Fakten:
Moonlight
Moonlight
USA.
2016. Regie: Barry Jenkins, Tarell McCraney. Mit: Mahershala Ali,
Shariff Earp, Duan Sanderson, Alex R. Hibbert, Janelle Monáe, Naomie
Harris, Jaden Piner, Herman 'Caheei McGloun, Kamal Ani-Bellow, Keomi
Givens, Eddie Blanchard, Rudi Goblen, Ashton Sanders, Edson Jean,
Patrick Decile, Herveline Moncion. Länge: 110 Minuten. FSK:
freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 25. August 2017 auf DVD und Blu-ray
erhältlich.
Story:
"Moonlight"
erzählt die berührende Geschichte des jungen Chiron, der in Miami
fernab jeglichen Glamours aufwächst. Der Film begleitet
entscheidende Momente in Chirons Leben von der Kindheit bis ins
Erwachsenenalter, in denen er sich selbst entdeckt, für seinen Platz
in der Welt kämpft, seine große Liebe findet und wieder verliert.
Meinung:
Man
möchte ins Träumen geraten. Die weißen Sandstränge und der
lauwarme Wellengang von South Beach laden unweigerlich dazu ein. Hier
kann man es sich gut gehen lassen, hier darf man die Seele baumeln
lassen und in den Augenblick hineinleben. Das Bild des 1980er Jahre
Miamis, welches Moonlight
offenbart, ist jedoch kein großstädtisches Urlaubsidyll.
Stattdessen finden wir uns in einem von Gewalt und Drogenhandel
wie –Konsum geprägten Viertel wieder. Hier lebt auch der 9-jährige
Chiron (Alex R. Hibbert), dessen Alltag seit jeher von genau diesen
beiden Dingen dominiert wird: In der Schule wird er von seinen
Kameraden aufgrund seiner schmächtigen Erscheinung drangsaliert, in
den eigenen vier Wänden erfährt er von seiner cracksüchtigen
Mutter keinen Rückhalt. Wie soll sich ein Junge entwickeln, wenn
seine Sozialisation jeden Anflug an Einfühlvermögen verweigert?
In
dem Drogendealer Juan (Mahershala Ali, The
Place Beyond the Pines)
und seine Freundin Teresa (Janelle Monáe, Hidden
Figures – Unerkannte Heldinnen)
findet Chiron allerdings nach und nach die elterliche
(Ersatz-)Stütze, die ihm das Leben von Haus aus entsagen sollte. Wer
anhand dieser Bedingungen nun dem Glauben anheimfallen möchte, Barry
Jenkins würde sich mit Moonlight
in den Regionen eines politischen Traktats bewegen, um auf die
kulturellen wie gesellschaftlichen Verzerrungen in von
afroamerikanischer Bevölkerung geprägten Netzwerken innerhalb des
(sub-)urbanen Raum aufmerksam zu machen, der täuscht sich. Mit
Sicherheit ist Moonlight
auch ein sozialer Befindlichkeitsfilm, das Hauptaugenmerk der
Narration liegt allerdings auf den introspektiven Entwicklungen des
Hauptdarstellers. Das strukturelle Rückgrat bildet dabei die
dreigeteilte Begleitung Chirons durch verschiedene Lebensphasen.
Angefangen
mit dem Kindesalter und seiner einschneidenden Begegnung mit Juan,
den Mahershala Ali mit einnehmenden Empathie verkörpert. Juan klärt
Chiron darüber auf, wie wichtig es ist, zu sich selbst zu stehen und
gibt ihm das Vertrauen dahingehend, dass die Welt ihn nicht allein
gelassen hat. In einem der zärtlichsten Momente, der in diesem
Kinojahr noch lange Zeit lobende Erwähnung finden wird, werden wir
Zeuge, wie Juan Chiron das Schwimmen beibringt, um dem unsicheren
Jungen zu beweisen, was es bedeutet, sich fallen zu lassen und frei
zu fühlen. Diese sinnbildhafte Sequenz bringt das Leitmotiv von
Moonlight
akkurat auf den Punkt: Wir begleiten einen Menschen auf dem Weg, sich
selbst zu finden. Wir erleben dabei identitätsstiftende Schönheit,
aber wir erleben genauso den Schmerz des Seins.
Das
zweite Kapitel beschäftigt sich mit Chiron im Teenageralter (Ashton
Sanders) und seiner ersten sexuellen Annäherung mit einem anderen
Mann (Jharrel Jerome), bevor sich der einst schmale Jüngling nach
Jahren des Freiheitsentzuges als muskulöses Ebenbild (Trevante
Rhodes, Burning Sands)
seines einstigen Ziehvaters präsentiert. Die Veränderungen, die
Chiron im Verlauf der einzelnen, klar voneinander getrennten Episoden
durchmacht, sind repräsentativer Natur: Das oberflächliche Aussehen
scheint in der Welt, in der Chiron zu überleben versucht, darüber
zu entscheiden, in welche Richtung er sich entfalten darf. Als dürrer
Hänfling erfährt er öffentlich nur Feindseligkeit, als
aufgepumptes, mit Goldketten behangenes und mit Grills überstülptes
Klischee schindet er zwar Eindruck und ist zu dem geworden, was die
Gesellschaft von ihm eingefordert hat, seine Selbstverleugnung aber
liegt unmissverständlich auf der Hand.
Moonlight
begibt sich auf eine, mit 100 Minuten beinahe schon etwas zu knapp
bemessene, Suche nach einer Möglichkeit, sein wahres Ich zu
verwirklichen. Eine Suche, endlich anzukommen, ohne sich ständig
maskieren zu müssen. Chiron wird in einen von Barry Jenkins
feinsinnig decodierten Lernprozess involviert, im Zuge dessen er
nicht nur verstehen muss, dass das Leben einen häufig zu
Unsicherheiten zwingt und an den Rand der Zerbrechlichkeit führt,
sondern, um der metaphorischen Taktung des Filmes treu zu bleiben:
Auch ein Vogel mit gebrochenem Flügel wird sich irgendwann wieder in
den Himmel hinaufschwingen können. Jenkins ist dabei nicht darum
bemüht, harmonische Zugeständnisse zwischen Chiron und dem
Zuschauer zu evozieren, Moonlight
widerspricht einfachen Lösungen, gewinnt dadurch aber erst seine
poetische Intimität, die so unverstellt und wirklichkeitsnah in den
Augenblick hineinfällt.
7,5
von 10
Schwimmstunden
von Souli
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