Fakten: Fack ju Göhte 2
DE, 2015. Regie & Buch: Bora Dagtekin. Mit: Elyas M´Barek, Karoline
Herfurth, Katja Riemann, Jana Pallaske, Volker Bruch, Jella Haase, Max von der
Groeben, Alwara Höfels, Johannes Nusbaum, Uschi Glas, Farid Bäng, u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab
12 Jahren. Ab 25. Februar 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Die Goethe-Gesamtschule soll ihren Ruf verbessern, um eine wichtige
Werbekampagne
abzustauben. Daher wird eine Klassenfahrt nach Thailand geplant, wo dem
konkurrierenden
Schillergymnasium eine dortige Partnerschule weggeschnappt werden soll.
Ex-Ganove und
mittlerweile offizieller Lehrer Zeki Müller wird beauftragt, zusammen mit
seiner Kollegin und Partnerin Frau Schnabelstedt die Leitung dieser Klassenfahrt
zu übernehmen. Zeki verfolgt allerdings ganz andere Pläne, denn er ist hinter
den Diamanten vom letzten Überfall her, die versehentlich nach Thailand gelangt
sind. Turbulenzen und Chaos sind vorprogrammiert.
Meinung: Auch wenn der erste Teil von "Fack ju Göhte" in seinem
Erscheinungsjahr 2013 mehr als
gespalten aufgenommen wurde, hat Regisseur Bora Dagtekin mit seiner Komödie
unbestreitbar einen Nerv in der deutschen Kinolandschaft getroffen. Mit über 5
Millionen Besuchern wurde der Film zum erfolgreichsten des gesamten Kinojahres,
was er sicherlich seinem rücksichtslosen, respektlosen Humor, welcher
überwiegend unter die Gürtellinie zielt, sowie der Star-Power von Hauptdarsteller
Elyas M´Barek zu verdanken hat.
In Thailand findet Zeki weder Ruhe noch Erholung
Wie es bei solchen Kassenschlagern nun mal üblich ist, hat eine Fortsetzung
natürlich nicht lange auf sich warten lassen und so gibt es mit "Fack ju
Göhte 2" nun Nachschlag von der Klasse 10b der Goethe-Gesamtschule und
ihrem eher unfreiwilligen Lehrer sowie Ex-Knacki Zeki Müller. Wer sich schon
beim Vorgänger vor Lachen nicht mehr halten konnte, kann mit der Fortsetzung
wenig falsch machen und wird auch hier seinen Spaß haben. Regisseur und
Drehbuchautor Bora Dagtekin kopiert mehr oder weniger das komplette Erfolgsrezept
von Teil 1, dreht hier und da an einigen Schräubchen und bietet im Prinzip mehr
vom gleichen. Das Schulhof-Pauker-Setting wird diesmal allerdings recht früh
verlassen, denn es geht ab auf Klassenfahrt nach Thailand, wo die Goethe-Gesamtschule
ordentlich Imagepflege betreiben soll und Zeki insgeheim seine Diamanten zurückholen
will, die seine Freundin versehentlich im Inneren eines Stofftier-Maskottchens
zur Spende weggeschickt hat. Dass "Fack ju Göhte 2" den Schauplatz also
nach Thailand verlegt, lässt sicherlich nicht zufällig gedankliche Parallelen
zu einer anderen, extrem erfolgreichen US-Komödie aufkommen, welche in ihrer
Fortsetzung ebenfalls nach T-Hailand verlagert wurde.
Chantal ist mit sich sehr zufrieden
Nichtsdestotrotz zählt "Fack ju Göthe 2" vor allem über die ersten
beiden Drittel hinweg zu einer dieser Fortsetzungen, die nicht schlechter sind
als ihre Vorgänger und somit als angemessene Weiterführung bezeichnet werden
kann. Auch wenn der Schauplatz Thailand selbst überwiegend für idyllische
Strandaufnahmen oder exotische Dschungel-Wanderungen herhalten muss, ist es erneut
die Dynamik zwischen Schulklasse und Lehrer, die wieder stimmt. In Sachen
politisch unkorrektem Humor, dreisten Zoten, plumpem Slapstick oder einfach nur
herrlich bescheuerten Gags bedient Dagtekin wieder einmal sämtliche Klischees,
die sich im Bezug auf Ausländer-Stereotypen, prollige Typen oder
unterbelichtete Schülerinnen-Dummchen anbieten und legt teilweise sogar noch
ein paar Schippchen drauf. Jella Haase, die sich in der Rolle der völlig debilen,
aber auch sympathischen Ghetto-Braut Chantal bereits im ersten Teil zum
heimlichen Publikumsliebling mauserte, bekommt hier noch mehr Screentime
zugestanden und überhaupt wirkt die gesamte Truppe wesentlich eingespielter und
harmoniert noch besser zusammen. ElyasM´Barek funktioniert ebenfalls wieder
sowohl als Sympathieträger wie auch vulgärer Prolet, während Karoline Herfurth
deutlich zurückstecken muss und diesmal sehr wenig Screentime hat. Für frischen
Wind während des Klassenausflugs sorgt wiederum Volker Bruch, welcher als
Lehrer der Konkurrenzklasse des Schillergymnasiums zum ernstzunehmenden Gegner
für Zeki wird und vor allem in den gemeinsamen Szenen mächtig aufdreht.
Partytime am Airport - nur Zeki macht schlaff
Wer will, kann also viele herzhafte Lacher mitnehmen, denn "Fack ju Göhte
2" ist in seiner naiv-niveaulosen Art, mit der er sowohl die porträtierte
Zielgruppe bedient, aber auch diverse andere Gesellschaftsschichten anspricht,
ein durchaus charmant-kurzweiliges Vergnügen, bei dem man ruhig zugeben kann,
dass man sich unterhalten fühlt. Bei einer Sache hat Dagtekin aber absolut nichts
dazugelernt und das ist das wie auch schon im Vorgänger gründlich vermasselte Schlussdrittel.
Wenn in der Handlung schließlich Waisen-Kinder, die aus der Tsunami-Katastrophe
hervorgingen, als moralischer Katalysator missbraucht werden, billigstes
McDonald´s-Product Placement eingeschoben wird und auch noch jeder einzelne Problemfall
der Klasse 10b einen möglichst tragischen Hintergrund in Form des Elternhauses
angedichtet bekommt, was wiederum in einer zutiefst rührselig gestalteten und
mit manipulativ aufgesetzten Emotionen durchzogenen Sequenz aufgelöst wird,
wird es irgendwo zuviel. Dass Dagtekin wieder nicht den Mumm hatte, sein
Konzept, welches eben gerade aufgrund solch unzweckmäßiger, ohne
Hintergrundgedanken ausgelebter Späße so unterhaltsam und charmant wirkt, voll
durchzuziehen, reißt den Streifen wie auch schon Teil 1 massiv runter und
schwingt im gefühlten Minutentakt die leidige Wiedergutmachungs-/Versöhnungskeule.
Da auch "Fack ju Göhte 2" kurz nach seinem Kinostart bereits einige
Rekorde gebrochen hat und auf finanziellen Hochkurs geht, was die
Einspielergebnisse angeht, ist ein dritter Teil nicht unwahrscheinlich. Zu
wünschen wäre es, dass Bora Dagtekin hier vielleicht endlich mal die Moralkeule
stecken lässt und sich ganz dem unverfrorenen Exzess sowie charismatischen
Sympathie-Faktor hingibt, welcher dann von Anfang bis Ende durchgezogen werden
sollte.
Deutschland.
2014. Regie: Neele Leana Vollmar. Buch: Andreas Bradler, Klaus Döring,
Christian Lerch. Mit: Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth, Ronald
Zehrfeld, Milan Peschel, Axel Prahl, Anke Engelke, David Kross, Katharina
Thalbach u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: Ab 0 Jahren freigegeben. Auf DVD und
Blu-Ray erhältlich.
Story: Der zehnjährige Rico (Anton Petzold), der von sich selbst sagt, dass er
„tiefbegabt“ sei, weil sein Kopf mit seinen Gedanken Bingo spielt, lebt mit
seiner Mutter (Karoline Herfurth) mitten in Berlin, hat nicht viele Freunde und
sucht stattdessen allerlei Krimskrams, der auf dem Boden liegt. Dabei lernt er
den zwei Jahre jüngeren Oskar kennen, der stets einen Helm trägt und als
hochbegabtes Kind so manchen Erwachsenen in brenzlige Situationen bringt. Die
beiden freunden sich an und Rico freut sich auf das nächste Treffen mit Oskar.
Doch Oskar taucht nicht auf. Vielleicht hat ja der mysteriöse „Mister 2000“,
der schon mehrere Kinder entführt hat, damit zu tun. Rico macht sich trotz
seines kleinen Handicaps auf die Spur des Entführers.
Meinung: „Rico, Oskar und die
Tieferschatten“ ist ein Kinderfilm, ja. Aber nicht jeder Kinderfilm ist auch
tatsächlich nur für Kinder. Hier haben wir ein Exemplar, an dem die ganze
Familie, egal ob jung oder alt, Spaß haben kann. Der auf dem gleichnamigen Buch
von Andreas Steinhöfel basierende Film erzählt dabei eine tolle Geschichte über
Freundschaft und Anderssein, wobei auch eine wahrlich spannende
Kriminalgeschichte nicht fehlen darf.
Auch beim Eisessen sind sie unzertrennlich
In den Hauptrollen haben wir zwei Jungen, die ihre Sache für ihr Alter extrem
gut machen. Anton Petzold spielt Rico. Der ist zehn Jahre alt und „tiefbegabt“.
Er verbindet Bauernschläue mit einer großen Portion Einfältigkeit oder anders
ausgedrückt: Denken kann und tut er viel, nur wirbeln seine Gedanken in seinem
Kopf umher wie die Kugeln bei Bingo, wobei er, auch wenn es nie genannt wird,
wohl auch als ADS-Kind bezeichnet werden kann. Dafür ist er ein liebenswertes und
aufgewecktes Kerlchen, das am liebsten die ganze Welt entdecken will und einen
riesigen Wissensdurst hat. Ihm zur Seite steht Oskar, gespielt von Juri
Winkler. Er ist acht Jahre, hochbegabt, bringt mit seinen geschliffenen
Sprüchen so manchen Erwachsenen zum Staunen und sein besonderes Markenzeichen
ist ein Helm, den er stets auf dem Kopf trägt. Beide zusammen sind ein so
sympathisches Duo, dass man sie einfach ins Herz schließen muss. In den
erwachsenen Nebenrollen hat sich die deutsche Schauspielelite versammelt.
Karoline Herfurth mit süßem und sehr direktem Berlin-Dialekt, Axel Prahl mit dichtem
Rauschebart und Milan Peschel mit einer Brille, die Puck der Stubenfliege
Konkurrenz macht, sind nur drei von zahlreichen hier vertretenen Stars des
deutschen Films.
Junge, du hast'n Helm auf'm Kopf!
Der Film selbst wartet mit einigen interessanten und verspielten Sequenzen auf.
So sehen wir immer wieder kleine gezeichnete Einschübe im Comic-Stil, die als
Übergänge zwischen einzelnen Szenen oder als bildhafte Erklärung für Ricos
Gedanken dienen. Auch im Intro wird dieses Element verwendet, unterlegt mit
moderner, deutschsprachiger Popmusik, die aber gut in den Film hineinpasst und
auch textlich den Film stark unterstützt und so nicht aufdringlich wirkt. Die
Überforderung des „kleinen Mannes“ Rico wird mit schnellen Schnitten,
verschwommenen Bildern, Zeitraffer und vielen anderen Spielereien auch optisch
hervorragend deutlich gemacht. Die Titelgebenden Tieferschatten werden sehr
originell eingebaut und die Farben des Films sind sehr intensiv, ohne aber zu
grell zu sein, was ebenfalls ein sehr warmes, harmonisches Gefühl vermittelt.
Auch Humor gibt es viel, sei es durch Missverständnisse, Entlarvung der Dummheit
der auf die beiden Jungs herabschauenden Erwachsenen, Verwechslungen oder
einfach durch fast schon slapstickartige Situationen.
Mensch Rico, mit Mama kannst du schon mitgehen
Was besonders angenehm ist: Regisseurin Neele Leana Vollmar lässt Klischees
fast komplett beiseite und schafft es so, den beiden Hauptfiguren eine
realistische und vor allem tiefgründige Persönlichkeit zu verleihen. Sie zeigt
sehr angenehm und doch eindrucksvoll, dass man Kinder und ihre Probleme ernst
nehmen sollte, indem sie eben genau dies tut – sie nimmt ihre Figuren ernst, behandelt
sie als vollwertige Menschen. Dazu nimmt sie die Sichtweise der Kinder ein,
rätselt über manch komische Aussagen, will merkwürdigen Dingen auf den Grund
gehen, hinterfragt und geht auf Spurensuche und erklärt dabei wunderbar
verständlich so manche Phänomene und Verhaltensweisen, ohne jedoch den
berühmten Zeigefinger zu heben. Dadurch kommt neben den vielen sympathischen
und lustigen Momenten auch die richtige Dosis Ernsthaftigkeit in den Film. Die
Kriminalgeschichte ist zwar spannend, hat aber noch einen weiteren Effekt. Sie
ist Auslöser für so einige zwischenmenschliche Konflikte und ist somit auch
mehr als lediglich für Unterhaltungszwecke verwendbar.
Spannung, Humor, Tragik und Moral, der Film hat tatsächlich alles, was ein
Kinderfilm haben muss. Dazu zeigt er, dass es egal ist, ob man nun hoch- oder
tiefbegabt ist, gerade weil auch unter den Erwachsenen viele schrullige Figuren
rumlaufen und jeder seine Marotten hat. Solange man Freunde hat, auf die man
sich verlassen kann, kann man alle Klippen umschiffen und dann ist es auch
egal, wenn man vielleicht ein klein wenig anders ist. Die beiden
Hauptdarsteller verkörpern dies so sympathisch, dass man sich nur auf die
Fortsetzung dieses Films freuen kann. Und die soll bereits dieses Jahr in die
Kinos kommen.
Fakten: Das
Parfüm – Die Geschichte eines Mörders
BRD, Frankreich, Spanien, USA. 2005. Regie: Tom Tykwer Buch: Andrew Birkin,
Bernd Eichinger, Caroline Thompson, Tom Tykwer, Patrick Süskind (Vorlage). Mit:
Ben Whishaw, Alan Rickman, Rachel Hurd-Wood, Dustin Hoffman, Corinna
Harfouch, Jessica Schwarz, Karoline Herfurth, Timothy Davies, Carlos Gramaje,
David Calder, Sara Forestier, Paul Berrondo. Erzähler im Originalton: John
Hurt. Erzähler in der deutschen Fassung: Otto Sander u.a. Länge: 147 Minuten.
FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story: Frankreich, im 18. Jahrhundert. Der Waise Jean-Baptiste Grenouille verfügt
seit seiner Geburt über einen unmenschlichen Geruchssinn. Als Ausgestoßener der
Gesellschaft lebt er einzig für die Welt der Düfte. Als ihn der Parfümeur
Baldini in die Lehre nimmt, lernt Grenouille nicht nur wie er Duftwasser
herstellt, sondern auch wie der Gerüche einfangen kann. Doch Grenouille möchte
einen ganz besonderen Duft einfangen, den Duft der schönsten Frauen. Dafür ist
er auch bereit zu morden.
Meinung: Patrick Süskind ist ein Phänomen auf zwei Beinen:
Sein Leben hat der Deutsche voll und ganz dem Schreiben gewidmet, hat es in
seiner Karriere, neben einigen Novellen und Drehbuchvorlagen, aber nur auf
einen einzigen Roman gebracht: „Das Parfum“. Jedem ist dieser Titel wohl
geläufig, jeder hat eine ungefähre Ahnung davon, welch (welt-)literarische
Bedeutung dieses Werk genießt. Längst im allgemeinen Kanon der Meisterwerke des
Schrifttums eingegangen, gehört das „Das Parfum“zweifelsohne für jede Leseratte
zum guten Ton und das mit geistreichen Bonmots und memorablen Satzgefügen
durchzogene Buch wird problemlos aus dem Stegreif rezitiert. Dem scheuen
Süskind, der sich immer gekonnt aus der Öffentlichkeit zurückhielt, aber war
der Trubel nie viel wert, die unzähligen Honorierungen, die durchbrochene Marke
von 20 Millionen verkauften Exemplare, all dieser Rabatz erschien dem in Ambach
am Starnberger See geborenen Schriftsteller zuwider. Dass der Mann sich daher
auch wenig beglückt gegenüber der Idee zeigte, seinen Jahrhundertroman auf die
Leinwand projizieren zu lassen, erklärt sich wohl von selbst.
Baldini unterrichtet die beste Nase der Welt
Constantin-Film hatte letztlich aber die mit 10 Millionen Euro Rechte- und
Entwicklungskosten die ausschlaggebenden Argumente und schritt zur Tat, einen
bekanntlich als unverfilmbar geltenden Roman für das Kino zu adaptieren. Jeder,
der „Das Parfum“ gelesen hat, wird verstehen, warum es eigentlich eine
Unmöglichkeit ist, dem Roman filmisch gerecht zu werden, stehen die Medien in
ihrer Wirkung doch schon von vornherein in Konflikt: Ein Buch ist eine
diffizile Angelegenheit, etwas, dessen Schönheit schlussendlich durch die
Gedankenwelt seiner Leser keimt und sich Seite für Seiten entfalten darf.
Süskinds Eloquenz hat eine Dimension geöffnet, die so greifbar, so konkret und
doch so ungebunden erschien, um ein Gefühl zu vermitteln, als wäre man der
erste Mensch, der sich in diesen stimulierenden Sphären verlieren darf. Ein
Film, eine audiovisuelle Form der Kunst, verweigert das eigene Erschaffen, er
setzt dem Zuschauer die Visualisierung des Regisseurs vor, mit der er sich dann
anzufreunden hat oder eben nicht. Soviel sei an dieser Stelle gesagt: Die
Kassen klingelten und das Budget von ansehlich en 60 Millionen Dollar wurde
beinahe um ein Vierfaches potenziert.
Riecht besser als er aussieht: Jean-Baptiste Grenouille
Natürlich fällt es ungemein schwer, „Das Parfum“ als Filmversion zu akzeptieren,
von seiner übermächtigen Vorlage zu trennen und nicht alle fünf Minuten mit
einem laut starken „Sakrileg!“ auf den Lippen aus dem Sitz zu springen. Als
Buchverfilmung nämlich ist „Das Parfum“ nahezu untauglich, weil er die
Schwerpunkte rapide verschiebt und die Tonalität des Romans rücksichtslos der
Massenkompatibilität unterordnet. Jean-Baptiste Grenouille wurde von Süskind
als abstoßender „Zeck“ beschrieben, ein humpelnder, gebückter, dreckiger
Mensch, der sich auf die Suche nach DEM Parfum, welches er aus der Unschuld
junger Mädchen extrahierte, gemacht hat, um die Wirkung dieses ganz für seinen
eigenen Vorteil auszunutzen. In Tom Tywkers „Das Parfum“ ist Jean-Baptiste
Grenouille kein hässliches Insekt, sondern hat mit Ben Whishaw einen durchaus
ansehnlichen Schauspieler geschenkt bekommen, der nichts Diabolisches in seinem
Auftreten zu verbuchen hat und in seinem beschmutzen Antlitz fortwährend wie
absichtlich respektive aufgesetzt verdreckt. Und doch ist seine Bes-etzung
immer noch begrüßenswerter als es die des geplanten Leonardo DiCaprios („Der große Gatsby“) es gewesen wäre.
"Sei ruhig. Ich kenn den Roman noch nicht"
Logisch, aufgrund der angesprochenen Massenkompatibilität, ist es da auch, dass
„Das Parfum“ nicht mehr so abtrünnig, gnadenlos und widerwärtig erscheint,
sondern Grenouille immer wieder zur Sympathiefigur erklärt und durch den Fokus
auf seine traurigen Augen der Zuschauer oftmals zum Mitleid animieren möchte.
Grenouille handelt nicht mehr aus Niedertracht, aus dem Verlangen heraus, von
den Menschen vergöttert zu werden, sondern auf den Wunsch hin, in seiner
Hilflosigkeit geliebt zu werden, was mehr oder weniger konträr zur Intention
Süskinds steht. Lassen wir diese Ungereimtheiten außer Acht, auch wenn es
verdammt schwer erscheint, bekommen wir mit „Das Parfum“ einen – und das ist in
der Kontradiktion mit dem Roman wirklich wahnsinnig – schönen, einen ungemein
ästhetischen Film. Tiefe Farben eskortieren den Zuschauer durch ein
historisches Frankreich, der Flieder blüht und wird in breiten Fotografien zum
Gemälde. Die Landschaften sind im Allgemeinen von pittoresker Größe, die Kamera
selbst ist famos geführt, gleitet durch enge Gassen und über riesige Felder,
dreht sich um die eigene Achse, um dem olfaktorischen Genie Grenouilles
Ausdruck zu verleihen und verharrt in sinnlicher Statik, hat der mörderische
Parfümeur ein Objekt der Begierde erschnüffelt.
„Das Parfum“ ist ein audiovisueller Film, der die
mondäne Abendgarderobe, die grauen Perücken, die stolzen Dekolletees,
umklammert, mit farblichen Kontrasten akzentuiert, wie er die Leichen der
Frauen gar anmutig aufreiht und ihre toten Körper feinsinnig zelebriert. Auch
hier ist Leben und Tod das Leitmotiv, doch die Weichen sind verschoben, wie die
Informationen über die Kopfnote, die Herznote, die Basisnote, die Akkorde und
die Harmonie über Mischverhältnisse einzig als Randnotizen durch das tragische
Szenario mäandern. Was man „Das Parfum“ jedoch positiv anrechnen muss, ist die
Tatsache, dass der Film in seinen 150 Minuten Laufzeit zu keiner Minute langweilig
erscheint und ohne Durchhänger von Anfang bis Ende, dem von Kotze, Jauche,
Innereien und Fäkalien besudelten Fischmarkt nahe des Cimetière des Innocents,
auskommt. Es fehlt natürlich der zynische Grundton, die vielfältige Möglichkeit
der Interpretation, das Bacchanal ist eine Meer aus nackten Leibern,
bildgewaltig, untermalt von sakralem Gesang, aber nicht von dieser nachhaltigen
Konkretheit formuliert, genau wie der abschließende Satz: „Zum ersten Mal
hatten sie etwas aus Liebe getan“. Ein angenehmer Film, der im Schatten seiner
Vorlage verkümmert, weil er es muss.