Fakten:
Entertainment
US,
2015. Regie: Rick Alverson. Buch: Rick Alverson, Gregg Turkington,
Tim Heidecker. Mit: Gregg Turkington, John C. Reilly, Tim Heidecker,
Michael Cera, Tye Sheridan, Amy Seimetz, Dean Stockwell u.a. Länge:
102 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 15. September 2016
im Kino.
Story:
Ein
namenloser Comedian tourt mit seinem überaus unkonventionellen
Bühnenprogramm durch die Mojave-Wüste. Seine Reise führt ihn in
kleinere Bars oder auf überschaubar besuchte Geburtstagspartys, wo
seine kontroversen Auftritte gelangweilte bis aggressive Reaktionen
hervorrufen. In seinem Inneren ist der stets traurig-deprimiert
dreinblickende Comedian aber ein zutiefst unglücklicher, einsamer
Mensch, der sich zunehmend zwischen Kunstfigur und dem Menschen
dahinter verliert und auf dem Weg durch die Mojave-Wüste skurrile
Begegnungen macht, während sein Ziel ein ungewisses bleibt.
Meinung:
Nur
wenige Filmtitel führen wohl so in die Irre wie der von Rick
Alversons "Entertainment". Von Unterhaltung könnte dieser
depressive, dunkle Brocken kaum weiter entfernt sein, denn schon
lange ist es keinem Film mehr gelungen, den Zuschauer in einen derart
unbequemen Dauerzustand des unbeholfenen Zähneknirschens zu
versetzen, bei dem das Gefühl entsteht, als würden Fäuste auf die
Magengrube einschlagen.
Untypischer könnte ein Komiker kaum aussehen |
Ein
in die Jahre gekommener, skurril aussehender Stand-up-Comedian tourt
durch die Mojave-Wüste, um überwiegend unbeeindruckte bis genervte
Zuschauergrüppchen in kleineren Bars oder auf Geburtstagspartys mit
seinem Bühnenprogramm zu bespaßen. Bei diesem Programm handelt es
sich allerdings nicht um die altbekannte Aneinanderreihung mal mehr, mal
weniger zündender Gags. Der namenlose Komiker agiert ausnahmslos mit
einer Kombination aus groteskem Anti-Humor, gemeinen Beleidigungen
gegen protestierende Leute aus seinem Publikum oder bizarren Pointen,
die so schlecht sind, dass sie die Bezeichnung gar nicht verdienen.
"Entertainment" wirkt so, als hätte Quentin Dupieux, einer
der aktuell auffälligsten Surrealisten des Kinos, "Inside
Llewyn Davis" von Ethan und Joel Coen mit einem
Stand-up-Comedian anstelle eines erfolglosen Folk-Musikers als
Hauptfigur gedreht. Alversons Film folgt einer eigenen verschrobenen
Logik, die einem Road-Trip ähnelt, mit dem Unterschied, dass sich
der Protagonist auf seiner Reise die ganze Zeit um sich selbst dreht
und am Ende kein erfüllendes Ziel erreichen wird, sondern endgültig
in Trauer und Verzweiflung ertrinkt.
Einige Stars haben sich auch in den Film verirrt |
Der
Regisseur reißt dem öffentlich verbreiteten Eindruck der
Comedy-Szene, bei der praktisch durchwegs gut gelaunte Künstler
einen Gag nach dem anderen reißen und Menschenmassen zum Lachen
bringen, die falsche Maske vom Gesicht und reduziert den
amerikanischen Traum auf ein staubig-karges Skelett. Der Comedian
wird auf monotone Weise mit seinen seelischen Schmerzen alleine
gelassen und ist kaum noch dazu fähig, seine eigentliche
Leidenschaft, das Publikum zu bewegen und in Gelächter zu versetzen,
ausüben zu können. Zu limitiert sind die Menschen, die ihm nach
seinen Auftritten zwar zu einer gelungenen Performance gratulieren, von seiner echten Persönlichkeit jedoch kaum weiter entfernt sein
könnten, die er bewusst mit übertrieben gekünstelter Stimmlage im
Verborgenen hält und mittlerweile scheinbar selbst nicht mehr zwischen
Kunstfigur und Mensch unterscheiden kann. Hauptdarsteller Gregg
Turkington ist die Sensation des Films, denn eine Präsenz wie er sie
in jeder Szene zeigt, sieht man eher seltener bei Schauspielern. Die
Figur seines Comedian gibt es dabei wirklich, denn in Gestalt von
Neil Hamburger tourt Turkington bereits seit ungefähr 20 Jahren vorwiegend durch die USA, wobei er die Gemüter aufgrund seiner gewöhnungsbedürftigen Art mit voller Absicht spaltet.
Gewöhnungsbedürftig
ist auch "Entertainment", der vielleicht auch als Meta-Film
gelesen werden kann, in dem Regisseur und Hauptdarsteller der
Kunstfigur ein bitteres Denkmal errichten, das sich vor dem
tragischen Kern des Comedian mithilfe von episodenhaften, surrealen Begegnungen sowie einsamer Verzweiflung verneigt und in einzelnen
Momenten, wie beispielsweise der unvergleichlich schockierenden
Geburtsszene in einer Toilette, zum Staunen bewegt. Veredelt mit
heutzutage kaum noch verwendeten CinemaScope-Bildern ist diese
tonnenschwere, finstere Odyssee ins absolute Nichts ein Werk, das
nicht jedem zusagen wird. Wer sich dagegen auf den anfangs eher
repetitiv wirkenden Erzählfluss einlassen kann, wird mit einem
intensiven, niederschmetternden Film belohnt, den man in solch einer
Form nicht allzu oft sieht.
8
von 10 unter dem Arm gehaltene Drinks
von
Pat