln das Tempo gegen den Trend des Ungeduld- und
Zappelphilipp-Kinos gehörig und verlassen sich lieber auf eine behutsam
aufgebaute Geschichte, verpackt in eine alles für sich vereinnahmende Atmosphäre,
die tatsächlich der des ersten Blade Runner gleichkommt. Ohne sie direkt zu
kopieren, wie alles an diesem Film sich ein gesundes und notwendiges Maß an
Eigenständigkeit bewahrt und doch immer mal wieder das Original im angebrachten
Rahmen zitiert. Die Handlungen bauen aufeinander auf, Überschneidungen sind
wichtig und richtig, dennoch ließe sich der Film sogar ohne Vorkenntnisse mühelos
konsumieren (von Vorteil sind sie natürlich trotzdem). Blade Runner 2049 ist autonomer
als gedacht, stößt Fans dabei keinesfalls vor den Kopf. Er nimmt sie viel
deutlicher ernst, indem er ihnen nicht einfach nur das Gleiche in so ähnlich
noch mal gibt. Dadurch ist dieser Film auch nicht mehr so subtil, so
doppelbödig. Schiebt keinen Krimiplot mehr vor um zwischen den Zeilen eine
Diskussion über das Menschsein loszustoßen, ist sehr konkret in seinem Inhalt,
aber alles andere wäre doch auch zwecklos. Warum nochmal unter vorgehaltener
Hand in Gleichnissen sprechen, wenn kaum ein Film so sehr analysiert und
seziert wurde wie Blade Runner über die Jahre? Wir wissen es doch alle, also
gleich Klartext. Das ist reif, das zeugt von Größe und Verständnis. Genau
richtig so.
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...aber trotzdem eine Reise ins Ungewisse. |
Dekodiert vorzugehen heißt nicht
automatisch weniger komplex zu sein. Auch Blade Runner 2049 stellt nach wie vor
die bekannten Fragen, ohne so vermessen zu sein darauf die eindeutigen
Antworten abliefern zu wollen. Hievt die Diskussion gar noch eine Ebene höher:
Wenn „etwas“ geboren wurde, beginnt nicht spätestens dann die menschliche
Existenz, auch im spirituellen Sinne? Oder ist diese „Grenze“ nicht schon
längst überschritten worden? Auch schon vor 30 Jahren? Ich habe ein
Bewusstsein, also bin ich doch…oder? Das alte Thema, neu angepackt, frisch
aufgemotzt und da ist dieser Film ein Musterbeispiel, wie die Mittel des
modernen Kinos verwendet werden sollten, ohne sich auf ihnen nur auszuruhen. Von
seinen Bildern, seiner Soundkulisse, seinen Effekten und seinen Setpieces ist
Blade Runner 2049 atemberaubend. Macht das, was vor 35 Jahren eben noch nicht
möglich war, was heute nur legitim und vernünftig ist. Wenn man denn, ganz
nebenbei, auch noch seine Geschichte wertschätzt, sollte man überhaupt eine
besitzen. Das lässt sich vielen Blockbustern kaum unterstellen. Dieser hier
schlägt die Brücke zwischen Staunen und Erzählen als wäre es so
selbstverständlich, wie es leider selten der Fall ist.
Um es abzuschließen, denn ob Blade
Runner 2049 gelungen ist oder nicht dürfte ja bereits eindeutig und mit ganz
viel Euphorie beantwortet sein: Ist er denn tatsächlich sogar ebenbürtig zu
seinem überlebensgroßen Vorbild? Ja, ist er! Eben weil er anders ist. Anders
genug, um nicht im Direktvergleich zwangsläufig zu verlieren. Und weil er
trotzdem noch so nah dran ist, dass sie noch wirken wie aus einer Welt. Halt 30
Jahre später. Das so hinzubekommen, Hut ab, Chapeau und alles, was es sonst so
gibt. Denis Villeneuve hat seinen besten Film bisher abgeliefert und jetzt nur
ein richtiges Problem: Sein nächster Film muss (erstmals seit Prisoners) einfach
schwächer werden. Sonst wird es ehrlich gesagt echt unheimlich.
9 von 10 Kindheitserinnerungen
eines Replikanten