Review: JUNGES LICHT – Coming-of-Age aus Deutschland

Fakten:
Junges Licht
DE. 2016. Regie: Adolf Winkelmann. Buch: Till Beckmann, Nils Beckmann, Adolf Winkelmann, Ralf Rothmann (Vorlage). Mit: Oscar Brose, Charly Hübner, Lina Beckmann, Magdalena Matz, Stephan Kampwirth, Peter Lohmeyer, Nina Petri u.a. Länge: 122 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.

Story:
Die 60er-Jahre, ein Sommer im Ruhrgebiet. Der Krieg ist vorbei. Das Ruhrgebiet sorgt mit Kohle und Stahl für das Wirtschaftswunder und den Fortschritt der gesamten Republik. Die Gastarbeiter sind schon da und Tante-Emma-Läden noch rentabel; Rauchen gilt nicht als gesundheitsgefährdend und Currywurst als nahrhaft. Während die Männer unter Tage malochen, vertreiben sich die Jungen ihre Zeit mit Zigaretten, Bier und Obszönitäten. Doch der 12-jährige Julian ist anders. Er kümmert sich liebevoll um seine kleine Schwester, schmiert Brote für seinen Vater und dient sonntags in der Messe. Mit Neugier beobachtet er, was um ihn herum geschieht. Besonders angetan hat es ihm die frühreife Nachbarstochter Marusha, die jedoch nicht nur den Jungen fasziniert.




Meinung:
Die Nachkriegszeit, sprich die 50er und 60er Jahre, haben im deutschen Film lange Zeit eine übergeordnete Rolle gespielt. Waren es einerseits Heimatfilme, die erneut Wertvorstellungen vermitteln und die Wichtigkeit von Zusammenhaft hervorheben wollten, so fanden andererseits auch klassische Dramen ihren Weg in die Kinos. Die Romanadaption Junges Licht widmet sich erneut dieser bereits verlorengegangenen Art von Nachkriegsfilm und koppelt sie mit einer moderneren Entwicklung, dem Coming-of-Age Film. Dabei ist der neueste Film von Adolf Winkelmann im positiven wie negativem Sinne altmodisch.

 
Sonntagsausflug
Als Mischung aus Nachkriegsdrama und Coming-of-Age Film wirkt Junges Licht oftmals recht unentschlossen, welcher Facette er sich vorrangig widmen will. Gelingt es ihm zunächst gut die Hoffnungs- und vor allem Ausweglosigkeit des alltäglichen Lebens der damaligen Zeit zu porträtieren, so verliert er sich später etwas zu stark im typischen Erwachsenwerdens des Protagonisten. Gerade ein Satz wie: „Abhauen gibt’s nicht, wär schön, aber gibt’s nicht“, welchen der einfache Familienvater gegen Ende des Films äußert, hallt nach. Im Kontrast zu all den Erwachsenen, die ihre Träume und Ziele bereits aufgegeben haben, funktioniert der junge Julian als Hauptfigur wirklich gut, auch wenn er immer wieder droht in etwas naive Klischees abzudriften. Vieles wirkt vertraut, was man dem Film sowohl als Vor- wie auch als Nachteil auslegen kann. Hat man diese Elemente einfach zu oft gesehen oder schafft es Junges Licht schlichtweg die Befindlichkeit dessen, was typisch Deutsch ist, einzufangen? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen, was den Film auf jeden Fall zu einer (be)lohnenden Erfahrung macht, denn oftmals kann die Auseinandersetzung selbst, ungeachtet der filmischen Qualität, bereits Grund genug sein. Glücklicherweise bietet diese Romanadaption in beiderlei Hinsicht etwas.

 
Frühstück im Pott
Neben einer ruhigen und unauffälligen Inszenierung fallen immer wieder Spielereien mit dem Format auf, die den ansonsten sehr klassischen Film auflockern. Leider ist der Wechsel zwischen schwarz-weiß und der Sprung vom Breitbild- zum 4:3-Format, der immer wieder stattfindet, nicht mehr als reine Spielerei. Als simples Wachrütteln des Zuschauers funktioniert der auffällige Formatwechsel durchaus, doch darüber hinaus scheint er weder bestimmten Gesetzmäßigkeiten zu folgen, noch von inhaltlicher Relevanz zu sein. Schade, hätte man diesen formalen Ansatz ernster genommen und bewusster eingesetzt, dann hätte der ansonsten eher im Erzählkino verankerte Film auch aus ästhetischer Hinsicht relevant sein können. So funktioniert das Ganze immerhin als markante Erinnerung daran, wie sehr sich das Medium in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt hat. Dennoch wäre mehr möglich gewesen und vielleicht ist dieser fehlende Wagemut auch symptomatisch für das, was im deutschen Kino noch viel zu oft fehlt. Trotzdem, und das soll erneut betont werden, ist Junges Licht ein durchaus sehenswerter Beitrag, der im gerade für den deutschen Film überaus gelungenem Jahr 2016 zwar etwas hinter den Höhepunkten zurückfällt, aber nichtsdestotrotz einen erwähnenswerten Beitrag darstellt.

Junges Licht wird als Zeit- und vor allem Ortsporträt vor allem diejenigen erreichen, die einen persönlichen Bezug zu dem Film aufbauen können. Das kann in vielerlei Hinsicht funktionieren, durch Identifikation mit dem jungen Julian, Antizipation der damaligen Umwelt oder dem Wiederfinden inmitten der authentischen Welt. Dabei hilft es natürlich ungemein, wenn man mit der damaligen Zeit oder auch nur dem Ruhrgebiet etwas verbindet, denn genau für diese Zuschauer wurde die Romanadaption wohl gedreht. Doch auch alle anderen dürfen einen wirklich ordentlich erzählt, gespielt und inszenierten Film genießen.


6 von 10 Mal von Zuhause abgehaut

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