Review: DER GENERAL – Buster Keaton jagt seine Eisenbahn



Fakten:
Der General (The General)
USA. 1926. Regie: Buster Keaton, Clyde Bruckman. Buch: Clyde Bruckman, Al Boasberg, Charles Smith. Mit: Buster Keaton, Marion Mack, Charles Henry Smith, Frank Barnes, Glen Cavender, Jim Farley u.a. Länge: 78 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Johnnie Gray (Buster Keaton) ist Schaffner auf der Eisenbahn „The General“. Als im Jahr 1861 der amerikanische Bürgerkrieg immer näher kommt, will sich auch Johnnie für die Südstaaten zum Krieg melden, doch er wird abgelehnt, was auch das Ende der Beziehung mit seiner Freundin Annabelle (Marion Mack) bedeutet. Als einige Zeit später aber seine Lokomotive von Nordstaaten-Spionen geklaut wird, macht er sich alleine auf die Verfolgung der Diebe, nichtsahnend, dass auch Annabelle mitsamt der Lok entführt wurde.




Meinung:
Denkt man an komische Stummfilmschauspieler, so denkt der durchschnittliche Filmfan an Charlie Chaplin, vielleicht auch an Stan Laurel und Oliver Hardy, die allerdings auch mit ihren Tonfilmen große Berühmtheit erlangten. Vergessen wird oft ein weiterer, eigentlich weltbekannter Mann: Buster Keaton. Und gerade mit Chaplin liegt ein Vergleich auf der Hand, orientierten sich doch beide extrem am Slapstick, hatten gigantische Erfolge, waren Tausendsassa bei ihren Filmen und hatten einen individuellen Stil, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Die meisten Filmfans haben jedoch auch immer einen Liebling. Chaplin ODER Keaton. Beides? Nur ganz selten möglich. Bei mir sind es ganz klar Charlie Chaplin und seine Filme. Doch warum? Die Gründe kann man wohl am besten nachvollziehen, wenn man sich Buster Keatons Film „The General“ ansieht und ihn immer wieder in Bezug zu Chaplin bringt.


Kein Lächeln, aber die Frisur ist schön.
Keaton, der oft als „Mann, der niemals lächelt“ bezeichnet wird, ist genau das: ein Mann, der tatsächlich nicht lächelt. Das wird aber auch zu einem großen Problem dieses Films. Ein Lächeln macht Menschen sympathisch und genau diese Sympathie fehlt mir bei Keaton und seiner Figur Johnny Gray enorm. Ein Lächeln kann viel aussagen und vor allem mehr als ein stets stoisches und griesgrämiges Gesicht, wie es Keaton den ganzen Film über aufsetzt. Es mag sein Stil sein, aber das sympathische Lächeln eines Charlie Chaplins oder das Grinsen eines Stan Laurel sind mir einfach lieber. Geschmackssache, natürlich, aber eben auch ausschlaggebend. Denn wegen der fehlenden Sympathie fehlt auch der Spannungsaufbau in diesem Film bei dieser sehr simpel gehaltenen Geschichte und besonders in der ersten Hälfte des weniger als 80 Minuten dauernden Stummfilms sind schon sehr zäh. Erst ab der Mitte etwa wird der Film spannender, dann aber immerhin richtig. Außerdem schafft es Keaton, seine Geschichte sehr stringent zu erzählen, ohne große Nebenschauplätze zu eröffnen. Dadurch kann er den Zuschauer doch immer wieder an sich ziehen, auch wenn er, wie gesagt, die Leine recht locker lässt.


Die Stunts sind teilweise atemberaubend. Keaton hat wohl nicht nur einmal sein Leben aufs Spiel gesetzt, nur um eine perfekte Szene zu drehen. „Perfektion“ ist hier manchmal genau das angebrachte Wort. Und dabei sieht alles so spielend einfach aus, was Keaton da macht. Alles wirkt enorm authentisch – kein Wunder, Keaton galt sowieso als Perfektionist, der keinerlei Kosten oder körperliche Strapazen gescheut hat, um eine Szene, ja, perfekt zu machen. Darum ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass aus Keatons größten finanziellen Flop „The General“ so manche Szenen auch heute noch im kollektiven Gedächtnis verankert sind und immer und immer wieder zitiert werden. Schon allein die vielleicht berühmteste Eisenbahnszene der Filmgeschichte. Übrigens: Nein, die Szene, in der Keaton an einem Hochhaus herumklettert und unter anderem an einer Uhr baumelt, ist nicht in diesem Film vorhanden. Warum? Die Szene stammt aus dem Film „Safety Last“. Und der Mann ist nicht Keaton, das ist Harold Lloyd, ebenfalls ein berühmter Stummfilmkomiker.


Vielleicht ist meine Lok ja hier drin...?
Richtig problematisch wird der Film dann, wenn er in den komödiantischen Bereich geht. Vielleicht hatten die zahlreichen Zuschauer von früher ein ähnliches Problem wie ich heute: Sie sind an Chaplins Komödien gewöhnt, dem ersten großen Star in diesem Bereich, und haben es dadurch womöglich schwerer, auch Keatons Stil so witzig zu finden. Chaplins Slapstick unterscheidet sich dabei von Keatons Slapstick offensichtlich, auch wenn es an und für sich nur Nuancen sind. Chaplin ist übertriebener, reizt die Gags bis zum letzten aus und wiederholt sie auch gerne noch einmal. Sein Motto? Sobald der Zuschauer mit dem Lachen aufgehört hat, muss er auch schon wieder mit dem Lachen beginnen. Bei Keaton ist es hingegen viel feiner, die Gags subtiler und auch nicht so brachial wie bei Chaplin. Die komischen Momente sind weiter verteilt und als Zuschauer hat man mehr Erholungsmöglichkeiten, was aber dem Unterhaltungswert nicht gerade gut tut. Keatons Slapstick ist nicht so künstlich wie der Chaplins und er lässt der Authentizität genügend Freiraum, um überleben zu können. Immerhin erweitert Keaton den Film durch Momente der Erleichterung, die vor allem dem Überstehen einer Situation geschuldet sind. Das ist für die damalige Zeit eine durchaus innovative Art der Komik in einem Film und zeigt so mehr Respekt vor den Figuren im Film.


Sozialkritik ist in Buster Keatons „The General“ nur am Rande zu spüren und genau das fehlt auch meiner Meinung nach, um zu den großen Komödien eines Chaplins aufzuschließen. Hier wird vielmehr eine Geschichte aus der Vergangenheit erzählt, eine Einzelepisode aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Interessant zwar, das schon, aber eben auch nicht mehr. Auch wenn „The General“ ein filmtechnisch sehr schön zu schauender Film ist, der auch einige beeindruckende Szenen für sich verbuchen kann, fehlt ihm in den Bereichen Komik und Mitfühlen das Stück, was ein Chaplin in seinen Spielfilmen einbauen konnte. Zumindest für jemanden, der zunächst mit dem Tramp in Berührung gekommen ist und ihn lieben gelernt hat, ist ein Zugang zu Keatons Film doch ziemlich schwierig.


6,5 von 10 Wasserstrahle auf Annabelle

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