Review: DAS TOTENSCHIFF - Der bittere Abstieg in die Kohlenhölle



Fakten:
Das Totenschiff
BRD, Mexiko. 1959. Regie: Georg Tessler. Buch: Hans Jacoby, Georg Tessler, Werner Jörg Lüddecke, B. Traven (Vorlage). Mit: Horst Buchholz, Mario Adorf, Elke Sommer, Helmut, Schmid, Alf Marholm, Werner Buttler, Panos Papadopulos, Albert Bressler, Günter Meisner Alfred Balthoff, Edgar O. Faiss u.a. Länge. 93 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Seemann Philip verpasst nach einer Nacht mit einer Frau, die ihm sein Geld und Ausweis gestohlen hat sein Schiff. Er fährt als blinder Passagier nach Frankreich, um dort auf der „Yorikke“ anzuheuern, um nach Amerika zu kommen. Ein Fehler! Es handelt sich um ein sogenanntes „totenschiff“, welches zwar mit wertvollen Gütern beladen ist, allerdings untergehen soll, um an die Versicherungsprämie kommen.





Meinung:
Die Schicksalsschwangerschaft des Titels kommt nicht von ungefähr. Bereits bevor der Vorspann beginnt, hat der amerikanische Seemann Philip Gale (Horst Buchholz) seine Papiere und sein ganzes Geld an eine ordinär-rabiate Hafennutte verloren. Fortan schlägt er sich mit leicht-frech-verschmitzter, aber auch frustrierter Miene durch die abweisende Bürokratie, um wieder in die Heimat oder zumindest auf ein Schiff zu kommen. Doch als Heimatloser wird er kaum menschlich behandelt, eher wie ein Toter, der selbst von der Polizei nachts über die Grenze geschafft wird, damit man sich nicht mit ihm abplagen muss. Das Konsulat verspricht Hilfe, doch auf die kann er lange warten, da zählt Eigeninitiative, heraus aus der Tristesse - da kann er einfach nicht anders, ganz der Abenteurer. Beim Zwischenstopp seiner Reise, in einem kleinen französischen Bahnhofsdorf, begegnet er dem jungen Mädel Mylene (Elke Sommer), eine etwas scheue und doch einladende Persönlichkeit, die sich unserem Protagonisten innerhalb eines Abends öffnet. Ihre Stimme der Sehnsucht versucht ihn dazubehalten, als ob sie schon wüsste, welch Unheil vor ihm liegt.


Noch auf dem Land, in Sicherheit
Ein Hoffnungsschimmer des Bleibens seinerseits kommt auch beim Zuschauer auf, das Glück liegt immerhin vor seiner Nase und Regisseur Georg Tressler verspricht da schon vom Inszenatorischen her provinziell-erwärmende Glückseligkeit und bescheidene Lebenspoesie. Doch alle herzliche Romantik & Erotik hält die eingeschlagene Timeline unseres Seemannes nicht auf - wie von Geisterhand getrieben führt er seinen Gang über die Schienen hinauf zur nächsten Hafenstadt durch. Der nur 93-minütige Film erzählt diesen Weg mit kompromissloser und doch wehmütiger Pointierung in (durchweg abgeklärtem) Dialog, Bild und Musik, gnaden- und ausweglos-voranschreitend geschnitten, objektiv und gleichzeitig offenbarend in der Erzählung. Das Ziel ist nämlich klar festgelegt: kompromissloser Pessimismus, kaum der Abenteuerfilm, den die Verpackung versprechen mag. Denn sobald Philip auf dem zwielichtigen Kahn Yorikke angeheuert wird, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Verlorene und ruppige Seelen an Bord (wirklich toll: Helmut Schmid), angeführt von rücksichtslos-konspirativen Vorgesetzten, die - wenn sie nicht schon Munition in Pflaumenmus-Dosen schmuggeln - bei passender Stunde den Untergang des Schiffes planen, den Tod aller dabei in Kauf nehmen, da diese schon tot sind.


Malen lenkt vom untergehen ab
Dies scheint gar nicht mal so fern von der Realität, so wie sie hier in Dreck und Kaltschnäuzigkeit die Tage und Nächte durch malochen, entweder von der Sonne verätzt oder stets hungrig in Fett & Öl eingeschmiert sind. Und immer wieder der Abstieg in den Heizungskessel, Schlund der Hölle und Seelen-zerschindendes Folterinstrument: hier ist man am Ende angekommen, fernab aller Gesetze nur noch die Hülle eines Menschen - ein arbeitender Körper, mehr nicht. Kein Wunder, dass unser Philip die Flucht plant, sich am Liebsten wünscht, doch bei Mylene geblieben zu sein. Falsche Pässe sind in Aussicht, doch dafür müsste er töten, eine krassere, doch nicht weniger enthumanisierte Bürokratie - keine Chance, das sieht auch sein desillusionierter Freund Lawski (Mario Adorf) ein, denn die Yorikke wacht ständig über ihrer Schulter im Hintergrund, es gibt kein Entkommen. Das Finale gestaltet sich folgerichtig zur Apokalypse: die Vorgesetzten scheißen auf das Leben ihrer Männer, treiben das Schiff zum Siedepunkt und übergießen ebenfalls sich selbst mit den glühenden Kohlen und schluckend-schwarzen Massen des Meeres - alle gehen drauf, doch sie gehen zwangsläufig mit unter, alles Andere wäre ja wohl kaum fair.


Philip und Lawski bleiben als Einzige am Rumpf der Yorikke übrig, bis nur noch eine schwimmende Holzplattform übrig bleibt. Manie zerfrisst den einen, der andere bleibt in der fatalen Unendlichkeit zurück - die Hölle öffnet ihre Pforten und reißt sich mit dornigen Ranken in die Haut rein. Fiese Konsequenz, aber immerhin ehrlich, wie alles an diesem kompromisslos-dargestellten Filmerlebnis. Große Gefühle bleiben am Land, der Rest ist nur noch das kalte Sterben.


7 von 10 Kugeln im Pflaumenmus


vom Witte

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