KR. 2016. Regie & Buch: Na
Hong-jin. Mit: Kwak Do-won, Hwang Jung-min, Chun Woo-hee, Jun Kunimura, Kim
Hwan-hee u.a. Länge: 156 Minuten. FSK: ungeprüft. Noch kein deutscher
Starttermin.
Story:
Eine seltsame Krankheit macht
sich breit in dem kleinen Dorf in Südkorea. Menschen zerfleischen sich
gegenseitig, haben seltsame Blasen auf der Haut und verfallen dem Wahn. Der
etwas trottelige Polizist Jong-Goo soll Gerüchten auf den Grund gehen und stößt
an seine Grenzen, als seine eigene Tochter ebenfalls betroffen ist. Alsbald
deckt sich mehr auf, als irgendein Mensch je wissen wollte.
Meinung:
Schon seit einigen Jahren ist
Südkorea der neuentdeckte Markt für knallharte Action, kompromisslose
Genrefilme und ungezügelte Thrillerkost. Von einem Geheimtipp kann man
mittlerweile gar nicht mehr sprechen, haben einige der erfolgreichsten
Regisseure doch bereits weltweiten Ruhm erlangt und in den vergangenen Jahren
auch Hollywoodprojekte realisiert. Dennoch handelt es sich bei den Filmen, die
es auf unseren westlichen Markt schaffen meistens um Kollaborationen der
gleichen Ansammlung an Akteuren und Regisseuren. Abseits davon ist es um die
Veröffentlichungspolitik jedoch deutlich schwieriger bestellt und so muss ein
Film wie The Wailing auch nach
lobender Festivalteilnahme auf einen deutschen Release warten – und das obwohl
sein Regisseur Na Hong-jin bereits
zwei bekanntere Vertreter dieses neuen Kinos abgeliefert hat.
Schlechtes Wetter steht auf der Tagesordnung
The Wailing beginnt ruhig, geradezu bedächtig fängt er ein optisch
beeindruckendes Landschaftspanorama ein und präsentiert daraufhin einen älteren
Mann beim entspannten Angeln. So friedlich und unbeschwert soll es in den
darauffolgenden zweieinhalb Stunden freilich nicht mehr zugehen, denn schon im
nächsten Augenblick wird unser Protagonist Jeon Jong-gu in den frühen
Morgenstunden geweckt und als Polizist zum Tatort eines grausamen Verbrechens
beordert. Der blutige Mord an einer kompletten Familie und der mit seltsamen
Auswüchsen bedeckte Täter sind jedoch nur der Anfang eines blutrünstigen
Abstrusitätenkabinetts, welches zusehends die komplette Kleinstadt in Beschlag
nimmt. Der Wahnsinn hält Einzug und die Bewohner sind ratlos. Auch der ohnehin
etwas tollpatschige Jeon und seine Kollegen kommen bei den Ermittlungen nicht
recht weit und sitzen eher ihre Zeit ab als wirkliche Nachforschungen
anzustreben. The Wailing lässt sich
einiges an Zeit, bevor er seinen Konflikt zuspitzt, verdichtet währenddessen
jedoch gekonnt seine Atmosphäre und erzeugt Spannung, indem er die verfluchte
Stadt weiter in den Abgrund reißt. Von persönlichen Motiven angetrieben muss
auch Jeon seine Grenzen überschreiten, bevor er das Schicksal seiner Familie in
dem emotional äußerst wirkungsvollen Schlussakt selbst in der Hand hat.
Besser draußen bleiben!
Für manche Zuschauer dürfte The Wailing durchaus zu einer Geduldsprobe
verkommen, erzählt er seine Geschichte doch keinesfalls pointiert und direkt,
sondern schweift immer wieder ab um sich in atmosphärischer Tristesse dem Leid und
der Verwirrung seiner Figuren zu widmen. Dabei reichert der Film seine
Erzählung früh mit religiöser Symbolik an, die sich größtenteils jedoch erst
nach dem Ende erschließt und zuvor reichlich nebulös zur allgemeinen
Verunsicherung beiträgt. Über weite Strecken ist man der Hauptfigur gleich im
schieren Wahnsinn der Situation gefangen ohne dabei einen wirklichen Ausweg zu
erkennen und so gilt es fröhlich im Dunkeln zu tappen, bis man irgendwann das
Licht am Horizont erblickt. Das liegt wohl auch daran, dass sich der dritte
Film von Na Hong-jin nur bedingt an
dramaturgische Konzepte und bewährte Elemente hält und somit im Laufe des Films
vieles offenbleibt. Somit ist The
Wailing wohl gerade für Genrekenner interessant, weil bekannte Stereotypen
immer wieder von neuartigen Seiten betrachtet und damit beinahe subversiv
montiert werden.
Selbst wenn man die ohnehin
grundverschiedenen Sehgewohnheiten außenvorlässt, ist The Wailing immer noch ein sehr eigensinniger und andersartiger
Film. Als düsteres Potpourri bedient er zahlreiche Elemente des Dramas, sowie
des Horror-, Mystery- und Thrillergenres, gibt sich jedoch nicht mit den
typischen Mustern zufrieden, sondern denkt viele Aspekte auf interessante Weiße
um. Lange tappt man als Zuschauer ebenso wie der tollpatschige Protagonist im
Dunkeln, ehe sich gegen Ende alle Fäden vereinen und die bisherigen
Geschehnissen in einem anderen Licht beleuchtet werden. Erst dann offenbart The Wailing seine inhaltliche
Raffinesse, ebenso wie einen Bezug zu weltlichen Geschehnissen, was ihm final
noch eine deutlich stärkere Tragkraft verleiht.
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