Review: KICKBOXER: DIE VERGELTUNG - Van Damme tanzt nicht mehr

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Fakten:
Kickboxer: Die Vergeltung (Kickboxer: Vengeance)
USA, 2016. Regie: John Stockwell. Buch: Dimitri Logothetis, Jim McGrath. Mit: Alain Moussi, Dave Bautista, Jean-Claude Van Damme, Sara Malakul Lane, Gina Carano, Georges St.-Pierre, Sam Medina, Darren Shahlavi u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Karate-Champion Eric wird von einer zwielichtigen Promoterin mit viel Geld zu einem illegalen Martial-Arts-Turnier in Thailand gelockt. Sein Bruder Kurt muss mitansehen, wie Eric in der Arena von der unbesiegten Kampfmaschine Tong Po das Genick gebrochen wird. Kurt sinnt auf Rache. Er sucht Erics Trainer Durand auf, um sich für die Konfrontation mit Tong Po zu wappnen.

                                                                                        
Meinung:
Der Kickboxer (bei uns als dritter Teil der im Original eigentlich gar nicht existenten Karate Tiger-Reihe auf den Markt geworfen) war einer der größten Erfolge von Jean-Claude Van Damme und begründete zusammen mit dem kurz zuvor erschienen Bloodsport dessen Karriere in den USA. Damals als hartes Action-Brett mit beeindruckenden Kampf-Szenen wahrgenommen, heute als ein augenzwinkerndes, trashiges Kind seiner Zeit immer noch mit hohem Spaß-Potenzial versehen. Nicht zuletzt wegen der legendären Tanzeinlage von JCVD, einmalig! Man könnte meinen, dass Kickboxer: Die Vergeltung nun eines dieser Spät-Sequels wäre, gerade da der Star von einst auch wieder mitmischt, diesmal in der Rolle des Trainers. Das wäre schon mehr als überflüssig, tatsächlich handelt es sich sogar um ein Remake. Warum dieser Weg gewählt wurde erschließt sich nicht, denn die Handlung dieser Filme ist eh immer gleich und mit einer Quasi-Fortsetzung könnte wenigstens die Chance bestehen, dass Fans des Originals nicht protestierend auf die Barrikaden gehen. Die haben nun allen Grund dazu, denn wie leider nicht anders zu erwarten, der urige Charme der Vorlage kann unmöglich wiederhergestellt werden. Noch schlimmer: Es wird nicht mal versucht.


Finishing-Move: Käsefuß
Story wie gehabt, in Details leicht abgewandelt, das Grundgerüst bleibt das gleiche. Wie in nahezu jedem US-Kampfsportfilm der 80er. Ein unbesiegbarer Monster (in diesem Fall: Dave Bautista) - ab jetzt können irrelevante Variablen eingebaut werden - demütigt/verkrüppelt/tötet den Freund/Bruder/Vater des eigentlichen Helden, der daraufhin Rache schwört, hart trainiert, theoretisch keine Chance hat, aber am Ende den Fiesling mit Schmackes durch die Matte kloppt. Nichts anderes macht auch Kickboxer: Die Vergeltung und das ist ja auch völlig in Ordnung, mehr darf und sollte wirklich nicht erwartet werden. Das Wie ist endscheidend und da funktioniert der Film weder nach ehemaligen, noch nach aktuellen Kriterien. Damals hatte man mit Jean-Claude Van Damme einen vom schauspielerischen Talent miserablen Hauptdarsteller, der zum Ausgleich beeindruckende Kampf-Skills mitbrachte und trotz seines unbeholfenen Spiels über eine gewisse Form von Stoffel-Charisma verfügte. Star-Appeal, das hat man oder eben nicht. Alain Moussi, hier in seiner ersten Hauptrolle, hat das definitiv (mit etwas gutem Willen noch) nicht. Mit Sicherheit topfit, von seiner Ausstrahlung dagegen leichenblass, stinklangweilig, nichtssagend. Keine Leinwandpräsenz, die darüber hinaus von Urlaubskatalog-Regisseur John Stockwell (der dreht wohl immer nur da, wo er nach Feierabend die Location genießen kann) niemals ansprechend gepusht wird.


Dass der Film sich bierernst nimmt, sich nicht mal zufälliger Humor in der aus 20 Jahre alten Fond angesetzten Brühe fischen lässt ist schon verwunderlich, dann muss zumindest die Action stimmen. Der nun alles andere als taufrische und Spagat-unfähige Van Damme kann bei seinen wenigen, körperlichen Szenen mühelos mithalten, so schnarchig wird der Nahkampf hier serviert. Das hat kaum Dynamik, vermittelt nie das Gefühl von echter Körperlichkeit, ist unterdurchschnittlich geschnitten und arrangiert. Man sollte natürlich nicht bei Maßstäbe von z.B. The Raid ansetzen, aber heutzutage gelten auch im DTV-Grabbeltisch-Bereich schon andere Gesetze (Stichwort: Scott Atkins). Passend dazu hält Dave Bautista auch nur seinen massiven Körper in die Kamera, seine Bewegungen gleichen denen eines angeketteten Tanzbären. Der Unterhaltungswert tendiert zwischenzeitlich gen Null, den einzigen „Lichtblick“ (was traurig genug ist), stellt Van Damme dar. Nicht etwa weil seine Leitung so spitze ist oder er sich besonders viel Mühe gibt, er watschelt als Einziger halbwegs entspannt mit Sonnenbrille und Hut lässig durch den Murks und tut wenigstens nicht so, als gebe es hier irgendwas zu beschönigen. Dieser Spritzer Lockerheit geht dem Film durchgehend ab. Wer tapfer bis zum Abspann dran bleibt bekommt dann wenigstens den ultimativen Direktvergleich, warum dieser Kickboxer von vornherein eine verdammt dumme Idee war. 

3 von 10 Kokosnuss-Knackern

Review: WENN DU KREPIERST - LEBE ICH - Adam, Eva...und Walter

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Fakten:
Wenn du krepierst – lebe ich (Autostop rosso sangue)
IT, 1977. Regie: Pasquale Festa Campanile. Buch: Ottavio Jemma, Aldo Crudo, Pasquale Festa Campanile, Peter Kane (Vorlage). Mit: Franco Nero, Corinne Cléry, David A. Hess, John Lofredo, Carlo Puri, Leonardo Scavino, Ignazio Spalla u.a. Länge: 104 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Das Ehepaar Walter und Eve Mancini gabelt bei ihrer Reise durch Kalifornien einen Anhalter auf, dessen Wagen den Geist aufgegeben hat. Schnell entpuppt sich der Hilfebedürftige als Bankräuber, der nicht nur 2 Millionen Dollar mit sich herumträgt, sondern dafür auch schon über Leichen gegangen ist. Das zerstrittene Paar soll sein Passierschein über die mexikanische Grenze sein.

                                                                        
Meinung:
„Keine fickt so gut wie du, kleine Eva. Das ist der einzige Grund, warum du jetzt nicht dahinten liegst.“

Die Ehe von Walter (Blauauge Franco Nero) und Eve (Moonraker-Bond-Girl Corinne Cléry) könnte disharmonischer kaum sein, was Pasquale Festa Campanile bereits mit seiner ersten Szene belegt, noch bevor sich das Traumpaar gegenseitig die verbalen Zärtlichkeiten um die Ohren schleudert. Eine angedeutete Gefahrensituation, in der eine Frau sich im Fadenkreuz eines Mannes befindet, ehe sich das Ganze als harmlose Hirschjagd herausstellt. Aber wie Charmebolzen Walter schon so frei von der Whiskey-getränkten Leber weg äußert, die Beziehung der beiden ist inzwischen eher fleischlicher Natur. Oder wie es Eve an anderer Stelle treffend feststellt: „Du irrst dich, Liebling. DIE lieben sich, WIR haben nur gebumst.“


Auf dem Highway ist (noch) nicht die Hölle los...
Wie heißt es doch so schön: Was sich neckt, das liebt sich. Diese Floskel wird auf eine harte Probe gestellt, als der erfolglose Reporter und seine Gattin – nebenbei die Tochter seines Verlegers – in die Hitchhiker-Falle tappen. Adam, der braungebrannte Wuschelkopf am Straßenrand (David A. Hess, das Monster aus Cravens The Last House on the Left) wird gegen den Willen des Alphamännchens aufgesammelt. Dieses fühlt sich schnell nicht nur in seiner Rolle als schnauzbärtiger Arschloch-Stecher bedroht, sondern ganz konkret durch die geladene Waffe des psychotischen Mörders auf dem Rücksitz. Der möchte seine frische, reichhaltige und unter blutigen Umständen zusammengeraffte Altersvorsorge in das gelobte Outlaw-Nachbarland überführen und nebenbei – wenn es Zeitrahmen und Umstände erlauben – gerne auch die weibliche Geisel beglücken. Eine abscheuliche Extremsituation, die ein sich mehr als nur entfremdetes Paar wieder zusammenschweißen sollte. Der gemeinsame Überlebenskampf als Kitt für emotionale Gräben, die nur durch körperliche Triebbefriedigungen notdürftig überbrückt werden.


...aber jetzt dafür richtig.
In jedem anderen Film wäre das wohl auch der Fall, doch was Campanile hier mit Wenn du krepierst – lebe ich an lange aufgestauter und final hemmungslos entladener Energie raushaut, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Treffend vertont von Ennio Morricone, dessen Main-Theme das Ganze schon früh akustisch einläutet. Europäisches Grindhouse-Kino, das die Sub-Genregrenzen experimentierfreudig auslotet. Highway-Horror, moderner Italo-Western, Geiselnahme-Psycho-Thriller und Rape & Revenge, das zwischen vulgärem Umgangston und roher Gewalt immer mal wieder das Tempo rausnimmt, aber nie die wahnsinnig angespannte Situation auch nur annährend entschärft. Eher noch durch vorwurfsvolle Blicke, griffige und wohl überlegte Nebensätze sowie einen immer latent vorhandenen, sexuellen Kontext stetig steigert, bis sich alles in radikaler Konsequenz entlädt. Der Film spielt unter seiner wüsten Exploitation-Schale bissig mit plakativen Gender-Klischees, lässt primitive Gockel um das Kapitänsamt auf dem sinkenden Schiff kämpfen, während die ganze Zeit eigentlich nur  - nicht nur faktisch – die einzige Frau an Bord das Steuer in der Hand und die Rettung an noch ganz anderen Stellen bereithält. Frauen sind klüger, opferbereiter, aber zu gutherzig. Wie die „Schwuchteln“, die letztlich auch über ihre weibische Empathie stolpern.


Wenn man glaubt, das Ende von Wenn du krepierst – lebe ich bereits durschaut zu haben, abwarten. Dieser offenbar grobe aber wahnsinnig clevere Road-Thriller mit leichten Anleihen bei Spielbergs Duell, Peckinpahs Wer Gewalt sät und einer dicken Schippe Inspiration für Hitcher, der Highwaykiller dreht den bitterbösen Spieß mehrfach um und läuft auf genau diesen Moment heraus, den man vielleicht schon riechen, aber bei aller Abgebrühtheit nicht wahrhaben wollte. Wer macht so was schon? Dieser Film! Weil er so abgekocht ist, da bleibt einem das perfide Lachen im Halse stecken. Der Kreis schließt sich. Ingmar Bergman machte künstlerisch wertvolle Beziehungsdramen an der Schmerzgrenze, Pasquale Festa Campanile machte diesen räudigen Straßenköter. So viel trennt die beiden eigentlich nicht…

7,5 von 10 gescheiterten Paartherapien

Review: HELL OR HIGH WATER – Filmischer Hochgenuss oder doch die Hölle?

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Fakten:
Hell or High Water
USA. 2016. Regie: David Mackenzie. Buch: Taylor Sheridan. Mit: Ben Foster, Chris Pine, Jeff Bridges, Gil Birmingham, Dale Dickey, William Sterchi, Kristin Berg, Katy Mixon u.a. Länge: 102 Minuten. FSK: ungeprüft. Ab 12. Januar 2017 im Kino.


Story:
Im Kriminaldrama Hell or High Water schmieden ein geschiedener Vater und sein frisch aus dem Gefängnis entlassener Bruder einen verzweifelten Plan, um ihre Familienfarm im Westen von Texas zu retten: Toby und Tanner wollen gleich mehrere Banken überfallen und mit dem auf diese Weise gewonnenen Geld verhindern, dass ihr hoch verschuldetes Heim samt Ländereien an den Staat zurückfällt.




Meinung:
12 Millionen Dollar. Diese Summe hat die komplette Produktion von Hell or High Water veranschlagt und auch wenn bereits bessere Filme für deutlich weniger Geld gedreht wurden, so ist die Summe trotzdem erstaunlich. Vieles an David Mackenzies Film erweckt den Eindruck er wäre kostspieliger gewesen. In vorderster Front sind es natürlich Darsteller wie Jeff Bridges, Chris Pine und Ben Foster, die den Eindruck einer Multimillionen-Dollar-Produktion evozieren. Doch auch darüber hinaus sind beinahe alle Facetten des Films, angefangen bei der Optik über Kostüme und Ausstattung bis hin zum Soundtrack, hochwertig eingefangen. Natürlich sind 12 Millionen dennoch eine gewaltige Summe, aber nichtsdestotrotz ist es ein schöner Umstand, dass mainstreamtaugliches Hollywoodkino auch in den niedrigen Budgetbereichen ausgezeichnet funktionieren kann.


Posen für die Kamera
Alles wirkt wie ein Klischee. Staubige Felder, ausgebrannt von der unbarmherzigen Sonne. Schnauzbärtige Männer in ausgewaschenen Hemden sitzen auf der Veranda, trinken ein kühles Bier und polieren ihre Waffen. Texas scheint einer dieser Staaten zu sein, in dem die Zeit einfach stillsteht. So still, dass selbst Banken noch keine Überwachungskamera haben und die verlässlichste Methode der Polizeiarbeit simples Warten darstellt. Ein von Nick Cave und Warren Ellis stammender Soundtrack eilt der trostlosen Optik voraus, wir hören die Klänge bevor wir unsere Protagonisten als unerfahrene, aber entschlossene Bankräuber kennenlernen. Was in den nächsten 100 Minuten folgt ist durchgehend stimmig (vor allem der texanische Dialekt trägt im Original viel dazu bei), aber nie sonderlich unvorhersehbar erzählt. Es wirkt beinahe etwas faul, so als würde sich der Regisseur auf den gelungenen Komponenten seines Films ausruhen, sich über die kantige Performance von Ben Foster, den westernartigen Soundtrack oder seiner gelungenen Optik freuen und dabei eine zentrale Botschaft vernachlässigen. Sicherlich greifen die einzelnen Teile des Films spürbar flüssig ineinander, doch kann sich Hell or High Water nicht dem Eindruck verwehren, als klassisches Erzählkino ein Stück weit zu klassisch zu sein. Inwiefern man das als Stärke oder Schwäche wertet, sei jedem Zuschauer selbst überlassen.


Hell or High Water vereint zahlreiche Einflüsse, bündelt Sozialdrama und Heist-Movie unter einer allgegenwärtigen Westernikonographie und besticht dadurch vor allem durch Atmosphäre und Optik. Erzählerisch scheint die altbekannte Brüderdynamik um einen kriminellen Hitzkopf und dessen vernünftigerem Pendent ebenso überholt wie die vorherrschend rückständige Mentalität in Texas. Der Geschichte um einige verzweifelte und schlecht organisierte Banküberfälle fehlt es an Substanz, Überraschung und Spannung. So ruhig und stimmungsvoll Mackenzies Film auch erzählt ist, für die kurz angeschnittene Tiefe scheint kein wirklicher Platz zu sein. Das ist schade, denn so verpufft ein Teil der Wirkung im leeren Raum und der Film lässt einem mit dem hohlen Gefühl zurück doch alles schon einmal gesehen zu haben.


6 von 10 Einschusslöchern